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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 17
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Marasse, M.: Masaccio und S. Clement in Rom
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Heilmeyer, Alexander: Hans Sandreuter
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Nr. (7

Die Kunst-Halle.

259

klärlich. Ls ist innerlich logisch, daß der junge Maler
in seiner leidenschaftlichen Hingabe an die Kunst zu-
nächst dem Lehrer nachstrebte, dieser aber, der Ueber-
lebende, von der starken, überzeugenden Kraft des
Genius, dem er die ersten Schritte beigebracht, gepackt,
sich derselben künstlerischen Sprache bediente wie sein
Jünger, sich am Ende seiner Tage zu derselben
lebendigen Auffassung der Motive umwandelte.
Die Belege für die Behauptung, Masolino, nicht
Masaccio sei der Schöpfer der Fresken in der Lappella
delle passione — die Rückwand nimmt eine grandiose
Darstellung der Kreuzigung, deren landschaftlicher
Hintergrund in seiner perspektivischen Wirkung an Piero
della Francesca erinnert, machtvoll ein — fußen zum
Theil auch auf chronologischen Gründen. Die Wahl
der legendären Stoffe weist auf Mailänder Lokalkolorit,
norditalienische Einflüsse, sie sind also wahrscheinlich
unter dem Erzbischof von Mailand Heinrich v. Allosio,
der Kardinal von S. Elemente war, als Masaccio längst
die Erde deckte, entstanden.
Auch für jene, die ohne kritische Gelüste mit der
ganzen Naivität und Herzenseinfalt des Schönheits-
suchers römischen Boden betreten, ist kaum eine Kirche
des Mittelalters von so eindringlicher, warmer Wirkung
in der Gesammterscheinung wie die äußerlich unansehn-
liche Basilika von S. Elemente.
(Fortsetzung folgt.)
W

jtZil! ÄnSreuter.
Don A. heilmeyer, München.
(Mit Illustration.)
(9°I^(enn man im Garten von Hans Sandreuter's
Haus zur Mohrhalde in Riehen bei Basel
sitzt, erblickt man die nahen bewaldeten Höhen-
züge des Jura, von wo aus sich dem Blicke die Aus-
sicht in ein reizendes Thal eröffnet, der Rhein schlängelt
sich zwischen Hügeln und hängen hindurch der Ebene
zu. Bei seinem Austritt aus dein Bodensee, bis gegen
Schaffhausen berührt der junge Strom manche reiz-
vollen Flecken, alte Burgen und Klöster. Die Ufer
sind flach mit weiden bestanden und oft mit dichtem
Schilf umgeben. Des Abends, wenn die Sonne im
Schilf niedergeht, leuchten Schilf und Wasser in bräun-
lich-violetten und orangefarbenen Tönen, die wie
Sammet und Seide glänzen, schillern und schimmern.
Eilt andermal sind es Felsen, geflecktes und gesprenkel-
tes Gestein mit weichem Moos umkleidet, die ebenfalls
diesen matten Glanz, das warme Aufleuchten der Farbe
zeigen, oder blühende Bäume, und sattgrüne wiesen.
Besonders das Grün wirkt wie Sammet auf unser
Auge, so daß es immer wieder mit Lust darüber hin-
gleitet. Eine idyllische Ruhe, der Frieden eines sinnigen
m dem Anblick der Natur versunkenenen Gemüthes
llegt über den Landschaftsbildern von Saudreuter.
Diese Empfindung erweckt eben die Landschaft seiner
engeren heimath um den Bodensee, am Rhein, in den

Thälern der Birse und der Birsig bei Basel. In
seinen Landschaften aus den gebirgigen Gegenden
seines Vaterlandes, aus den hochthälern von Wallis
und Gruyere, den einsamen Schluchten und Felswüsten
des Kanton Tessin herrscht überall dieselbe wundervolle
Klarheit und Treue in der Wiedergabe dieser Natur.
Man fühlt die Naturnähe, das Bestreben mittelst
malerischer Ausdrucksmittel etwas von der lebendigen
Schönheit um uns herum dauernd festzuhalten. Und
wie sind die Luft und das Licht, die Wirkungen
atmosphärischer Erscheinungen auf die Gegenstände,
gegeben. Marr denkt weder an pleinair noch au
Impressionismus, noch an irgend welche Probleme, mit
denen sich die anderen mühen und plagen, es leuchtet
die Sonne, die Luft ist von Feuchtigkeit erfüllt wie an
regnerischen Tagen, in den Bergen scheint sie so schön
blau und dabei doch durchsichtig klar. Die Maler
standen vor diesen Bildern, welche die Nachlaß-Aus-
stellung im vergangenen Sommer im Münchener Glas-
palast vereirrigte wie vor bunten Räthseln.
was man hier sah, war das Produkt ununter-
brochenen Strebens und Ringens eines Künstlers, der
sich ein hohes Ziel gesteckt hatte, es war die (Quint-
essenz der Lebensarbeit Hans Sandreuter's. Bisher
hatte man ihn immer in einem Athem mit Böcklin ge-
nannt und als Schüler und Nachahmer seines Meisters
betrachtet. Vor diesen Bildern aber konnte man deut-
licher als je zuvor erkennen, was Sandreuter mit
Böcklin verband, was er von ihm gelernt hatte und
was aus seinem Eigenen hervausgewachsen war. Der
Kern war vom besten Holze und darum auch so
bildungs- und entwicklungsfähig. Zu einer Zeit, wo
noch der Meister wie der Schüler gegen den Wider-
stand der dumpfen Welt zu kämpfen hatten und be-
sonders Sandreuter viele gegen sich hatte, schon weil
er zu Böcklin hielt und in dessen Fußtapfen trat, wurde
Böcklin eines Tages gefragt, was er von Sandreuter's
Talent halte. Der Meister entgegnete im Basler
Dialekt, der Sandreuter ist noch jung und kann schon
sehr viel, zeichnen thut er sogar besser als ich, er wird
a mal sicher ein guter Maler, was kein Wunder ist —
er hat a guten Lehrmeister ghabt. Böcklin wußte,
daß vieles in der Kunst zu lehren und zu lernen sei
und daß es viel auf eine richtige Unterweisung ankäme,
um das, was in einem steckt, schneller zur Entwicklung
zu bringen. Böcklin's optische Weisheit, seine technischen
Erfahrungen, seine ungemeine Klarheit und Bewußtheit
in allen Dingen der Kunst mußten ihn ganz besonders
dazu befähigen, begabte Jünger auf den rechten weg
zu weisen. Er ging ohne Umschweife direkt auf die
Sache los. Ehrist-Iselin, ein Freund Sandreuter's und
Landsmann Böcklin's, erzählte: wenn Böcklin nach
Basel kam und Sandreuter in seinem Atelier aufsuchte,
machte er sich ein besonderes Vergnügen daraus, im
Beisein eines Dritten ein von Sandreuter auf Lein-
wand gemaltes Bild gegen das Licht zu halten, um
zu zeigen, mit welcher Energie die Pinselstriche hin-
gesetzt wären. „Es zeuge dies von einer sicheren Hand,
wie von einer überlegenen Beherrschung der Farb-
gebung." Seine ersten Bilder, die unter den Augen
Böcklin's in Italien entstanden, zeigen ein tiefes dunkles,
fast schwärzliches Kolorit. Die Motive erinnern stark
an Böcklin. Ls kommen noch viele Reminiszenzen von
antiken Tempeln, flötenspielenden Hirten, bockfüßigen
mythologischen Gestalten, auf blühender Aue wandeln-
den Mädchen vor. Sandreuter lebte eben in Italien
und sah mit den Augen Böcklin's die italienische
Natur und ganz von selber geräth er in dasselbe Stoff-
gebiet hinein. Er strebt überhaupt nach einer innigen
 
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