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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 6
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Günther, Julius: Dresdner Kunstbericht
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Kiesling, Ernst: Leipziger Kunstbericht
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Nr. 6

Die Run st-Halle.

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Henneberg nach Dresden gekommen war, und ein
Deckwasserfarbenbild aus Berliner Privatbesitz: „Ranzel-
rede in Innsbruck". Die Sammlung von nahezu
hundert Handzeichnungen fand noch eine interessante Er-
gänzung in einer kleineren Anzahl von Steindrucken und
Radirungen. Was der Salon sonst noch brachte,
deutete schon die Nähe des weihnachtsfestes an.
Gleichzeitig trat bei Emil Richter der an die
hiesige Kunstakademie berufene Prof. Emanuel Hegen-
barth mit einer stattlichen Reihe von Bildern an die
Oeffentlichkeit. Der Gesammteindruck der Ausstellung
ist ein vortrefflicher, und man kann die Akademie dazu
beglückwünschen, daß sie einen so hervorragenden
Könner, wie Hegenbarth ist, als Lehrer gewonnen hat.
Als künstlerische Persönlichkeit steht er ganz unter dem
Banner seines Meisters Zügel, den er an Virtuosität der
Technik und koloristischer Fähigkeit wohl erreicht, wie
er seine Motive in den Raum bringt, wie er unter
schwierigsten Verhältnissen die farbigen Reize subtilster
Art bei großzügiger Mache herauszuarbeiten versteht,
das verdient uneingeschränkte Bewunderung. Km aus
der Fülle der Gaben einige bezeichnende Werke heraus-
zugreifen, seien als besonders interessant genannt: „Ein
durstiges paar", „Ziegen am Berghang", „Kühe im
Stall" und besonders das kräftige Bild „Unter alten
Eichen". Nach Hegenbarth trat der Marinemaler
Eduard Krause-Wichmann mit einer Sonderausstellung
auf den Plan, die, obgleich manches ganz gute Bild
enthaltend, doch zu wenig eigenes künstlerisches Em-
pfinden offenbarte, um stärker interessiren zu können.
Der Sächsische Kunstverein, der nun auch in-
zwischen seine Pforten wieder geöffnet hat, beweist durch
seine Eröffnungs-Ausstellung, daß die geplanten Re-
formen bereits in Angriff genommen sind. Obgleich
die sehr geschickten Einbauten, durch die in den Seiten-
kosen vorzügliches Licht geschaffen war, leider wieder
entfernt worden sind, so ist doch der Haupteindruck des
großen Saales nach Entfernung der unförmig großen
Karyatiden unterBeibehaltung des rothen, goldverzierten
Wandbehanges ein sehr günstiger. Das Niveau der
ausgestellten Kunstwerke ist durch strenges Sichten
zweifellos ein höheres geworden; es ist mehr als die
Hälfte aller Eingänge von der Jury abgelehnt worden,
und was wir als Rest nun sehen, zeigt sich in recht
geschmackvoller Anordnung als eine über dem Durch-
schnitt stehende gute Ausstellung. Daß der Kunstverein
immer noch Zugkraft hat, beweist der Umstand, daß
auch von auswärts viele Kunstwerke eingegangen sind,
nicht nur aus ganz Deutschland, sondern auch z. B.
eine ganze Kollektion aus Glasgow.
Zunächst seien einige landschaftliche Arbeiten des
jungen Franz Kunz genannt, in denen der Künstler von
Neuem nicht nur sein reifes Können, sondern auch die
Fähigkeit zeigt, mit wenigem und in anspruchslosem
Format stimmungsvolle Eindrücke von seltener Kraft
wiederzugeben. Daß Kunz auch in den Rahmen, die
er wählt, vornehme Zurückhaltung beweist, fällt jetzt
besonders angenehm auf. Hermann Behrens stellt
weiter ein sehr lebensvolles Pastellbild des Bildhauers
Prof. Epler und einige sehr gute Porträtstudien aus;
W. Klmer fällt mit einem farbig eigenartigen Sommer-
abend in Riva auf, in dem der blaue Nachthimmel
reizvoll mit dem elektrischen Straßenlicht, das sich im
blauen Wasser spiegelt, kontrastirt. Der jetzt in München
lebendeAügelschüler Paul Ehrenberg hat zwei vortreffliche
Bilder in seine Heimathstadt gesandt, beide ein Gespann
aus Schimmel und hellfarbigem Ochsen darstellend.
Ein jetzt ebenfalls auswärts, und zwar in Bardowiek
lebender deutscher Künstler, Otto Kaule, bringt einen in

der Stimmung feinen Vorfrühlingsabend, Gertrud
Boeß ein frisch gemaltes Stillleben mit Aprikosen und
der tüchtige Meißner Bernh. Schröter eine Reihe von
Landschaften, von denen besonders eine Abendstimmung,
ein Mondaufgang am Weiher und ein meisterhaftes
Bild „Birken im Schnee" erwähnt seien.
Im vestbül fesselt ein großes Bild von Kuhnert
den Eintretenden; es stellt den Kampf eines mächtigen
Büffels mit einem Löwen, der ihm an die Kehle
gesprungen ist, dar; es ist von packender Lebendigkeit,
wie der gewaltige Stier sich unter dem Bisse des
Raubthieres bäumt, nachdem er die Löwin zur Seite
geschleudert hat; auch das Landschaftliche verdient
rühmende Erwähnung. Ihm gegenüber steht ein
packend lebendiges Stück des Königsbergers G. Heichert,
eine Veteranenversammlung, ein bewegtes, farbig reiches
Bild aus einem großen Restaurationssaale, in dem die
alten Krieger in froher Trinklaune, in blauen Tabaks-
dunst gehüllt, vereinigt sind: eine schon oft ausgestellte
und besprochene Leinwand. Ferner ist eine Kollektion
des Hamburgers Wachenhusen, alles schlicht und fein
gesehene Landschaftsbilder, die etwas sehr Anheimelndes
in ihrer Natürlichkeit haben, nicht zu übersehen. . . Die
Kollektion der „Glasgow-Boys", denen wir meist auch
schon auf hiesigen größeren Ausstellungen begegnet
sind, bringt Arbeiten von James Kay, Docharty, Reid
Murray, Alex Roche, Louise perman und George
pirie; besonders des Letzteren Pferdeweide, die erfreu-
licher weise für die Verlosung des Vereins angekauft
worden ist. Hoffentlich gelingt es dem Kunstverein,
sich dauernd auf der heutigen Höhe der Ausstellung zu
erhalten; es kann nicht ausbleiben, daß sich seine Mit-
gliederzahl wieder hebt und ihm wieder die Rolle im
Kunstleben Dresdens zufällt, die ihm gebührt. Der
weg dazu ist beschritten.
Julius Günther.


Leipziger Runstbericirt.

Ausstellungswesen im Gebiet der Kunst macht
W 1 in Leipzig immer erfreulichere Fortschritte;
neben den privaten Ausstellungen der hiesigen
Kunsthändler bietet namentlich die Ausstellung des
Kun st Vereins im städtischen Museum stets eine Fülle
hervorragender Werke moderner Kunst. Nach der um-
fangreichen und hochinteressanten Segantini-Ausstellung,
neben der noch Werke von Ludwig Richter und Adolf
Menzel zu sehen waren, ist jetzt eine große Zahl
mannigfacher Arbeiten der verschiedensten Künstler-
persönlichkeiten hier ausgestellt. Der schönen, von uns
bereits früher schon näher beschriebenen, für das
Albertinum in Dresden bestimmten Gestalt der „Aphro-
dite" von Hermann prell steht Max Klinger s
überlebensgroße für das Nietzsche-Archiv in Weimar be-
stimmte Büste des Philosophen gegenüber. Das
Grüblerische, das Wagen kühner Gedanken hinter der
hochgewölbten, scharfkantigen Stirn, die rücksichtslose,
vor nichts zurückschreckende Energie tritt in diesem in
Marmor gemeißelten Kopf noch wesentlich stärker her-
vor, als in der ersten, in Bronze ausgeführten Nietzsche-
Büste Klinger's. Gleichzeitig zeigt Klinger neben seinem
neuesten plastischen Werk zwei neue Radirungen, die
 
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