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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 16
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Wolf, Georg Jacob; Lenbach, Franz von [Honoree]: Franz von Lenbach †
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Nr. f6 Die Kunst-Halle. 2^3

kamen. Ich malte Alles, was man gemalt haben
wollte, Porträts, Votivtafeln, Schützenscheiben, Fahnen,
Schilder und anderen Kram dieser Art."
In die große Welt der Kunst, in das weite Deich
der Schönheit schaute Lenbach zum ersten Mal in
München. Da hatte der junge Kunstbeflissene und
Kunstbegeisterte von irgend einem „weitgereisten"
Schrobenhauser von der Münchner Pinakothek gehört.
Und nun brannte die Sehnsucht in ihm. Lines Morgens
machte er sich auf. von Schrobenhausen nach München
sind es neun deutsche Meilen. Lenbach ist den weg
in einem Stück gegangen, um vier Uhr Morgens brach
er in Schrobenhausen auf, um zwei Uhr Dachmittags
war er in München.
Und nun stand er und sah eine neue Welt. Rem-
brandt und Rubens, aber besonders die Italiener
waren es, die ihn begeisterten. Mit den naiven Augen
des Bauern stand er vor den Bildern der alten Meister
und staunte und staunte. Der Besuch der Pinakothek
war entscheidend für ihn: nun stand es fest, daß er
Maler werden würde. Professor Geyer in Augsburg
gab ihm den ersten Unterricht, dann, nach des Vaters
Tod, zog er mit ein paar Gulden in der Tasche nach
München, wo Gräfle und piloty seine Lehrer wurden.
s858 sollte sein brennendster Wunsch erfüllt werden:
piloty nahm ihn mit nach Rom. Da brach sein
„Sonnenfanatismus" los. Lr wurde der erste Freilicht-
maler. Der bedeutsamste Niederschlag seiner damaligen
Kunstrichtung ist „Der Hirtenknabe" in der Schackgallerie
zu München. Ls gehörte schon ein eminenter Muth
dazu, im Jahr s860 ein solches Stück nackten Realis-
mus zu schaffen. Dieses Bild hat denn auch nicht nur
im Lebenswerk Lenbach's, sondern in der neueren
Kunstgeschichte überhaupt seinen festen Platz. — Zur
nämlichen Zeit entstanden nun auch Lenbach's erste
Porträts. Lr wurde schnell bekannt. Aber nicht immer
günstig. Seine Art und Kunst bedeutete einen Bruch
mit aller Tradition. Man dachte an Winterhalter's
graziöse, schönfärberische Kunst und stellte Lenbach's so
gar nicht schmeichelnde Porträts dagegen. Die Zeit
war noch nicht gereift für seine Kunst.
Aber doch erfreute er sich schon eines solchen
Rufes, daß man ihn, der: 2^ jährigen, zugleich mit seinen
Freunden Böcklin und Begas an die Kunstschule nach
Weimar als Professor berief. Aber ebenso wenig wie
seine Freunde war er von der neuen Stellung sonderlich
entzückt. Lr wußte im Voraus, daß sie für chn nur
ein Intermezzo bedeute. Schon f862 ist er wieder weg
und tritt nun in das enge Verhältniß zum Baron,
späteren Grafen Schack. Dieser Bekanntschaft verdanken
wir die wunderbaren Kopien alter Meister, von denen
Schack selber meinte, daß sie „mit dem Original ver-
tauscht werden könnten, ohne daß Jemand es merken
würde."
Zuerst ging es wieder nach Italien. Liebevoll
versenkte sich Lenbach in das Studium der alten Meister,
besonders der venetianer. Tizian, Giorgione, Paris

Bordone, Paolo Veronese heißen seine neuen Götter.
Der robust gepflegte Naturalismus, der sich im „Hirten-
knaben" ausgesprochen, ist überwunden, nur in seinen
besten, brauchbarsten, entwicklungsfähigsten Elementen
bleibt ein Stück naturalistischer Darstellungskunst in des
Meisters späteren Werken lebendig, sonst aber ist es
das Venedig des Cinquecento, das in ihm erwacht und
eine frohe, farbenfreudige Auferstehung feiert. Die
spätere genaue Bekanntschaft mit den Werken Rem-
brandts, Rubens', Van Dyck's, Velasquez's, Gains-
borough's und Reynolds' hat Lenbach zweifellos beein-
flußt und gefördert, aber sie konnte die Grundrichtung
seiner Kunst nimmer ändern: Die Venetianer waren
sein Schicksal geworden.
s867 geht er mit Schack nach Spanien. Man mag
die mancherlei Eindrücke, die die beiden da gewannen,
in Schack's Buch von den Künstlern seiner „Gemälde-
gallerie" nachlesen. Für Lenbach bringt die Reise
erneute, vertiefte Bekanntschaft mit den Klassikern der
Malerei. In Madrid kopirt er das berühmte Trzianische
Reiterporträt Karl's V., es ist die glänzendste Kopie,
die die Kunstgeschichte kennt. In Spanien wurde Lenbach
auch zum Landschaftsmaler. Die Alhambra, den Tocador
de la Reina, die Vega von Granada hat er gemalt.
Alle die Landschaften hängen heute in der Schackgallerie.
Ls sind keine guten Landschaften im landläufigen Smn.
Aber sie besitzen ein ungleich Werthvolleres, etwas,
das eben den Porträtisten Lenbach auch charakterisirt:
Das ist nicht ein bloßes Abschreiben der Natur, sondern
eine seelische Vertiefung, ein Herausarbeiten und Ent-
hüllen der Seele der Landschaft. — Im nämlichen
Jahr s867 erringt Lenbach auch seinen ersten großen
äußeren Erfolg: Auf der pariser Weltausstellung
erregen feine Porträts ungeheueres Aufsehen, — er
erhält die goldene Medaille. Nun liegt die Zukunft
vor ihm. Alle Thüren thun sich ihm auf, aus Kaiser-
burgen und Gelehrtenstuben und Kommerzienrathspalais
läuft man in sein Atelier, ruft man nach ihm. So
wird er zum Maler der großen Männer seiner Zeit.
Voran die Schöpfer unserer deutschen Einheit: Kaiser
Wilhelm, Bismarck, Moltke. Dann alle Persönlich-
keiten von Ruf und Geist in diesem neuen Deutschen
Reich: Mommsen, Schack, Döllinger, pettenkofer, Paul
Heyse, Bennigsen, Wilhelm Busch, Richard Wagner,
Liszt, Lachner, piloty, Helmholtz, BischofStraßmayer, selbst-
verständlich auch so ziemlich alle Reichsfürsten. Lenbach
erschien dem Ausland als der Maler des neuen
Deutschen Reichs. Und wer dieses Deutsche Reich liebte
oder bewunderte, der verlangte von Lenbach gemalt
zu werden. Gladstone, Minghetti waren die Ersten,
dann öffneten sich ihm auch die Thüren des Vatikans.
Der Bismarckmaler — so hat man ihn ja wohl genannt
und so nannte er sich selber mit freudigem Stolz —
malt Leo XIII! Und nun strömten aus aller Welt die
Leute zusammen, um sich von Lenbach, der seit f886
ständig in München wohnte, malen zu lassen.
Und immer mehr drängen sich nun die Frauen in
 
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