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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 1
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Hillig, H.: Die kunsthistorische Ausstellung in Erfurt
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Rapsilber, M.: Aus den Berliner Kunstsalons
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Die Kunst-Halle.

Nr. s

Bücher, die Schönheit und Klarheit der Schrift und die Fracht
der Initialen und der Miniaturen im Text, wie auch die Ge-
diegenheit der oft von Edelsteinen starrenden Einbanddecken.
Lin ganz enormer künstlerischer und auch materieller
Werth ist in der III. Abtheilung aufgespeichert, die allein
90 Schnitzaltäre, darunter die größten und schönsten Thüringens,
enthält. Das Alter hat die polychromirung und die Ver-
goldung der oft meisterhaft geschnitzten, in der Mehrzahl aus
der Saalfelder Schnitzerschule oder von dem Saalselder Kloster-
bruder Valentin Lendenstreich stammenden Schnitzwerke, die
auch in Linzelstatuen, Reliefs u. s. w. zu finden sind, zu-
fammengestimmt, und so ergeben diese alten Schnitzwerke oft
wunderschöne Wirkungen.
Die IV. Abtheilung: Kunstgewerbe und Kleinkunst, ent-
hält wahre Schmuckstücke kirchlicher Goldschmiedekunst und
künstlerischer Stickereien. Die Kleinkunst ist durch eine große
Anzahl seltener Münzen und Medaillen vertreten, darunter acht
Medaillen des Leipziger Goldschmieds und Glockengießers ftans
Reichardt des Aelteren, dann Münzen und Medaillen nach
Steinmodellen von Lukas Lranach und von den Nürnberger
Stemxelschneidern Hans Krug und Hans Krafft. Auch kirch-
liche Gewänder mit prunkvollen Figuren, reichen Stickereien
sind in der Kilianikaxelle ausgestellt. Artur Fahlberg in
Friedrichshagen bei Berlin bringt von ihm gemalte Kopien
zweier Theile des bekannten Tucdlinburger Knüpstepxichs zur
Ausstellung.
In der V. Abtheilung finden wir eine große Anzahl
Photographien von thüringischen Baudenkmälern, auch Zeich-
nungen Ernst Liebermann's u. s. w.
Die Ausstellung ist in der That eigenartig und vermag
auch dem bildenden Künstler ein Anschauungsmaterial in be-
quemer Enge zu bieten, wie er es sonst nirgends zusammen
findet. In erster Linie wird diese Ausstellung den Kunst-
gelehrten und Kunstsorschern reiches Studienmaterial liefern,
und in diesem Sinne wird diese Veranstaltung sicher auch am
meisten ausgenutzt werden.
H. Hillig.


M Len Zerliner RuiukslonL.

penn die Blätter von den Bäumen sinken, dann
p p hebt für die Kunst der neue Frühling an und
den ganzen Winter hindurch will des Blüheus
und Sprossens kein Ende sein. Die Sonne dieses Kunst-
frühlings ist die elektrische Lampe und an die Stelle
des grünen Rasens breitet sich der rothe Teppich. In
den vier Wänden der Berliner Kunstsalons drängen

sich, hasten und sagen die großen und kleinen Er-
eignisse, mit welchen die bildenden Künste auszuwarten
haben. Hier treten alle kunstschasfenden Völker in
Wettbewerb, hier debütiren die jungen Talente und
hier legen die anerkannten Weister Rechenschaft ab von
ihrem Thun und Lassen seit Jahresfrist. Eine sinn-
verwirrende Fülle umgaukelt den willigen Kunstfreund.
Wo ist der Weg und Steg durch den Urwald der
Kunst? Wenn es je von Nöthen ist, das Echte voin
Unechten, das Empfundene und Tieferschaute vom
klappernd Handwerksmäßigen zu scheiden, so gewiß in
den Künsten. Der Fluch der modernen Kultur ist die

Ueberproduktion. Im geistigen Leben bedarf es einer
intensiven Kraftsxannung, um durch die wuchernde
Vielheit hindurchzudringen bis an jene stillen Heilig-
thümer, in welchen die auserwählten Geister die
dauernden werthe der Zeit schaffen. Und da ist es
nicht das Wissen und das Klugsein, sondern das Em-
pfinden und Nachempfinden, das an die echte Kunst
heranleitet. Das Herz ist der einzig untrügliche Weg-
weiser für das Auge, und nur iu diesem Sinne kann
von einer fruchtbaren Kunstbetrachtung die Rede sein.
Mit frischen Sinnen und verjüngter Liebe treten
wir allemal an die Herbstausstellungen heran, welche
die Winterfreuden der Kunst in Berlin bedeutsam ein-
leiten. Aus der ganzen Linie haben sich bereits die
Garden formirt. Hie Adolph Wenzel — hie Sascha
Schneider, hier eine tschechische Waler-Kohorte, dort
eine Abordnung aus den heurigen pariser Salons,
dazu Holländisches, Norwegisches, Schottisches, Ham-
burgisches in Hülle und Fülle, und natürlich fehlen auch
die Wünchener nicht.
Die Wenzel-Ausstellung im Künstlerhause ist so
etwas wie ein Epilog oder eine Nachlese zu des Alt-
meisters Ausflug nach London. Was hat man für ein
Aufhebens gemacht von diesem nicht ganz zeitgemäßen
Unternehmer:, mit was für Lroberungshoffnungen sich
gebrüstet! Ja, wenn die Herren Zeremonienmeister den
Preußenmaler vor zwanzig oder dreißig Jahren in die
frostigen Salons an der Themse nut ebeu diesem Hoch-
gefühl introduzirt hätten, dann wäre wohl mehr als ein
bloßer Achtungserfolg dabei herausgekommen. Jetzt
sehen wir wiederum wie vor fünf Wonaten Zeichnungen
und Zeichnungen von Wenzel an der Ehrenwand des
Künstlerhauses, mehr oder minder verblüffende Hand-
fertigkeitsproben aus sechs Jahrzehnten dieses bienen-
fleißigen Schaffens. Es ist gewiß eine Freude, den
Einzelheiten nachzugehen, aber die neue Sammlung
reicht doch nicht an jene im Wonnemonat heran; es
sollte auch wohl nur erwiesen werden, daß der Schatz
der Wenzelzeichnungen unerschöpflich ist und unüberseh-
bar wie der Sand am Meer. Wesentlicher ist die
Ausgrabung und Vorführung eines Gemäldes von
Wenzel aus dein Jahre l.856, das Innere des Gymnase-
Theaters zu Paris darstellend. Die Signirung des
Bildes führt den überraschenden Nachweis, daß Wenzel's
erste Reise nach Paris nicht in das Jahr s867, wie inan
bisher allgemein glaubte, sondern bereits in das Jahr
der ersten Weltausstellung zu verweisen ist. Das ist
jedoch nicht von Belang und gewiß hat sich Wenzel
zu dieser impressionistischen und intim-malerischen Note,
die seine frühen Malereien auszeichnet, nicht erst in
Paris inspiriren lassen. Sein glorioses Walerwesen,
das heute erst voll gewürdigt wird, ist schon eine vor-
märzliche Errungenschaft und steht völlig abseits von
der großen internationalen Entwicklung der modernen
Malerei. Im Gymnase - Bilde Hut Menzel das fein-
malerische Problem, das ihm vorschwebte, indessen nicht
völlig gelöst. Das warme und intime Lampenlicht,
das die Zuschauerreihen im Parkett umspielt, das die
graue Proszeniumsarchitektur und die rothe Seitenwand
der Bühne so würdevoll vergeistigt, prallt mit einer
merklichen Dissonanz von dein scharfblauen Kleide der
Hauptaktrice ab. Dieses Blau will sich iu die weiche
und warmflimmernde Harmonie der abendlichen Töne
nicht einfügen und ob dieser Härte, die Wenzel selber
gewiß peinlich gewesen, ist das Bild ein halbes Jahr-
hundert der Geffentlichkeit vorenthalten gehlieben. Im
Uebrigen enthält das Künstlerhaus eine interessante
Sammlung von japanischen und chinesischen Malereien
aus Berliner privalbesitz, an denen all die zeichnerischen
 
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