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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 15
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Rapsilber, M.: Von Berlin Kunst
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232

Die Kunst-Halle.

Nr. f5

Von Zerliner Xunrk.

Salon Schulte wird den Kunstfreunden be-
deutet, daß man nunmehr nicht ausschließlich die
Neuen, Neuesten und Allerneuesten vorzubändigen
gedenke, daß man daneben auch auf eine ständige Aus-
stellung von Werken erster Meister, wie es heißt, Be-
dacht nehmen werde. Ja, wenn die Neuesten nicht
mehr ziehen, müssen eben die Alten und die kunst-
geschichtlichen Berühmtheiten in die Bresche treten, da-
mit nicht völlige Mede über den Kunstmarkt herein-
breche. Diese kleine, sänftiglich inszenirte Wendung ist
recht kennzeichnend, und gerade an gegenwärtiger Aus-
stellung bei Schulte wird ein schneidend scharfer Kon-
trast zwischen den Alten und Neuen ersichtlich. Das
heutige Ausstellungswesen erfordert so viel Material, daß
man zuweilen beim besten Willen die Säle nicht anders
als mit ermüdendem Mittelgut füllen kann. Ls ist
daher gut, wenn man für diesen Fall die im Hinter-
grund geruhesam thronenden Meister in das Vorder-
treffen beordern kann. So sehen wir mancherlei be-
deutsame und interessante Werke älteren Datums als
eine wahrhafte Herzstärkung. Natürlich ein groß-
mächtiges Bismarck-Bildniß von Lenbach, manches aus
der guten alten Zeit der Düsseldorfer Schule, auch ein
monumentales Freilichtbild von Zügel, die sonnige Kuh-
weide. Aus noch höheren Regionen stammt die Land-
schaft mit der Steinbrücke von Corot und das berühmte
Marmorbildwerk s)an und jchyche von Begas, welches
als ein Kunstwerk ersten Ranges wohl für alle Zeiten
sich behaupten dürfte. Auch Leistikow ist in die Zahl
der Ständigen ausgenommen, und in der That braucht
eine neuere Landschaft vom Griebnitz-See keinen Ver-
gleich zu scheuen. Alles neu Lingelaufene aber steht
unter dem Spreepegel und verlohnt den Import in
keiner Weise. Da sehen wir den Frankfurt-Tron-
berger Künstlerbund aufmarschirt, eine kleine Schaar
von Landschaftsmalern, welche der Lokalpatriotismus
des Rheingaves auf den Schild gehoben hat, und von
welchen in Frankfurt, Wiesbaden und Homburg viel
Aufhebens gemacht wird. Line ausgesprochene Ligen-
art aber hat keiner dieser Künstler, alle zusammen haben
ebenso wenig eine sogenannte Heimath-Touleur; die
Leute am Taunus malen nicht wesentlich anders als
die Königsberger oder Breslauer minderen Schlages,
etwa mit alleiniger Ausnahme von Rudolf Gudden,
der aus Spanien einige interessante Studien mitgebracht
hat. Auch der Karlsruher Friedrich Fehr vermag mit
seiner Kollektion kein tieferes Interesse zu erregen. Da
sehen wir eine Reihe von Landschaftsstudien mit stetig
wiederkehrender Damen-Staffage, Dame am Distelbusch,
Dame am Kornfeld, Dame auf Brücke, Dame auf dem
Düngerhof, Dame am Atelier u. s. w. Was für einen
moralischen oder künstlerischen Zweck solche Dutzend-
Studien haben, mag der Maler mit sich im stillen
Kämmerlein abmachen. Daß diese Sachen aber gerade
in Berlin an der Lhrenwand eines Llite-Saals zur
Schau gestellt werden mußten, sehe ich nicht ein, oder
ich sehe, daß sie so jäh ans hellste Licht gerückt wurden,
weil nichts Besseres da war. Warum also nichts-
sagende Studien, wenn ein Künstler wie Fehr so und
so oft gezeigt hat, daß er vortreffliche Bilder von
schöner Vollendung und Reife zu malen befähigt ist.
Das erweist fick) jetzt wieder an dem launig-poetischen
Bilde der alten Biedermeier-Dame, die mit ihren drei
schneeweißen Schooßhündchen vom Spaziergang heim-
kehrt und in ihr idyllisches Häuschen einbugsirt. Bei
diesem Gemälde waltet nur der eine Uebelstand ob,

daß es schon auf der letzten Berliner Ausstellung an
sehr exponirter Stelle zu schauen war. Ueberhaupt
wird jetzt mit dem Auskramen der Studien ein wahrer
Unfug getrieben. Ls giebt Künstler wie Menzel und
Lenbach, die in Skizzen und Studien nahezu ebenso
vollwerthig und interessant anmuthen wie in ihren
Bildern. Daraus folgt aber noch lange nicht, daß uns
Hinz und Kunz auch ihre Studien zeigen müssen. Die
blöde Anbetung der Studie, die von der Berliner Se-
zession aufgebracht ist, sollte doch endlich als ein längst
überwundener Standpunkt erkannt sein, wer keine
Bilder malen kann oder mag, der möge getrost Atelier-
Ausstellungen veranstalten, im Uebrigen aber die Geffent-
lichkeit ungeschoren lassen. Endlich sehen wir bei
Schulte auch Ludwig Dettmann wieder eingekehrt.
Einstmals hat man auf diesen begabten und routinirten
Künstler große Hoffnungen gesetzt, und als Aquarellist
war er auch nahe daran, sie zu erfüllen. Hier aber
liegt nun der umgekehrte Fall vor, daß Liner durch
vieles und schnelles Bildermalen sich ruiniren kann.
Durch seine schnellfertige Virtuosität und durch die be-
sondere Gabe, mit der rechten und mit der linken Hand
zugleich verschiedene Bilder herunterstreichen zu können,
ließ sich Dettmann zu einem auf die Dauer verhängniß-
vollen Massenbetrieb verleiten. Seitdem er Akademie-
direktor in Königsberg ist, nimmt er sich sogar nicht
mehr die Mühe, nach neuen Motiven zu fahnden, und
so hildet sich die forsche Schenkermanier nachgerade zum
Lleurs snnuysux, wenn man beobachtet, wie das länd-
liche Liebespaar seit Jahr und Tag durch eine Mond-
nacht in die andere, durch ein Kornfeld ins andere und
mal rechts und mal links um die Dorfkirche herum ge-
trieben wird, und wie die eine Frauensperson mal rothe,
mal gelbe und mal braune Haare mit auf den weg
bekommt.
Flugs muß ich nun meine Harfe auf einen sanfteren
Ton stimmen, da es gilt, die Iahresausstellung des
Vereins der Berliner Künstlerinnen und Kunst-
freundinnen, die im provisorischen Heim der Kgl.
Akademie der Künste in der Potsdamer Straße ver-
anstaltet ist, mit einigen wohlgemeinten Liebenswürdig-
keiten aufzuwarten. Ob und was für einen kritischen
Standpunkt man der weiblichen Kunst gegenüber einzu-
nehmen hat, ist zur Zeit noch eine umstrittene Frage.
Auch in den Verein der Künstlerinnen waren einmal
outrirt moderne Tendenzen wie der Wolf in die Schaf-
herde eingebrochen und da sah man in früheren Jahren
allerlei Bilder mit mänadenhaften Allüren. Diese
Härten und Wildheiten sind aber mittlerweile abge-
glättet, das normale weibliche Taktgefühl opponirte
wider alle Genialitätsanwandlungen und die rüstigen
Vorstandsdamen haben augenscheinlich die Friedens-
störerinnen an die frische Luft gesetzt, und sie thaten
wohl daran. Die weibliche Kunst mag sich in ihren
holden Schranken bescheiden, sie hat sich nicht an die
Spitze der Tivilisation zu drängen oder Rekruten zur
Legion der Revolutionäre zu stellen, denn die Kraft-
überspannung im Weibe würde doch nur zur Karrikatur
führen. In dieser Definition soll keine Härte oder
Spitze gesucht werden, man setzt die weibliche Kunst
nicht herab, selbst wenn man sie einigermaßen engherzig
umgrenzt. Die Malerin soll nicht im Tragischen oder
Heroischen gipfeln, sie soll den schad der glattwangigen
Anmuth wandeln, wenn sie die männliche Kunst er-
gänzen soll und will. So etwas finde ich im Ganzen
in der gegenwärtigen Iahresausstellung angestrebt und
auch erzielt. Da verblüffen weniger einzelne Werke,
von eigentlichen Malerthaten kann kaum die Rede sein,
aber das ganze Niveau, ein handgreiflich freudiges Lin-
 
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