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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 11
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S., W.: Aus hamburgischen Kunstsalons
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Nr. ff

Die A u n st - H a l l e.

f67

Mr Hzmblirgkcken Runrkslonr.
<^n den Kunstsälen Louis Bock beherrscht der
Weimarer Künstlerklub „Apelles" das Ensemble.
Er erneut seine im Vorjahre zuerst geschlossene
Bekanntschaft, ohne indeß dem damals geschaffenen
Eindruck Neues hinzuzufügen. Tiefere Wirkungen gehen
von diesem, auf den Pfaden eines aufmerksamen Natur-
studiums wandelnden Künstlerklub überhaupt nicht aus.
Th. Hagen und M. Stahlschmidt stehen wie im vorigen
Jahre auch diesmal wieder im Vordergründe des
Interesses, der erste mit zwei Thierbildern, der zweite
mit einer fein abgestimmten helltönigen Frühlings-
landschaft. — Das Hauptstück der Ausstellung ist Victor
Weishaupt's schon häufig gezeigtes mächtiges Heerden-
bild „v>eh auf der Weide". Es ist breit gemalt, die
Komposition fein abgewogen, die Farbe so reich nuancirt,
daß man die glanzvolle Tafel fast in parallele mit den
ersten Werken unserer modernen Holländer stellen kann.
— Die übrigen Näume zeigen bis auf wenige Aus-
nahmen nur Kollektiv-Ausstellungen landschaftlichen
Charakters. Im ersten Baal sieht man die theilweise
bekannten Marinen und Strandbilder aus dem hohen
Norden von Hetersen-Angeln, Motive aus Ost- und
West-Afrika von Th. Stein, die, gut in der Zeichnung,
sonst jedoch nicht annähernd jene berauschende Fülle
an Duft und Schimmer der Tropen vor Augen zu
führen vermögen; ferner ein reizloses „Herrenporträt"
im üblichen schwarzen Salonrock von L. Fleischmann
und zwei zuckersüße weibliche Hastellbilder von L. Schmidt.
Der zweite Baal zeigt von H. Deiters jun. eine bekannte
Ouertafel „Frühling", darstellend eine Schaar Iüng-
linge und Jungfrauen, die in leichter antiker Gewandung
in einer Landschaft einander Haschen, bekränzen u. s. w.
Die angewandten Farben sind matt bis zur Eintönig-
keit. Es ist einfach nicht zu verstehen, daß der Künstler,
statt den „Frühling" in frischen freudigen Tönen zu
verkünden, in der Wahl der Farbe so wenig glücklich
verfahren ist. Eine Sammlung anspruchsloser Zeichnungen
und Studien architektonischen und landschaftlichen In-
halts von A. Loges, einige etwas stau wirkende Land-
schaften von F. Hetiti, sowie eine Anzahl koloristisch
stark übertriebener Tafeln von Leo Neiffenstein vervoll-
ständigen die Ausstellung.
Jin Kunstverein stellt zum erstenMale seitfiO Jahren
der Hamburger Künstlerverein wieder kollektiv aus.
Unser Altmeister Valentin Nuths rexräsentirt sich mit
einigen klassischen Nohrfederzeichnungen und Aquarell-
studien am besten; sie fesseln gleich den meisten seiner
Schöpfungen durch eine bei aller ausgesprochenen Vor-
liebe für das Detail sich nie verleugnende Großzügig-
keit. Neben Nuths zeigt der Nestor des Vereins zwei
vor einigen Jahrzehnten entstandene Arbeiten, die au
Kauffmann und Gensler und das Hamburg ihrer Zeit
erinnern. Von Ascan Lutteroth sieht man seine immer
auf ein und denselben Ton gestimmten Landschaften, die
nicht jedermanns Sache sind. Tarl Rodeck bringt
Gouachen, studienhaft und motivlich nicht auf Bild-
wirkung zugeschnitten, dafür aber durch Frische und
Kraft ausgezeichnet. Lari Notte's wundervolle Blumen-
stücke sind längst bekannt, seine „Händestudie" ist von
großer Finesse. Schnars-Alqmst hat in seiner Mirine
„Schlechtes Wetter" das Wasser wieder sehr gewissen-
haft studirt. Küchel, Schwinge, Wachenhusen und
Müller-Kaempf bevorzugen das Waldbild nut gutem
Erfolg; wenn auch nicht groß gesehen, sind ihre Bilder
doch in der Beleuchtung und Farbe gute Leistungen.
Richard Hünten ist für seine Motive von der Unterelbe

der Beifall zu zollen, den er für ein ernstes und künst-
lerisches Streben und Wollen verdient, während die
Landschaften von Aenderlv Möller durch ihre zu starke
Verweisung auf Barbizon absolut nichts von Eigenart
enthalten. Die Bildnisse von N. H. Iunghanns haben
eine gute Zeichnung und Gesammtauffaffung, obwohl
sie, was Modelurung anbelangt, keineswegs einwand-
frei sind. Anton Asmussen's eingesandte Arbeiten sind,
mit Ausnahme seiner kleinen Schneelandschast, wegen
ihrer Buntheit nur zu sehr impressionistische versuche.
In keiner Weise befriedigend sind: eine mit „Leda" be-
titelte nackte „Kokotte" nach dem j Rezept Makart's
stark manierirt gemalt von L. Mderich, IuliusjRehder's
sauber lackirte Porträts ohne irgend welchen Gehalt
und Düyffeke's „Lissie", die. eine verzweifelte^Aehnlich-
keit mit den bekannten Seifenplakaten hat. — Im
Nebligen ist das Heranholen mehr oder weniger be-
kannter früher schon wiederholt und selbst im Kunst-
verein gezeigter Atelierhüter von verschiedenen Seiten
als taktischer Mißgriff empfunden worden. Eine
strengere Auswahl wäre dem Niveau wie der Hllazirung
der Werke nur zu Gute gekommen.
Bei Lommeter hat unser feinsinniger Larl Albrecht
eine saalfüllende Ausstellung seiner Gemälde arrangirt, die
neben landschaftlichen und figürlichen Arbeiten auch eine
Anzahl Stillleben enthält. Es berührt etwas merkwürdig,
daß Albrecht, als Mitglied des Hamburger Künstleroereins,
nicht ebenfalls im Kunstverein, sondern so ganz abseits
von seineil Vereinsmitgliedern ausgestellt. Dem ober-
flächlichen Beobachter wird es nicht schwer, Albrecht
einen Nachahmer, einen Eklektiker zu nennen und die
Namen Lorot, Daubigny, Böcklin kommen ihm dabei
von selbst auf die Zunge. Eine gründliche Kenntniß
dieser Meister gebe ich ohne Weiteres zu, aber es wird
mir nicht einfallen, Albrecht darum einen Nachahmer
zu nennen. Erfindung und Empfindung, die beide ganz
außergewöhnlich reich sind, bestimmen Albrecht als ein
durchaus eigenartiges Talent. Er steht auf dein Boden
der Natur, aber in jenem höhereil Sinne, in dem auch
seine erwählten Vorbilder Anlehnung an die Natur
genommen haben. In seinen Stimmungslandschaften
„Nocturno", „Morgen", „Neber allen Gipfeln ist Ruh"
kommt dies am besten zum Ausdruck. Seine Stilllebeil
sind vo>i einer technischen Geschicklichkeit, vonIeiner
kompositionellen Feinfühligkeit, die erstaunlich sind. Wie
er das Weiß seiner Horzellanvase vom Weiß einer
Damasttischdecke, diese beiden weiß wieder vom vege-
tabilen eines Rosenstrauchs, das Ganze vom Blaßbau
einer geblümten Tapete im Hintergrund abzuheben ver-
mag, ist unbedingt vornehm und feinsinnig. — Der
übrige Raum bei Lommeter steht im Zeichens Whistlers,
von dem großen Anglo-Amerikaner sind über 70 Na-
dirungen ausgestellt. Er hat auf diesem Gebiet, auf
welchem er geradezu epochemachend gewesen, einen
völlig neuen Stil geschaffen und brachte das Element
der „Andeutung", das in dieser Kunst liegt, in einer
weise zur Geltung, wie keiner- zuvor. Die beiden
Folgen aus Venedig, London und Amsterdam, die
Anfangs mit Hohn begrüßt und jetzt zu den geschätz-
testen Erzeugnissen Nr Graphik gehören, sind vor-
trefflich vertreten. Es ist jedoch unmöglich, Whistler's
subtile Kunst in einigen Zeilen zu kennzeichnen, und es
genüge nur auf die Blätter „Tittle Nast", „Tittle
oMI „Ti^etta" und ähnliche hinzuweisen. Das ist
wirklich große Kunst. Whistler's Wort, das eben
wieder viel zitirt wird, „ein Bild ist vollendet, sobald
jede Spur der Mittel, die zur Erreichung des beab-
sichtigten Resultats angewandt wurden, verschwunden
ist," trifft hier in Wahrheit zu. FT. 8.
 
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