Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst-Halle — 9.1904

DOI Heft:
Nummer 15
DOI Artikel:
III. Frühjahrs-Ausstellung
DOI Artikel:
Galland, Georg: Neue Kunstdebatte
Zitierlink: 
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kunst_halle1904/0271

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Aunst - Halle.

Nr. f5

2Zs

florenr.
III. früI>jsIirL-M55teIIung.

wenigen Tagen wurde den Florentinern/
eigentlich mehr den unzähligen Fremden, die
dritte Frühjahrs-Ausstellung bescheert: die Aus-
stellung der ausländischen, hier lebenden Künstler, die
meist Engländer und Amerikaner sind, von den Deut-
schen brachte der Bildhauer G. Römer das künstlerisch
werthvollste. Seine Medaillen sind äußerst vornehme
und feinfühlige Kunstwerke, die, ganz modern, bei aller
Eigenart, doch das tiefe Studium der großen (Quattro-
centisten durchschimmern lassen. Der „Frühling", „Ernte-
zeit" und „Stille Nacht, heilige Nacht" gehören neben
„Georg II., Herzog von Sachsen-M. ss-OO" zu den besten
seiner Arbeiten. Sehr bedeutend ist auch die Büste
Otto Gildemeister's, während neben diesen schönen
Stücken seine bemalte „Diana" geradezu kindlich wirkt.
Graf Harra ch stellt im gleichen Saale eine Frauen-
büste in Terrakotta aus, ein sein abgeschlossenes Kunst-
werk, das neben Stilgefühl großes Naturstudium zeigt.
Seine modernen kunstgewerblichen Arbeiten, eine silherne
Schale und eine Standuhr in hohem rothen Holzgehäuse
sind gut und von gewähltem Geschmack, bringen aber
kaum etwas Neues in Form und Erfindung. Von
deutschen Malern ist in dieser Ausstellung nur wenig,
von prudnik bringt zwei Frauenporträts in süßlicher
Pastelltechnik, die die Bestellerinnen wohl mehr entzückt
haben mögen, wie den Beschauer. Seine kleinen im
starken Röthelton gedruckten „Monotypes" zeigen ihn
dagegen von einer künstlerischen Seite. Trotz technischer
Unbeholfenheit ist das Männerporträt von Hetta Kauf-
mann von ausgezeichneter Wirkung und hervorragend
in der Charakteristik, es ist nicht der Kopf im Allgemeinen,
sondern eine Persönlichkeit ist knapp und straff zum Aus-
druck gebracht worden. Line zweite kleinere Studie
zeigt Empfindung und guten Farbensinn, von Sascha
Schneider sehen wir eine in's Violett-rothe getauchte
Felsenlandschaft, „Eingang zur Hölle" betitelt. Schnell
und flüchtig hingestrichen, doch von breiter und mächtiger
Wirkung, von Ausländern bringt Beer eine dekorative
Büste von Courtois und eine sehr lebendige Büste der
Mme. rL. A. M. Acton eine gute Aktstudie. Vom
jüngst verstorbenen Whistler sind 22 schöne Radirungen
und zwei kleine Pastellskizzen, und von Fritz Thaulow
ein brillantes Kanalbild ausgestellt. Ein schöner kleiner
Rodin und ein feiner Meunier. Mit der bekannten
Nadirung Helleu's: der geistvolle Kopf Whistlers mit
Monocle, schließe ich die kurze Besprechung.
R—e.



Peue XimLtSebstten.
ewisfe Abgeordnete des Reichstages und des Land-
iages können das Kritischen von Dingen, von
denen sie schlechterdings nur wenig verstehen,
nicht lassen. Doch wenn inan ihnen schließlich auch das
Recht billigerweise einräumt, über Kunstsachen, die mit
ihren Geldbewilligungen direkt im Zusammenhangs
stehen, sich angemessen zu äußern, so muß man doch
dagegen ^entschieden protestiren, daß die Herren jene
erhöhte Stelle, an welche das vertrauen der deutschen

Wähler sie berief, dazu benutzen, um einzelne Künstler
zu verunglimpfen, andere in den Himmel zu heben.
Mit einem Urtheil der letzteren Art überraschte die
Geffentlichkeit der Ey-Dichter Albert Träger in der
Sitzung des Abgeordnetenhauses vom sF. April, als er
von Herrn Leistikow, dein talentirten Schilderer unserer
Grunewaldschönheiten, überschwänglich behauptete, daß
„gerade dieser Meister der deutschen Kunst zu einem
Triumph über die französische Kunst verhalfen hat."
Als Tafelredner soll Herr Träger gewohnheitsmäßig
Panegyriker sein. So scheint es denn, daß er einmal
das Hohe Haus mit der Speisetafel verwechselte. Jeden-
falls sind solche ins Blaue gerichtete Urtheile nicht
gerade sehr geeignet, zu beweisen, daß allein auf Seiten
der Regierung in Kunstsachen parteiisch verfahren
werde.
Mag man auch diese oder jene Maßnahme der
Negierungsfaktoren vom rein künstlerischen Standpunkte
nicht völlig billigen, so muß man doch manches Der-
artige erklärlich und gerecht finden, wenn man in be-
stimmten Maßnahmen lediglich ein nothgedrungenes
Gegengewicht gegen die übertriebene Selbsteinschätzung
der anderen Seite erblickt. So lange sich die Sezessionen
ihres Sonderthums brüsten und nichts scheuen, was
zwar zu ihrem Heile, aber zum Schaden aller klebrigen
geschehen kann, wird wenigstens die preußische Negierung
wohl nicht anders handeln dürfen, als sie bis jetzt, den
Umständen entsprechend, zu handeln sich gedrängt fühlte.
Der sog. Erfolg vor der Geffentlichkeit, dessen sich die
Sezessionen unermüdlich rühmen, wird hoffentlich nichts
in den bei uns bestehenden Verhältnissen ändern. Denn
jener Erfolg ist das durchsichtige Lrgebniß einer schlauen
Komödie, die kürzlich allen braven, sentimentalen Leuten
von dem traurigen Schicksal einer bedrängten Minder-
heit von freien Künstlern vorgesxielt wurde.
Das ist denn auch der Standpunkt, den selbst der
jetzige versöhnliche Vorstand des Vereins Berliner
Künstler in einer kleinen lesenswerthen Broschüre, be-
titelt „Kunstgenossenschaft und Sezession. Lin Wort
zur Aufklärung und Verständigung", einnimmt. Die
Schrift, die sich über die Verhältnisse bei den Vor-
bereitungen zur Ausstellung in St. Louis äußert und
die höchst maßvolle Art der Kunstgenossenschaft im
Gegensatz zur Unduldsamkeit und Ueberhebung der
Sezessionen beleuchtet, sagt nur durchaus Bekanntes,
was auch wir schon in verschiedenen Artikeln betont
haben, wie von anderer Seite verlautet, beabsichtigt
nun die allgemeine deutsche Kunstgenossenschaft eine
Reform ihrer Einrichtungen auf Grund von Be-
sprechungen, die am 28. April auf einem in Dresden
angesetzten Delegirtentag der Lokalvereine statthaben
sollten. Durch gewisse Aenderungen in den Satzungen
will man künftig Uebelstände vermeiden, die unlängst
zu jener Spaltung der deutschen Künstlerschaft Ver-
anlassung gaben, zum Schaden leider einer wichtigen
nationalen künstlerischen Angelegenheit.
Gb inan sich da nicht wiederum einer bloßen
Illusion hingiebt? wie die Kunstgenossenschaft bisher
behauptete, sei sie doch schon damals in ihrem Ent-
gegenkommen bis zur Grenze des Möglichen gegangen.
Wir unsererseits fürchten, daß die heimlichen, d. h. die
wahren Gründe, die jene Herren und Gründer des
Weimarer Künstlerbundes zur Scheidung von den
Anderen damals trieben, nicht durch einfache Statuten-
änderungen zu beseitigen fein werden — es müßte denn
damit ein besonders hoher Grad von Selbstverstümmelung
der allgemeinen deutschen Kunstgenossenschaft bezweckt
werden.
G. G.
 
Annotationen