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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 3
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Zur Reform der Jury der Berliner Kunstausstellungen
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Rapsilber, M.: Aus den Berliner Kunstsalons
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Nr. 3

Die A u n ft - h a l l e.

39

2ur Hejonn Ser I«rx
Ser Zeriiner XuurtsuzZtelluogen.^

ine dliizabl Berliner Künstler wandte sich um obige Reform
bekanntlich init einer Broschüre, in der ihre „Flucht in
die Veffentlichkeit" Rechtfertigung findet, vor einiger
Zeit an den Kaiser. Jetzt ist der ministerielle Bescheid er-
folgt, daß von jener hohen Stelle aus das Gesuch einer
Aenderung der bestehenden Satzungen der Großen Berliner
Kunstausstellung, auf Grund der Wünsche der Herren, die
übrigens nur zum Theil zu den Refüsirten der letzten Aus-
stellung gehören, abgelehnt sei. Die betreffende Gruppe ver-
sucht nunmehr von Neuen: in den Kreisen der Künstler für
ihre Reformideen Stimmung zu machen und es ist ihr einst-
weilen auch gelungen, daß eine außerordentliche V e rsamm l un g
des hiesigen Künstlervcreins zu dieser Frage Stellung nahm,
indem inan beschloß, für Reformen im Rahmen der herrschenden
Satzungen einzutreten, hoffentlich erreicht man auf diesem
Wege etwas; mehr wird freilich herauskommen, wenn die
refüsirten Herren nut der Reform ihrer eigenen Malkunst
beginnen und künftig befsere Bilder einliefern wollten.


Mr Sen Miner Alinrtrslonr.

einer feierlich arrangirten Ehrenwand im Salon
Schulte prangt gegenwärtig ein Hauptwerk
von Arnold Böcklin, das 1886 gemalte große
Piratenbild, und davor drängt sich mit ebenso feierlichen
Gebärden ein dichter Menschenschwarm, voller Be-
wunderung und Andacht und fast kniefälliger Anbetung.
Dasselbe Bild hat, als es neu war, schon einmal bei
Gurlitt gehangen und es standen auch viele Menschen
davor, aber damals hohnlachten sie über den knall-
rothen Kerl im Kahn, der mit seiner wolligen Frisur
so grotesk gegen den weißen Giscbt der Brandung ab-
sticht. Damals übersahen die Leute die gewaltige
Größe, die auf brennendem Felsenkothurn über dem
Meere thront, und heute begreifen wir sogar, daß der
rothe Pirat da sein muß als belebender Farbenfleck und
daß er ebenso nothwendig ist, wie das Auge im An-
gesicht. Von wem wir das auf einmal wissen? Nun,
von Böcklin selber. Märe der gute Meister nicht so
redselig gewesen und hätte er seine Freunde im Atelier
nicht sehen gelehrt, wir würden heute noch über den
rothen Fleck stolpern und unsere Bewunderung hätte
Löcher, wie ein Sieb.
Im Uebrigen enthält der Salon Schulte viele
schöne und interessante Malereien, die ohne Weiteres
verständlich sind. Auch eine Bronze von Johannes
Schilling, darstellend ein schlankes junges Mädchen aus
dem Geschlecht der idealistischen Rebermenschen, das
eben aus dem Bade auftaucht und den feisten Hummer,
der lüstern angebissen, lachend aus dem haar streicht.

h Unsere Leser erinnern sich gewiß, daß wir bereits vor
Jahresfrist ausführlich begründete Vorschläge zur Reform
der Künstlerjury gemacht haben. Die Redaktion der
„Kunst-Halle".

Im Gberlicht-Saal sehen wir gute alte Bekannte aus
Skandinavien, den Schweden Gottfrid Kallstenius und
den Norweger Gustav Wentzel, die von den Seen und
Fjorden, den Hellen Sommernächten und den herrlich
frischen Schneefeldern sich zu kerngesunden, starken und
herzhaft erfreuenden Malereien begeistern ließen. Beide
sind von der echten nordischen Nasse, deren Werke von
unverbrauchter und zukunftsreicher Volkskraft zeugen
und unser dickes Blut eher aufzustacheln berufen sind,
als die zimperliche Französelei. Auch einige Berliner
Maler kommen diesmal zu Worte. Otto Günther-
Naumburg mit einer Sammlung von Tiroler Aquarellen
von lieblicher Sauberkeit, von geschickter Mache, Bilder,
in denen sich Freude an sonniger Schönheit behaglich
auslebt. Der treffliche Aquarellist Max Fritz, der sich
neuerdings im Spreewald angesiedelt, hat sich auf
seinem Sondergebiet zu einem der feinsten deutschen
Koloristen entwickelt. Und das eigentlich auch erst in
vorgerückten Jahren. Früher hatte er so eine aschgraue,
flache und kühle Manier. Nun aber ist sein Farben-
empfinden wundervoll aufgeblüht, impressionistisch
funkelnde Accente setzt er auf, doch das nicht in dreister
Virtuosenbravour, sondern Alles ist spitz und fein und
zart aus einem innigen Naturgefühl vergeistigt und
koloristisch verklärt. Seine neuesten Motive fand der
Künstler im Spreewald, auf Rügen, in einem Ostsee-
hafen, auf hela und in Thüringen. Auch Alfred
Gesteritz scheint es auf eine Ueberraschung abgesehen
zu haben, sintemalen er sich eine wahrhaftige Schorn-
steinfeger-palette zugelegt hat. Man meint fast, daß
auch der Schnee bei ihm schwarz abfärbe, so erdig
schwere, dunkle und stumpfe Töne bevorzugt er jetzt.
Das Ganze ist ein keckes Experiment, bei welchem ge-
wisse französische und Münchener Vorbilder pathe ge-
standen, und dann zielt Gesteritz nicht nur in den
Pastellstudien, sondern auch in den Gellandschaften auf
das flächige und stilisirte Wesen, das sich in Litho-
graphie, Plakat und Farbenillustration in neuester Zeit
herausgebildet. Solche Manier hat ihre Bedenken,
auch wenn man eine so geistreiche Hand hat, wie
Gesteritz. Als ein völliges Gegentheil zu dem jungen
Berliner stellt sich der Dresdener Maler und Graphiker
Richard Müller dar, der heute m peinlichster Aus-
führung des Details seines Gleichen nicht hat. Das
verblüffende daran ist, daß diese unglaubliche Fein-
malerer doch nie ins Kleinliche verfällt, denn Müller-
hat als Zeichner eben den großen Zug und die souveräne
Kraft, wie Menzel. Bei Schulte sehen wir jetzt den
schon an anderen Orten viel bewunderten Mann mit
der Pelzmütze und der rothen Nase, an dem jede Pore
und jedes Barthaar als ein Einzelwesen zu studiren
ist. Müller's Kunst basirt im Grunde auf Daus Holbein.
Au weiblichen Studienköpfen, an dem Mädchen, das
mit dem Hummer kokettirt, und an dem Alpdrücken
mit der riesengroßen Faust auf des Schläfers Brust ist
des weiteren Müller's eminente Zeichenkunst in die
Erscheinung getreten.
wiederum hat es sich der Salon A. Werth ei in
angelegen sein lassen, jungen Talenten oder hierorts
weniger bekannten Malern die ^Bahn zu eröffnen.
Natürlich läßt sich nicht Tag um Tag ein neues Genie
entdecken, aber doch nachweisen, daß sich allerorten
tausend frische Kräfte regen, welche dank dem heut-
zutage üppig erblühten Malschulwesen auch schnell zu
eiuer gewissen Ansehnlichkeit gefördert werden. Da
treffen wir zuvörderst eine sächsische Gruppe. Hildegard
v. Mach, Llara v. Beringe und Paula v. Blanckenburg
versuchen sich in Bildnissen, Fr. B. v. Voß un Mond-
scheinzauber der Sommernacht, Richard Dreher wandelt
 
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