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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 11
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Wolf, Georg Jacob: Münchner Kunstbrief
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Günther, Julius: Dresdner Kunstbrief
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Nr. U

Die A u n st - H a l l e.

(65

gern zugebe, daß in den: Zyklus farbiger Zeichnungen
„Puppenspiele" eine nicht zu unterschätzende Dosis
künstlerischen Empfindens enthalten ist. —
Lin gutes Zeugniß für München legen jene kunst-
gewerblichen Arbeiten ab, die für die Weltausstellung
in St. Louis bestimmt sind, und die wir dieser Lage
mit viel Vergnügen in Augenschein nehmen konnten.
Unser vielseitiger, talentvoller Bruno Paul, Professor
Martin Dülfer, die Architekten Brüder Rank haben
Räume geschaffen von entzückender Intimität und da
hinein Möbel gestellt, die an Grazie der Linie, an dis-
kretem Dekor, an Vornehmheit des gewählten Materials
alles Aehnliche übertreffen. Unsere „vereinigten Werk-
stätten für Kunst und Handwerk", das unter Professor
Krüger's Leitung stehende moderne Gegenstück zum
Kunstgewerbeverein, haben die Mehrzahl dieser Lin-
richtungsgegenstände, die theilweise für das neue
Regierungsgebäude in Bayreuth bestimmt sind, mit
großer Präzision ausgeführt. Jedenfalls wird, wie
seiner Zeit in Paris und Turin, auch in St. Louis das
bayerische, speziell das Münchner Kunstgewerbe, das
nicht vieles, aber viel über das große Wasser hinüber-
schickt, recht guten Lrfolg haben. —
Ich möchte den „Kunstbrief" nicht schließen, ohne
wenigstens noch mit ein paar Worten eines Künstlers
zu gedenken, der dieser Tage im besten Mannesalter
aus unserer Mitte gerissen wurde: am Faschingsonntag,
während draußen der buntscheckige Karneval tollte,
haben wir Rudolf Maison zu Grabe getragen. Lin
unermüdlich Ringender ist mit ihm von uns gegangen.
Sein Tod erscheint uns wie eine Tragödie: Da kämpft
einer Tag und Nacht, ringt mit sich und anderen, läßt
sich durch innere und äußere Mißerfolge nickt ab-
schrecken — und endlich dringt er durch. Sein Haupt-
werk soll in kurzem zur Aufstellung kommen, das viel-
geschmähte und doch so imposante Kaiser Friedrich-
Denkmal für Berlin, — da rafft ihn der Tod weg.
Lin paar Stunden vor seinem Ende hatte er noch von
neuen Plänen gesprochen, „wenn er in ein paar Tagen
wieder aufstehen" dürfe. Lr war einer von denen, die
ihr Glück in stiller Arbeit fanden, die es zu etwas
brachten, ohne von einer Tlique gehoben werden zu
müssen; mögen darin die Münchner Künstler diesen
seltenen, prächtigen Menschen sich zu Lehre und Vor-
bild sein lassen.
Georg Jacob Wolf.


ZresSner Rundbrief.
(Verspätet.)
on den Veranstaltungen der letzten Wochen ist
zunächst die vom Kunstgewerbeverein in Szene
gesetzte Weihnachtsmesse, die in den Hinteren
Räumen des akad. Ausstellungsgebäudes auf der Brühl-
schen Terrasse untergebracht war, noch nachzutragen.
Das große künstlerische Lreigniß, zu dein sie von den
betheiligten Kreisen gestempelt werden sollte, war sie
keineswegs: sie war indeß immer noch besser, als man
nach dem Plakat, das eher abschreckend als anziehend
wirkte, fürchten mußte. Sehr hübsch war die keramische
Abtheilung, auch die Metallarbeiter! waren meist gut,
ebenso ein allerliebst ausgestattetes Kinderzimmer, aber
im Uebrigen traten die Arbeiten mit einer solch' maßlosen
Ueberhebung auf, daß inan glauben mußte, die Ver-

fertiger dieser Kinderspielzeuge und anderer Dinge,
Puppen, Nußknacker, Schachteln, Kassetten, Leuchteru.pw.
glaubten damit hervorragende Kunstwerke geschaffen zu
haben. And dabei waren dieselben doch recht roh,
ärmlich in der Erfindung, gesucht naiv und oft recht
unbrauchbar. Mit diesen Sachen wird man gute
Fabrikarbeit nicht aus dem Sattel heben, und befruchten
kann nur etwas, was keimfähig, ursprünglich und
natürlich ist. Damit, daß inan erzgebirgisches Bauern-
spielzeug und Aehnliches imitirt und nur etwas raffi-
nirter mit Temperafarben bemalt oder die auf dem
Lande üblichen einfachen Kinderschlitten in besserem
Holze herstellt, eine Armlehne anbringt und dann mit
ärmlich erfundenem Ornament beinalt, ift's doch nicht
gethan, wenn man „Volkskunst" schaffen will.
Jin Arnold'schen Kunstsalon (Gutbier) war
im Januar eine „Sonderausstellung Dresdner Künstler
und Künstlerinnen" veranstaltet, die lauter Neulinge
brachte, die Maler Rich. Dreher und Otto Müller und
den Bildhauer Turt Göllner, der indeß auch mit
Bildern auftrat und die 3 Malerinnen Adelheid Kohl-
schütter, eine Nichte der vortheilhaft bekannten älteren
Dresdner Malerin Paula Kohlschütter, Adelheid Nau-
mann und Gertrud Wolf. Was die 3 erstgenannten
betrifft, so giebt das Vorwort des Katalogs zu, daß
ihnen allen sowohl noch das Können fehlt, als auch,
daß das persönliche Empfinden nicht genügend geläutert
sei. In beiden hat das Vorwort recht und angesichts
der Arbeiten muß sich der unvoreingenommene
Beschauer fragen, ob es da nicht besser gewesen wäre, mit
dein Ausstellen noch etwas zu warten. Gewiß wird
eins oder das andere der Werke zwischen anderen
Bildern auf einer Ausstellung vielleicht bestehen und
sogar interessiren, aber das „Stammeln" kollektiv
genossen bedeutet doch eine kühne Sumuthung. Am
reifsten sind die plastischen Arbeiten von Göllner, die
zwar alle sehr gleichartig in der Stimmung sind, aber
doch von starker Empfindung Zeugniß ablegen. Bei
den 3 Künstlerinnen haben wir es mit zweifellos gut
begabten und fleißigen Damen zu thun, die auch schon
über ein ganz respektables Können verfügen. Besonders
gilt dies von Gertrud Wolf, die mit männlich breiter
Pinselführung, die an moderne Münchner Landschafter
erinnert, feine Stimmungen in groß gesehenen Motiven
bringt. Auch ihre farbigen Zeichnungen erzählen von
ernstem Studium und richtigem Erkennen der jeweiligen
künstlerischen Aufgabe. In ähnlichen: Sinne sind die
Bilder von Elisabeth Naumann, gleichfalls Landschaften,
zu loben als verheißungsvolle Anfänge künstlerischer
Selbständigkeit.
Gleichzeitig sehen wir bei Richter-Holst den
Nachlaß von p. Flickel, eine sehr große Anzahl seiner
Hinterlassenei: Studie«: und nur wenige Bilder. Was
an diesen Sachen auffiel, war die wohl seltene Er-
scheinung, daß die Studie,: nicht die Frische seiner
Bilder haben, nicht die sonnige Fröhlichkeit des in den:
Laub der Bäume spielende«: Lichtes und nicht die
frische Farbigkeit: aber trotzdem erfreue«: die Studie«:
durch die gewissenhaft und doch technisch freie Durch-
führung der Einzelheiten und die fei«: festgehaltene
Stimmung: es sind da prächtige Motive, die der Heim-
gegangene Meister des nordische«: Buchenwaldes in an-
spruchslosen: Forinate festgehalten hat, neben malerischen
Ecken, kleine«: reizende«: Naturausschnitten und allerhand
Reiseerinnerungen, die er i«: fleißiger, gewissenhafter
Arbeit und den: echt künstlerische«: Bestreben, sich innig
an die Natur anzuschließen, uin sie verstehe«: zu lernen,
zusammengetragen hat, Alles ir: Allein ei«: respektables
Lebenswerk von sympathischer Eigenart.
 
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