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Die Kunst-Halle — 9.1904

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Nummer 16
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Wolf, Georg Jacob; Lenbach, Franz von [Honoree]: Franz von Lenbach †
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2H2 Die Kunst-Halle. Nr. s6

unermüdliche Meister, trotzdem er den Tod schon am
Herzen sitzen hatte, muthig vor der Staffelei stand, daß
er wieder seinen pinsel rührte und markige Männer-
oder zarte, süße Frauen aus dem Braundunkel seines
altmeisterlichen Hintergrundes hervortreten ließ.
Unvollendet stehen heute seine beiden letzten Arbeiten
in dem weiten, nun still gewordenen Atelier: es sind
Porträts zweier amerikanischer Damen. Aus den tiefen,
mandelförmigen Augen blicken sie traurig und melan-
cholisch in die Welt. Fast möchte es Einem scheinen,
als hätte Lenbach alle die Schwermuth und das Gefühl
des Unterliegens, die wiederholt und immer stärker auf-
tretende Muthlosigkeit in diese vier Frauenaugen hinein-
gelegt. Denn das war ja immer seine große Kunst,
daß er aus den wundersamen Porträts, die er schuf,
nicht nur die Seelenstimmung feines Modells, sondern
auch die eigene sprechen lassen konnte: Der Moltke
sprach von Ruhe, von Bescheidenheit, aber aus ihm
sprach Lenbach: „Seht, der Mann ist ein Held'" Die
Frau freute sich ihrer Anmuth mit dem unbesorgten Muth
der fugend, und Lenbach sagte durch dieses Bild zu
uns: „Ich liebe die Schönheit, die Schönheit ist mir
Gebet."
Heldenthum und Schönheit — das war es, was
Lenbach zu malen verstand, das war das große Ge-
heimnißvolle seiner reifen Kunst.
Reif war seine Kunst, von einer süßen Reife, der
zur rechten Zeit aber auch das Herbe, das vor Ver-
flachung bewahrt, nicht fehlte. Seit dreißig Jahren
fast zog Lenbach in ruhiger Stetigkeit dahin, seit dreißig
Jahren hat er auf der ganzen Linie sich einen vollen,
ehrlichen, verdienten Erfolg errungen, wenn uns eins
trösten kann, so ist es diese Abgeschlossenheit der Ent-
wicklung. wir haben beim Tod Lenbach's eine ähn-
liche Empfindung, wie beim Tod Böcklin's: Er hat
sein Werk vollendet, groß, ragend, fertig steht es da.
was er uns noch hätte sagen wollen und sagen können,
das hätte an dem Gesammteindruck, den wir von
Lenbach's künstlerischer Persönlichkeit haben, nichts mehr
zu ändern vermocht. Und so löst sich die herbe, zer-
reißende Trauer, die wir im Moment des Todes hatten,
langsam auf in elegische Resignation. Ls fehlt jenes
bittere Zusammenzucken, das uns durchfährt, wenn wir
vom Tod eines Künstlers hören, der am Wege starb,
mitten im Ringen nach dem Höchsten. Lenbach hat
dies Höchste, die Reife, besessen, — ohne daß wir an
seinen Tod dachten, war er, wie alle ganz Großen, für
uns schon eine historische Persönlichkeit, so lange er noch
unter uns wandelte.
wenn man Lenbach in seinem Atelier gegenüber-
saß, wenn man ihm in das interessante, durcharbeitete
Gesicht blickte mit den funkelnden Augen, die hinter
den dicken, runden Brillengläsern blitzten und so sehr
Ibsen's Augen glichen, wenn man ihn fluchen und
poltern hörte über die heillosen Mißstände in einer ge-
wissen Sorte moderner Kunst, wenn er sich begeisterte
und in Erinnerungen froher Stunden der Freundschaft

schwelgte, so war das ein anderer Mann, als den wir
aus seinen Bildern kannten. Das war ein Künstler
mit vielseitigen Interessen, das war der großherzige
Mensch, der seine Kraft für die Gesammtinteressen der
Künstlerschaft opferwillig bereitstellte, das war der
Kavalier, der Kaiser und Fürsten in seinem Haus und
als seine Gäste sah, das war der nimmermüde Kämpfer,
der seine derbe Bauernnatur, die ihm physische Kraft
und jenes bewundernswerthe, wurzelständige Selbst-
bewußtsein gab, nicht verleugnete, sondern stolz darauf
war, aus einem Bauerngeschlecht hervorgewachsen
zu sein.
Der Lenbach aber, den wir aus den Porträts der
Großen und Schönen dieser Welt kennen, der in seinen
Gemälden das Epos des Heldenthums und der Grazie
unserer Zeit gesungen, der war ein Anderer. Das
war irgend ein venetianischer Malerfürst, ein neuer
Tizian, der mit stolzer Gebärde, in weite, wallende
Kleider gehüllt, einhergeht, dessen Blick an den Sternen
hängt, der fern von der Welt und ihren kleinen Sorgen
und Freuden den ungezügelten Rausch der Schönheit
und des Heldenthums im Herzen trägt. —
Dem Sohn des armen, aber mit Kindern überreich
gesegneten Schrobenhauser Maurermeisters Lenbach
hätte man nicht prophezeien können, daß er einst auf
dem höchsten Gipfel künstlerischen Ruhms thronen
werde. Der Vater, ein braver Mann, der schon
Morgens vor Tag bei der Arbeit war, um für Weib
und siebzehn Kinder zu schaffen, dachte nicht daran,
und der junge, am so. Dezember s836 geborene Franz
dachte auch nicht daran. Er ging mit dem Vater zur Arbeit,
er sollte ein Maurer und wenn es weit kam, vielleicht
auch dereinst ein Maurermeister werden. Lenbach hat
selber einmal von seiner Jugend und den primitivsten
Anfängen seiner Kunst erzählt: „Meinem Vater mußte
ich im Geschäft helfen und oft an den Plänen mit-
zeichnen. Das gefiel mir aber gar nicht; mir thaten
die Augen weh von dem scharfen Zeichnen mit Lineal
und Reißfeder. Ich kritzelte lieber am Rande allerlei
Geschichten, das ging mir viel besser von der Hand.
Auch Porträts machte ich damals schon mit Leichtig-
keit. Da war ein gewisser Hofner, ein Thiermaler, der
sehr schön zeichnete. Dem gefielen meine versuche sehr
und er ermuthigte mich nach Kräften, Maler zu werden.
So kam es, daß ich schon mit sechzehn Jahren mein
Brot als Maler zu verdienen anfing. Ich malte Alles,
was vorkam, besonders Votivbilder, war irgendwo
ein Unglück geschehen oder ein Bäuerlein aus dringender
Lebensgefahr errettet worden, so mußte ein Bild nach
Altötting gestiftet werden. Auf so einem Bilde standen
oder knieten wie Orgelpfeifen der Bauer, die Bäuerin
und die Kinder nach der Größe aufgestellt. Ich bekam
einen ganzen Gulden per Kopf, und das machte bei
fruchtbaren Familien oft eine recht hübsche Summe.
Mein Ideal war damals, einen Gulden per Tag zu
verdienen, und ich war damals viel glücklicher als
später, wo mir die Gulden viel zahlreicher in's Haus
 
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