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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 2
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Bodmer, M.: Frankfurt a. M. Kunstbrief
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Kiesling, Ernst: Leipziger Kunstbericht
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22

Die Kunst-Halle.

Nr. 2

Tongebung, was der ganzen Kollektion ein etwas unharmonisches
Gesammtbild giebt. Fritz Beyerbach verfolgt ebenfalls
moderne Ziele, steht aber mit seiner Kollektion noch weit
hinter dem zurück, was er in seiner nnt aufgelegten Broschüre:
„Gedanken über Kunst" als seine Ziele bezeichnet. Jenseits
von Akademie und offizieller Kunstbcstrebungen lassen sich nur
für den mit stärkstem Können begabten Künstler gangbare
Pfade finden, das haben .uns zur Genüge die Darmstädter
Kolonisten bewiesen, unter deren Zeichen anscheinend auch
Beyerbach für seine Kunst Anhänger und Freunde wirbt. Eine
Serie Aquarelle von malerischen Architekturen aus Altsrankfurt
und dem originellen Altsachsenhausen hat Peter Oöltze-Frank-
furt ausgestellt. Wilhelm AltheinKs „Bicdlandschast"
mit einer vom Feld heimkehrenden Bauernsamilie trifft den
flachen Landschastscharakter gut und fesselt durch die mit intimer
Sorgfalt behandelte Technik, die in erster Linie die zeichnerischen
Vorzüge hervorhebt. Linen wirklichen Genuß gewährt die
reichhaltige Sammelausstellung Bernhardt Mann seid's
Die Bedeutung dieses Frankfurter Maler-Radirers ist heute
so allgemein anerkannt, daß sich Neues über seine (Dualitäten
kaum mehr anführen läßt. Lin Bauch von Nomantik, der
ost die nüchternsten Architekturen in ein poetisches Gewand
kleidet, prägt im Verein mit der malerischen vertheilung von
Licht und Schatten den Blättern eine persönliche Note aus.
In architektonischen Veduten, die in einen: gewissen Kontakt
mit landschaftlicher und topographischer Stimmung stehen,
entwickelt Nannfeld seine volle Meisterschaft, doch ist auch die
figürliche Staffage auf diesem und jenen: Blatte gut. Dekorativ
besonders prächtig wirken natürlich die durchgesührten großen
Radirungen, die „echten Nannfeld's". Seine Neigung zur
malerischen Auffassung bekundet Mannfeld auch in einigen
Pastellgcmälden.
In G o l d sch in: d t's Sa l o n dominirt Altmeister Anton
Burger mit einer schönen Kollektion, wem: der greise
Altmeister nicht an der Lebenswende stehen würde, welch'
dankbare Aufgabe müßte es sein, diesen Künstler in Paris,
wo man seit jeher das wirkliche Können mit baarein Gold ein-
geschätzt, einzusühren. Diese delikaten Winter- und Herbst-
landschastcn mit ihrer freien Technik, diese prächtigen Typen
mit ihrer scharfen Charakteristik, die ganze meisterliche Milieu-
kunst Burger's, die ihm schon in den sechziger Jahren in
München die goldene Medaille einbrachte, kommt gerade in
den kleinen Täfelchen an: entzückendsten zur Geltung. Schade
nur, daß die geschwächte Gesundheit den: greisen Meister all-
mählich dei: pinsel aus der nimmermüden Hand windet.
— Das Stä del'sehe Museum ehrte Ludwig Adrian
Richter's Andenken durch zwei Ausstellungei:, wovon die
erste Arbeitei: aus den Schätzen des pandzeichnungs- und
Kupserstichkabinets vorführte, während die zweite eine Fülle
Werke aus hiesigemp r iv atb esi tz an die Meffentlichkeit brachte,
wer dei: Meister von Loschwitz ganz verstehen will, muß seine
Originale kennen lerne!:. Bier enthüllt sich die Handschrift,
das warme Leben, der Pulsschlag, die Seele des Meisters.
Pier lernen wir auch seine kleinen Schwächen, seine intimen
Zeichensehler, seine kleinen Manierismen kennen, die vielleicht
nur die Binsenwahrheit darthun, daß Richter kein donner-
gewaltiges Genie, aber ein goldechtes, unerschöpflich quellendes
Talent war — kein Neulandsieger und kein Pfadfinder, aber
ein Erhalter und Mehrer von Schätzei:, an denen die Welt
und die Lrdenkinder nie eii: Zuviel erhalten können.
M. Bodmer.


Leidiger Runrtbericlil.

M

it drei Sonderausstellungen großer Meister hat
der hiesige Kunstverein sein neues Vereins-
jahr begonnen und zeigt uns mit den Arbeiten

von Giovanni Segantini ff, Adolph von Menzel
und Ludwig Richter nicht allein drei scharf umrissene
Künstlerpersönlichkeiten, sondern schafft mit dieser Ver-
anstaltung zugleich ein ganz hervorragendes künstlerisches
Ereigniß. Im Vordergründe des Interesses steht hier-
bei die aus sechzig, zum Theil sehr umfangreichen Ge-
mälden und Zeichnungen bestehende Segantini-Aus-
stellung, welche die ganze Schaffenszeit des Engadiner
Meisters umfassend, uns ein vollkommenes Bild seines

Entwicklungsganges sehen läßt. Sie widerlegt zugleich
die Annahme derer, die bisher der Meinung waren,
Segantini habe die für ihn besonders bezeichnende
Schaffensweise, die Zerlegung des Tons in reine, un-

gebrochene Farbcnslecken, sofort im Beginn seiner Künstler-
laufbahn gesunden. Seine hier vereinigten Werke
lassen vielmehr drei ganz bestimmte Wandlungen deut-
lich erkennen und bestätigen sonnt, daß er erst nach
jahrelangen Mühen und Versuchen zu der ihm eigen-
thümlichen Malweise gelangte. In seinen frühen
Schöpfungen herrscht noch ein tiefer Asphaltton vor,

dann hellt sich nach und nach seine Palette aus, bis er
schließlich nnt dem pastosen Nebeneinanderstellen un-
gebrochener Farben zu der vollen Kraft seiner Ausdrucks-
weise gelangt, die uns die Erscheinungswelt in so un-
gemein intensiver leuchtender Wiedergabe und über-
zeugender Wahrheit vor Augen führt. Trotzdem wird
Niemand diesen Maler, der aus einer hingebenden
leidenschaftlichen Liebe zur Natur schafft, als Realisten
betrachten. Denn wenn irgendwo der Ausspruch, daß
das Schöne in der Kunst in der idealisirten Wahrheit
beruhe, zutreffende Anwendung fiudet, so hier. Bei
aller Liebe zum Kleinen und Unscheinbaren, die selbst
das wachsthum des Halmes, die Form des Steinchens
am Wege verfolgt, wird man in seinen Schöpfungen
überall die ordnende Hand des echten Künstlers, das
Unterordnen des Nebensächlichen und das Betonen
des Bedeutsamen, mithin das schöpferische Gestalten des
wahrhaft Großen verfolgen können. Nirgends ist in
seinen Darstellungen auch nur ein Anflug jener Bruta-
lität zu finden, die sich so ost in den Malereien platter
Realisten breit macht. Keiner vor ihm hat den Glanz
und die Lichtfülle der hohen Regionen der Alpenwelt
so wie er wiederzugeben gewußt, wie er denn auch zu
den wenigen gehört, welche uns die innigen Beziehungen
zwischen Mensch und Thier und Natur so eindringlich
bildlich zu verkörpern wußten. Es genüge speziell auf
sein umfangreiches Triptychon „Natur, Leben, Tod"
hinzuweisen, das ganz zu vollenden ihm nicht mehr
beschieden war.

Von der überwältigenden und noch ungebrochenen
Schaffenskraft des größten lebenden deutschen Meisters
Adolph von Me nz el geben s20 Originale^ bestehend
aus Gelgemälden, Aquarellen, Gouachen, Zeichnungen,
Lithographien und Radirungen ein wundervolles Bild,
dessen Uebersichtlichkeit und Abgeschlossenheit wir der
Thätigkeit des Herrn Gutbier, Besitzers der Arnold-
scheu Kunsthandlung in Dresden, zu danken haben.
Diese Ausstellung des genialen Künstlers läßt uns seine
ganze bisherige Schaffenszeit, von s8I8 an bis auf die
Gegenwart überblicken. Als bedeutendstes Werk der
hier ausgestellten Arbeiten des deutschen Altmeisters ist
die „Brunnenpromenade in Kissingen" anzusehen. Die
 
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