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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 3
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Rapsilber, M.: Aus den Berliner Kunstsalons
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Die Kunst-Halle.

Nr. I

in den Spuren Thoma's und der Altniederländer und
der als Keramiker bekannte S. R. Hentschel aus Meißen
gestaltete ein sehr schönes Motiv: die gewaltige Eiche
aus Bergeshöhe dunkeltrotzig gegen die gethürmte
weiße Wolkenwand. Der Düsseldorfer Seinr. Otto er-
zählt in feinschlichter Art von herbstgoldigen Lifel-
fahrten. Die Münchnerin Margarethe v. Kurowski
ergiebt sich dem Problem der tonigen Dunkelmalerei.
Auch jüngere Berliner stellen sich ein: Karl Wendel,
der auf der letzten großen Ausstellung mit seiner
„Sommerlust" sich stark in's Zeug warf, dokumentirt
in westxreußischen Studien des weiteren ein sehr be-
achtenswertes Talent, Ad. Müller-Cassel desgleichen
in Mentone und Seinr. Graßmann bemühte sich in den
verfließenden, vernebelten Formen der Dämmerung.
Sat der Beschauer einigermaßen guten willen, so wird
er gewiß aus all diesen Malereien etwas Anheimelndes
herauslesen. Aber geradewegs zwingen kann man ihn
nicht dazu. Dagegen stehen drei andere Maler auf
einem höheren Niveau. Erstlich der zur Sezessions-
gruppe gehörige Münchner Serm. Groeber, der unter
allerlei Studienkitsch einige sehr schöne Bilder vorführt.
Namentlich das Motiv der letzten Sonnenflimmer auf
dunkelbeschattetem Teich übt Groeber mit rechter Maler-
wonne und gar prächtig wird es, wenn mitten auf
dem Teich zwei nackte Mägdelein im Kahn sitzen und
so ein verlorener Funkelstrahl auf rothem Saar und
weißem Leib sein Ergötzen sucht. Interessant ist es
ferner zu erleben, wie der weimarische Landschafts-
maler Theodor Sagen mit sechzig Jahren noch einmal
von vorn anfängt. Nachdem er ein Menschenalter
hindurch sich zu der guten alten Schule des Oswald
Achenbach bekannt, also gemalt und also dreißig Jahre in
Weimar gelehrt hat, versucht er es zu guterletzt mit der
lichten, Hellen französischen Manier und geht mit
fliegenden Fahnen in das Lager der Sezession über,
wie es schon so mancher bejahrte Meister gethan. Die
Uebung und den Ruhm eines langen Lebens und
erfolgreichen Wirkens auf solche weise zu opfern, be-
deutet gewiß nichts Geringes. Mittlerweile hat der
verjüngte Sagen noch mit einigen Schwierigkeiten der
neuen Palette zu kämpfen, stellenweise macht sich ein
kalter, spröder und kleinlicher Zug in den lichten
Thüringer Landschaften fühlbar, aber es fehlt auch
nicht an großer Auffassung und Kraft und an impressio-
nistischer Intimität, so an einer Allee in Weimar, an
einer Wiesenlandschaft, an einer Negenstimmung über
braunem Ackerland, an einem von Laubbäumen über-
wölbtem Teich. Schließlich sind auch die Bilder des
Berliners Alfr. Liedtke einer eingehenden Betrachtung
zu würdigen. Der Künstler schildert den melancholischen
Waldfrieden der Mark, die stille Größe der Savel-
landschaft; in ziehenden Schatten, im scheidenden Abend-
licht, an grauen Tagen, wie im Mondglanz, der durch
nachtschwarzen Wald die Seeflächen magisch spiegelt,
ergeht sich ein zielsicherer und empfindungsreicher Maler.
In Samburger Bildern fahndet er auf große und
starke Impression. Die tausend Masten und Schlote
des Safens starren düster in grellgelb verhauchenden
Abendschein, ein ungeheures, unheimliches Wesen dampft
und wallt und webt über der großen Stadt in der
verdämmernden Ferne, wo sich die Millionenwerthe
des Weltverkehrs millionenfach verknoten.
Der Salon Paul Lassirer, das Standquartier
der großen französischen Impressionisten und der
Berliner Sezession, beherbergt gegenwärtig drei Sehens-
würdigkeiten, als da sind Bildergruppen neuen Datums
von Liebermann und Leistikow und eine an die hundert
Nummern zählende Sammlung von Gemälden, Aqua-

rellen, Zeichnungen, Studien, Entwürfen und graphischen
Arbeiten des Petersburger Malers Constantin Somoff.
Dieser Somoff war im vorigen Jahre auf der Berliner
Sezessionsausstellung mit der vielbesprochenen blauen
Dame erschienen, einer Malerei, die von einem unsag-
bar malerischen Zauber umwoben war. Begreiflich,
daß man auf den Künstler neugierig geworden und
gern mehr von ihm sehen wollte. Da schickte er denn
überreichlich Bildnisse, Landschaften, dekorative Stücke
und allerlei pikantes Kleinzeug, in denen sich russische
und pariser Wesenszüge eigentümlich kreuzen. Aber
man ist doch ein wenig enttäuscht, denn keins der vor-
liegenden Werke reicht entfernt an die blaue Dame
heran. Sicherlich aber ist Somoff ein interessantes
Talent und er hat in Paris malen gelernt, wie man
es dort nur lernen kann, wenn es auf fein berechnete
Nervensensationen ankommt. Bezeichnender weise
stimuliren zumeist seine kleinsten Sachen, die kapriziösen
Federzeichnungen, die Miniaturen, die Entwürfe für
Emails, die wohl wegen der russischen Schriftzüge eine
fremdartig bestrickende Grazie haben. Uebrigens ist
Somoff nur so ein Salbrusse, es fehlt ihm der starke
slavische Volksinstinkt, er spielt daher mit seinen russischen
Motiven, denen er durch absonderlich naive Staffage
nur einen groben äußerlichen Reiz anheftet. Stellen-
weise hat er Berührungspunkte mit den beiden Erlers,
was wohl auf dieselben französischen Vorbilder zurück-
zuführen ist. In einigen Landschaftsstudien dringt bei
Somoff eine gesunde natürliche Mache durch, dann
wieder ist er virtuoser Faiseur, der zwischen Rococo
und Biedermaier pendelt, ohne den zartesten Sinnen-
reiz der beiden Stile zu meistern. Leeres Kulissenwerk
sind die galanten Nococostücke. Oder er arbeitet auf
grelle, kreischende Effekte hin, wie bei dem Bilde der
alten Kokette oder Kokotte in jugendlichster Kleidung
oder bei dem Bildniß der Dame mit den geschminkten
Lippen und den goldenen Löckchen und den dreisten
Augen. Der frivole Uebermuth hindert ihn indeß nicht,
gelegentlich auch eine Persönlichkeit aus tiefsten Seelen-
tiefen zu erfassen, wie auf dem Bildniß des Fräulein
Gstrumoff geschehen. Alles in Allem wirft Somoff den
Beschauer in einen chaotischen Zwiespalt der Em-
pfindungen, weil das Wesen des Künstlers aus Ernst
und Laune, aus Genie und Unzulänglichkeit wunderlich
vermischt und vermantscht ist.
wie kontrastirt dagegen die vornehme Meisterschaft
eines Leistikow I Abermals führt uns der Künstler an
die Grunewaldseen. Aus den dunkeltönigen Bildern
stechen zwei neuartig Helle Malereien hervor, die eine
neue Wendung in Leistikow's Schaffen anzudeuten
scheinen. Der schwere Ernst und die stilisirte Linie ist
darin überwunden zu Gunsten eines leichten, lichten
Tones, einer silberflimmernden Abstufung kühler Farben.
Line heitere Eleganz verleiht das neue Kolorit einer
Villa und wie libellenhafte Glückseligkeit breitet es sich
über grüngraue Kornfelder. Auch Liebermann ist mit
neuen und bedeutsamen Bildern vertreten, die zum
Reifsten und Abgeklärtesten gehören, das der Künstler
je in glücklichen Tagen geschaffen, wie jüngst bei
anderer Gelegenheit schon zu Tage trat, scheint Lieber-
mann nach Jahren der Abspannung und Unsicherheit
wieder festen Fuß gefaßt zu haben, wie das in einem
gewissen kritischen Lebensalter schon bei so vielen
Künstlern zu beobachten gewesen. In einer Allee von
feinster Licht- und Farbenstimmung und in einem Saus
in Silversum, das lichtgrau aus dem Grün hervor-
leuchtet, sind die Probleme, wie sie Liebermann vor-
schweben, zu menschenmöglicher Vollendung geführt.
Ferner frappirt das Bildniß eines jungen Mädchens
 
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