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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 4
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Esswein, Hermann: Der Künstler und das moderne Milieu
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Rapsilber, M.: Thiergarten-Plastik
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Die Aunst-Halle.

Nr. §

6 s

keineswegs gewachsen. Er ist völlig von ihm kaptivirt,
sieht nicht um Nasenlänge darüber hinweg! — So
schuf er, was die Kunstreporter vielleicht eine „liebens-
würdige Karrikatur" nennen würden: Linen in viehischem
Behagen grinsenden und blinzelnden Dickwanst. Bauch,
Kopf und Hinterer von fast gleicher Dicke auf dürren,
jämmerlichen Beinen. Dieses durchaus nicht mit Ab-
sicht verzerrte Zerrbild läßt den Kulturmenschen sofort
an alles Thierische, Atavistische, Unbehülfliche und auf
der anderen Seite schleimig pfiffige der rückständigen
Landbevölkerung denken. Die Karte charakterisirt un-
bewußt trefflich — ihren Schöpfer. Er ist so völlig eins
mit seinen Bauern, daß er nicht mehr Individuelles
zu ihrer rein naturalistischen Abbildung hinzuzufügen
vermag als eine humoristische Empfehlung an die
Sympathie von Gesinnungsgenossen, von Spießern
gleich tiefer, halbthierischer Entwicklungsstufe.
Diese Ansichtskarte hat sicher den bierfrohen Bei-
fall der Kreise, die sich über moderne, iudividuell-
charakterifirende Bauerndarstellungen, etwa über solche
von Bruno Paul, entrüsten würden, wenn sie mit
ihren undifferenzirten Augen aus ihren Formen und
Farben klug würden!
W

Mergarten-Mlik.
Von M. Raxsilber.

(Schluß.)
(AV^7>nter ungleich günstigeren Umständen ist das Haydn-
Mozart-Beethoven-Denkmal im Thiergarten ins
Werkgesetzt worden. Hier brannte dem Künstler
nicht das Feuer auf die Nägel, denn seit dem entscheidenden
Wettbewerb sind nun schon elf Jahre vergangen. Ur-
sprünglich gedachte man die Denkmalsgruppe an der
exponirten Ecke der Königgrätzer- und Lenne-Straße zu
errichten und zu dem Zweck fand im Herbst 18s)2 ein
Wettbewerb statt zwischen den Bildhauern Siemering,
Schaper, Hundrieser und Adolf Hildebrand. Die Ent-
würfe waren sehr bedeutsam. Hildebrand entwarf
einen offenen antiken Rundbau mit Flachkuppel nach
Art der Freundschaftstemxel, wie sie vor hundert
Jahren im Schwange waren. Am Eingang die
Statuen der religiösen und weltlichen Musik, im Innern,
das durchaus farbig gehalten werden sollte, die
Marmorhermen der drei Tondichter, dazu je ein Relief,
das in wenigen Figuren die Eigenart des Meisters
kennzeichnete. Es läßt sich denken, daß dieser Entwurf
etwas Bestechendes hatte. Aber an eine Ausführung
war nicht zu denken, weil damals noch der Grundsatz
aufrecht erhalten wurde, daß jeder Strauch im Thier-
garten sakrosankt sei und weil man an jener Ecke die

mit Oelfarbe angestrichene Diana nicht entfernen
wollte, da der alte Kaiser Wilhelm ein gewisses
Wohlgefallen an dem alten Bildwerk bekundet hatte.
Siemering's Entwurf zeigte eine halbrund eingewölbte
Orchesterhalle mit den Kolossalbüsten der Musiker auf
hohen Postamenten, musizirenden Genien, einem kranz-
sxendenden Krieger, einer weibliche?: Figur mit einer
Guirlande, mit jubilirendem Lngelchor in der Wölbung,
mit üppigen Festons und oben auf den: Scheitelpunkt
saß der Schwan auf der Leier, der sich allein in das
ausgeführte Denkmal hinübergerettet hat. Das Ganze
war im Tharakter der Frührenaissance gehalten. Gewiß
sehr schön, indeß die Halle war doch etwas überfüllt
und übergroß erschienen die Köpfe in dem gegebenen
Raum. Aber Siemering hatte damals schon den Muth,
sich zu einer vorwiegend dekorativen Lösung der Auf-
gabe zu bekennen, weil er die kommende Entwicklung
unserer Kunst voraussah. Als das Denkmal darauf an
den Goldfischteich verwiese?: wurde, wo es so versteckt
sein wird wie Heinrich von Kleist's Grab in de?:
Wäldern am Wannsee, mußte Siemering natürlich auf
eine andere Lösung sinnen, und nun ging er eine?:
Schritt weiter in der dekorative?: Ausprägung. Er
schuf eine Art Denksäule oder man kann sagen, eine
dreiseitige Stele mit flache?: Nische?:, in denen auf
Prachtkonsole?: die Halbfiguren der Tondichter stehe?:,
darunter je ei?: Relief von entzückend feiner Arbeit.
Haydn's Art wird durch ei?: tanzendes Mädchen,
Mozart's durch eine?: weiblichen Genius und Beethoven's
durch eine?: kämpfenden Jüngling gekennzeichnet und
jedesmal über dem Rundbogen der Nische sitzt ei?:
Schwa?: auf der Leier. Soweit ist bis jetzt das Denk-
mal fertig gestellt, es fehlt nur noch der Stufenunterbau
und die Bekrönung, was die Bekrönung anlangt, so
wird der Marmor in einer Gestaltengruppe aus
glänzender Goldbronze ausklingen. Hoch oben zu
Häupten der Meister werden wir die lobpreisenden Huld-
göttinnen erblicken, die gemeinsam de?: banddurch-
flochtenei: Ruhmeskranz der deutscher: Musik empor-
heben. Der weitausgreifende, granitne Stufenunterbau
ist rund gestaltet und hier tritt das Besondere in die
Erscheinung, daß ein immerwährender Blumenflor zur
schmückenden Belebung des Denkmals in Aussicht ge-
nommen ist. Zu Füße?: der drei Eckpfeiler sind Granit-
bassins und unterhalb der Statuenkonsole?: Marmor-
becken zur Aufnahme von Blumen berufen. Wir habe??
da einen Dreiklang in der Blumenpracht, in der
Mamorschöne und im Goldglanz der Bronze, der auf-
klinge?: wird zum Grün der hohen cichiergartenwipfel
und sich widerspiegelt im Goldfischteich. Das
Werk ist also nicht streng monumental, sonder?:
wie man es von der echte?: und idealen ^-Hier-
gartenplastik verlange?: sollte, ausgesprochen deko-
rativ. Die Gestalte?: sind bei Porträtähnlichkeit jugend-
lich idealisirt, was bei Haydn und Mozart wundervoll
anmuthet, bei Beethoven schlug der Künstler einen
Mittelweg ein, um wenigstens die stark modellirte
 
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