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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 21
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Galland, Georg: Grosse Berliner Kunstausstellung 1904
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Nr. 2f

plastisch von der Umgebung abheben. Ideale weib-
liche Köpfe von lichter Färbung bieten Tyrahn und
K. Hollmann. August Groh malte einen neben
seinem grauweißen Rosse stehenden, von Heldenthaten
träumenden gepanzerten Ritter St. Georg, Ls. Göhler
zwei kleine Salon-Interieurs mit einer ruhenden bezw.
träumenden Dame von distinguirter Erscheinung, um
eine elegische Stimmung zweimal auszudrücken. Dann
erscheinen mir noch besonders bemerkenswert^ ein in
einem Sessel behaglich lesendes, fein beleuchtetes
Mädchen, sowie ein kleineres Mädchen im Zusammen-
sein mit einem famos gemalten Teckel, beide von
Taspar Ritter, ferner Paul Segisser's „Pflüger"
und ein humoristisch aufgefaßter Bacchantenzug von
dem schon erwähnten Hollmann. Auch in den land-
schaftlichen Schilderungen der Karlsruher überwiegt
das ideale Moment ersichtlich. Neben Keller tritt auf
diesem Felde vor allem Manuel wielandt schöpferisch
hervor, zwar weder in dem „Abend am Meer" noch
mit seiner größeren Leinwand „Grab des Odysseus"
so originell und persönlich in der Naturauffassung wie
Böckliu in ähnlichen poetischen Motiven, doch immerhin
voll Kraft der Anschauung und feierlicher Wirkung in
letzterer Komposition, die eine Felseninsel im Meere bei
röthlich verglühenden: Sonnenlicht darstellt. Neben ihm
muß der kürzlich verstorbene Edmund Kanoldt, der
bekanntlich aus Weimar von Preller dem Aelteren her-
kam, mit seinen drei Arbeite:: aus letzter Zeit genannt
werden: im Format nur kleinen heroischen Szenerien
aus Italien und Tirol von lebhafter Färbung. Sonst
fesselte mich — ein paar Landschaften von Fanny von
Geiger-Weishaupt, Göhler, Hollmann und Sechster,
der wohl an den bizarren Münchner Stilisten Steppes
erinnert, sämmtlich in Ehren genannt—, nichts intensiver
als ein größeres, eigenartig gestimmtes Themseblld mit
Segelbooten von R. Hell wag. Endlich sind auch
mehrere der üblichen virtuos gemalten Entenbilder von
A. Koester vorhanden.
Den umfassenden Saal der Ungarn haben wir
anscheinend ihren bei uns dauernd oder als Gäste zeit-
weise ansässigen Landsleuten zu danken. Und diese
Theilnahme ging dieses Mal sogar so weit, daß man
uns aus halbverstaubteu Requisitenkammern einige
klaftergroße Historien präsentirte, mit welche:: einst auch
das stolze Volk der Magyaren, nach dem Vorgang der
französisch-belgischen Geschichtsmaler der Mitte des
verflossenen Jahrhunderts, seinen nationalen Ruhm auf
Riesenleinwanden der staunenden Menschheit ver-
kündigte. Die längst bekannte That dieser Bilder ent-
hebt uns darum der Verpflichtung, den hier gebotenen
Gemälden von Julius von Benczur, Bihari,
Foszty und Kriesch, diesen anliquirten Heldenstücken
vor Ofen, figurenreichen fürstlichen Begegnungen an
Nationalgräbern von Heiligen, pomphaften fürstlichen
Hochzeiten, Volkshuldigungen und stürmischen Prokla-
mationen von Religionsfreiheit noch einmal bewundernd
näher zu treten. Aber ehrlich gesagt, sie verdienten
das nicht nur von: ungarischen, sondern auch von: reiu
künstlerischen Standpunkt weit eher, als etwa die
moderne Leistung von Emerich Nevesz „panem",
eine langweilige Zusammenstellung revoltirender Arbeits-
loser, die statt des älteren vollsaftigen Kolorits, statt
rassiger Echtheit, sich in einer trüben temperamentlosen
Färbung der ausgedehnten Leinwand gefällt.
Auch auf Munkäcsy hat inan hier zurückgegriffen
nut einigen älteren Arbeiten, die sich freilich, wie ein
in Roth gekleidetes Kardinalsbildniß, eine wahre Perle
in physiognomischer, wie koloristischer Beziehung, noch

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heute auf Ausstellungen sehen lassen können und er-
folgreich behaupten. Nur das riesige hellgetönte
Plafondstück des Meisters in: blauen Vorsaal, eine auf
die ars triumplmus bezügliche allegorische Komposition
von ganz akademischer Behandlung, die absolut kalt
läßt, hätte inan sich, aus Rücksicht auf MunkLcsy selbst,
füglich schenken dürfen. Der von uns erst kürzlich in
einem Aufsatz gewürdigte Freund Munkücsy's, der jung
verstorbene ungarische Landschafter Ladislaus v. panl,
wird mit diese:: beiden, den Fontainebleauer Meister::
nachempfundenen, etwas schwärzlichen, schwermüthigen
Waldinterieurs wohl auch zu den historischen Größen
seines Vaterlandes gerechnet werden müssen.
Die hervorragende Fähigkeit für das Bildniß
sichert den Ungarn außerhalb ihrer Heimat überall
günstige Aufnahme und klingende Anerkennung. In
der soliden glatten Manier des Vortrags, die der hohen
Bildnißkunst früher noch nicht zum Vorwurf gemacht
wurde, bewegen sich noch die Werke von Gyula von
Benczur und L. Horovitz. Letzterer, der gern un-
tadelige feminine Schönheiten zur Schau bringt, kommt
dieses Mal mit zwei männlichen Bildnissen, einem sehr
dunkel gehaltenen Selbstporträt und der sitzenden freund-
lichen Figur Kaiser Franz Iosef's I., die außerordent-
lich gut getroffen ist, und der die Generalsuniform eine
koloristisch lebhafte Note verleiht. Benczur schuf in dem
Grafen Aladar Andrüssy eine vollblütigen Magnaten-
typus und in dieser Gräfin Almässy im weißen Atlas-
gewande das dekorativ effektvolle Idealbild einer
jugendlichen ungarischen Edeldame. Diese rassige
Wucht der Lrscheiuung besitzen nun freilich die schönen
Arbeiten von Philipp Lüszlo nicht, aber sie über-
treffen jene unzweifelhaft in der temperamentvollen
Leichtigkeit und Eleganz des Vortrags, in ihrer be-
redten Lebendigkeit der Physiognomik, also in spezifisch
modernen Eigenschaften des Faches: doch glaube ich,
Läszlo's Porträts des Botschafterpaares von Szögyenyi-
Marich, der Gräfin von Szechönyi, des Gesandten
Mumm von Schwarzenstein und des Geigers Professor
Joachim schon sämmtlich in: Schulte'schen Salon gesehen
zu haben. In den niedlichen Kinder- und Mädchen-
köpfen von 21. Halmi und weiterhin in den Bildnissen
K. Zieglers, den auch die Ungarn nur als halben
Landsmann anerkennen, quillt eiu ziemlich verdünntes
magyarisches Künstlerblut, ausgenommen Ziegler's
energisch gemalte Figur der brünetten Marietta de
Rigardo im leuchtend rothen Kleide, das die schlanken
Glleder eng umhüllt. Hier schäumt noch ein gutes
Stück echten Zigeunerthums. Will man dies aber
völlig ungeschminkt genießen, so muß man es in einigen
Genrewerken des Saales betrachten. So in Karl
Ferenczy's „Zigeunern", drei Mustereremplaren dieser
Spezies dunkler Ehrenleute der pußta. Diese bunt-
kostüinirte alte Wahrsagerin neben einen: jungen Weibe
in grellblauem Rocke und dem braunen jungen Strolch
mit Geige und gestohlenen: Huhn in beiden Händen
geben zusammen einen kühnen Farbenakkord von wahr-
haft paprizirter Wirkung. Daneben hängt eine ältere
Leinwand, Deük-Ebner's „Markt in Szolnok", die
das koloristische Niveau des ungarischen Sittenbildes
vor einen: Viertelsahrhundert vergegenwärtigt.
An: umfangreichsten und künstlerisch durchweg be-
achtenswerth ist der zumeist in Berlin lebende Franz
Paczka mit prächtigen malerischen ungarischen Volks-
typen aller Art, namentlich jugendlichen weiblichen,
vertreten; seiner ebenbürtigen, in ihren Arbeiten nur
nicht immer ganz ausgeglichenen Gattin Cornelia
paczka ist schon früher gedacht worden. Lin aus
poetischer Empfindung, zugleich mit sichtlicher Freude

Die Kunst-Halle.
 
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