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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 11
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Rapsilber, M.: Von Berliner Kunst
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s68

Die Kunst-Halle.

Nr. U

Von berliner Amst.

<^^^en gegenwärtigen Regenten des Künstlervereins
2^/ ist unter allen Umständen das eine Gute nach-
Zusagen, daß die Ausstellungen, welche sie seit
Zahr und Tag veranstalten, durchweg auf der Höhe
der Zeit stehen, wobei sie es noch zu Wege bringen,
daß auch die minderwertigen Malerthaten der ver-
ehrlichen Vereinsbrüder sich des schönsten Lichts er-
freuen. Zn der März-Ausstellung hat mau eine Gruppe
Berliner Kleinplastik und eine Sonderausstellung
des Dresdner Künstlerbundes der „Elbier" zu Mag-
neten auserkoren. Trotz des großen Aufschwungs der
angewandten Kunst und trotz aller staatlichen Auf-
munterung will die Kleinplastik in Berlin noch immer
nicht recht in Lior kommen, die überwiegende Zahl
der Statuetten und Miniaturgruppen ist all des Reizes
bar, welcher die Kleinplastik kennzeichnen sollte. Ts
sind daher nur wenige Werke erfreulicher Art aus der
Fülle hervorzuheben. Da sieht man, daß sich Her:::.
Hidding auf die Töpferei geworfen, daß er in Stein-
gut und Tadiner Thon allerlei Gebrauchssächelchen in
der neumodischen Manier und mit irisirender Glasur
hergestellt hat, die aus der Natur des Materials echt
stilisirt sind, aber noch der genialen Note entbehren.
Zn der Reihe der Bronzen paradiren als beste Leistungen
ein graziöses Mädchenfigürchen mit hocherhobenen
Armen von A. Bouö, ein kniendes Mädchen mit der
Muschel von T. Himmelstoß, von einem holden Unschulds-
hauch umwoben, ein lachendes Mädchen mit der Laute
von O. Riesch, das wahrhaft virtuos modellirt ist,
A. Kraus schickte aus Rom den üblichen Hirtenknaben
in antikisirender Grazie, und E. Wenck läßt eine Victoria
auf einer goldenen Kugel balanciren, wobei sich manche
reizvolle Linien ergaben. Zn Marmor dagegen präsen-
tirt L. Seger eine Mädchenstatuette von aetherischer
Zartheit. Die vielfachen Versuche in der Thierplastik
bleiben alle hinter der beabsichtigen Wirkung zurück,
es scheint da an dem intensiven Studium zu mangeln.
An der Kunstschau der „Elbier" frappirt die Gemein-
samkeit der Malweise, der örtlichen Schule und des
Stils. Die fast durchweg jungen Künstler halten in
ihrem Können einander die Waage, sie scheinen für
das Zdeal der Heimathskunst und für einen sezessio-
nistischen Zdealismus begeistert zu sein und die Freudig-
keit und Frische ihres Schaffens heimelt den Beschauer
an. Um einige der „Elbier" namentlich anzuführen,
erwähne ich die mondbegläuzten, stimmungsreichen
Stadtbilder von F. Beckert, die als Theaterhintergründe
von schönster Wirkung sein würden. Von A. Bendrat
eine großerfaßte Weichsellandschaft und die Danziger
Marienkirche, als gigantische Masse gegen den Sternen-
himmel ragend. W. Besig malte die berühmten Doppel-
eichen von Muskau und andere Baumriesen und Spät-
herbststimmungen, F. Dorsch verlegt sich auf die Poesie
des verjüngten Biedermaierthums mit dekorativen
Accenten, Zohannes Ufer pflegt die farbenreichen
Znterieurs und G. Müller-Breslau bringt eine Gewitter-
stimmung in heroischem Stil und von großer Wirkung,
bei einen: Hesperidenbilde aber kommt er von: Akt
nicht los und an seinen Sirenen berührt die thran-
duftende Strenge und herbe Wildheit, die er den Ge-
staltungen Böcklin's nachzuempfinden versucht, keines-
wegs echt oder naturwüchsig.
Der Salon Schulte rückt wiederum eiuen Aus-
länder an den Ehrenplatz der neuen Ausstellung. Und
zwar den in Paris ansässigen Spanier Hermen Anglada,
ein furiöses Genie, das dem outrirten Kokottenkultus

ergeben, zugleich aber die häßlichsten und abscheulichsten
der Boulevard-Hetären als Versuchskaninchen für seine
zigeunerhafte und großstädtisch raffinirte Theorie der
funkelnden Farbenflecke gebraucht. Er inszenirt die
luxuriös aufgedonnerten Weibsbilder als Farben-
gespenster. Dabei aber bezwingt er bei aller Bizar-
rerie den dämonischen Effekt, auf den es ihm ankommt,
keineswegs, weil ihm die malerische Kraft, das ab-
wägende Gefühl für die große Komposition seines
Rivalen und Landsmanns Zuloaga fehlt. Zch sehe
den moralischen und künstlerischen Zweck dieser Kokotten-
pinselei nicht ein, aber sicherlich werden viele Berliner
dieses Zigeunerwesen anbeten, weil es aus dem Aus
lande kommt. Anglada's beste Leistung, das große
Farbenorchester in Gestalt eines Hahnenmarktes, bleibt
erheblich hinter den gleichartigen Schilderungen der
Münchner Sezession zurück. Würde man das neue
Bild von Eduard von Gebhardt, die Bergpredigt, in
den Ehrensaal rücken, so würde man sofort des ge-
waltigen Unterschieds zwischen einem Edelstein und den
modischen Seifenblasen inne werden. Der große
Düsseldorfer schafft eben bleibende Kunst. Zn einem
von Lrühlingsahnen durchschauerten Walde steht die
von heiligem Feuergeist durchpulste Gestalt des predi-
genden Heilands, welch eine fortreißende und herz-
bewegende Kraft spricht aus dem erhabenen und doch
echt menschlichem Antlitz! Ringsum sitzt das dicht-
geschaarte, altdeutsche Volk, Gestalt um Gestalt ein
Charakter, ein Lebensschicksal, ein aus dem Znnersten ge-
stalteter Mensch und das Ganze bei aller Kleinarbeit doch
ein herrlich gerundetes Malerwerk. Allerdings bringt so
etwas großmeisterlich Gereiftes nur der langanhaltende
Arbeitsernst zu Stande. Zum Dritten sehen wir im
Salon Schulte eineAusstellung der Künstlervereinigung für
Originallithographie zu Berlin. Die Berliner Künstler-
lithographen liefern kein so geschlossenes und ortsechtes
Gesammtbild wie etwa die Karlsruher Gruppe, aus
dem einfache:: Grunde, weil es keinen ausgesprochen
Berliner Stil gibt. Zmmerhin ist im Ganzen das für
die Steinzeichnung maßgebende graphische Gesetz ge-
meistert und zwar aus der Eigenart des betreffenden
Malers. Die besten Blätter rühren von Freudemann,
Skarbina, Leistikow, Kayser - Lichberg, Kallmorgen,
Engel und Schinkel her. Daß die Lithographien auch
gerahmt sind und zwar in einer schlichten, vornehmen
Art, ist erfreulich und das dient vielleicht dazu, das
Publikum über die Scheußlichkeit der sogenannten
Stimmungsrahmen, die neuerdings in Aufnahme ge-
kommen sind, aufzuklären.
Auch einer Atelierausstellung haben wir diesmal
Erwähnung zu thun. Der Berliner Orientmaler Max
Rabes hat nämlich weite Distrikte des Morgenlandes,
das Nilthal bis hinauf nach Thartum, ferner Tunis
und Algier bereist und auch die Riviera und Sizilien
und aus der exotischen Frühlingspracht eine unüber-
sehbare Fülle von werthvollen Studien heimgebracht,
woraus sich bereits eine Reihe großer Bilder, höchst
kennzeichnender Meisterwerke der Orientmalerei, gestaltet
hat. Seitdem die politischen Horizonte der Deutschen
sich zu weite:: anfangen, wächst naturgemäß auch das
Znteresse für die Kuust auf ethnographischer und exo-
tischer Grundlage und es ist gewiß erwünscht, daß nach
den: Ableben von wilh. Gentz unter den jüngeren
Deutschen wiederum ein Künstler erwachsen ist, den wir
den großen englischen und französischen Grientmalern
als ebenbürtige Erscheinung an die Seite stellen dürfen.
Neuerdings hat Rabes einen entscheidenden Schritt in
seiner reichabgestuften Entwicklung gethan, insofern er
an der gewaltigen Natur der wüste den großen und
 
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