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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 2.1908

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Heft VI (Juni 1908)
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Brünger, L.: Unsere Dorfkirchen
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Brünger, L.: Ueber künstliche und natürliche Kränze
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https://doi.org/10.11588/diglit.31819#0058
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bauen wir aus Backsteinen und bemalen sie, als wären es Sandsteinquadern. Gotisch
sollen unsere Kirchen sein, als ob wir modernen Menschen noch den Geist der
Alten hätten. Denn aus dem Geiste der damaligen Zeit sind Baustile entstanden.
Wir sind andere Menschen, wir sind nüchterner, lassen den Verstand mehr walten
als das Gefühl. Deshalb muss auch naturgemäss alles, was wir machen, nüchterner,
sachlicher sein, als die Werke früherer Zeiten. Wollen wir aber in der Weise der
Alten bauen, so wirken unsere Bauwerke tot und kalt. Die Formen bilden wir nach,
ängstlich genau, aber es fehlt das ursprüngliche Leben. Die Alten haben sich auch
nicht sklavisch an ein Muster gehalten, sondern sie haben frei geschaltet mit den
in ihrer Zeit gebräuchlichen Bauformen, die ein Ausfluss ihres inneren Lebens und
Empfindens waren.
Wurde aber in irgendeinem Dörflein eine Kirche gebaut, so schufen die ein-
heimischen Bauleute aus der landesüblichen Bauweise heraus das Gotteshaus und
holten sich ihre Vorbilder nicht aus einer längstvergangenen Zeit oder aus einer
fremden Gegend. So sind die wunderlieblichen Kirchlein entstanden, ein Schmuck
der Landschaft, weil sie in die Landschaft passen.
Ich wollte, ich könnte den Lesern all die lieben Kirchlein in Bildern vor- ■
führen! Aber wer ein Gefühl für schlichte Schönheit hat, wird schon von selbst
auf sie achten und sich an ihnen freuen. Wer kein Verständnis dafür hat und auch
keins gewinnen will, dem ist auch durch Bilder nicht zu helfen. Dem geht aber
eine Fülle edelster und feinster Genüsse verloren. Solch ein Mensch wird auch
ferner ruhig zusehen, wenn die schlichte Schönheit unserer Kirchen erbarmungslos
zerstört wird, wie es leider so oft geschieht. Da sieht man z. B. Fachwerkkirchen,
die inwendig ausgemalt sind, als wären sie aus mächtigen Sandsteinquadern erbaut,
und als wären die Wände unten herum bis zu 1 m Höhe mit Teppichen behangen.
Ja, das .,Nach-Etwas-Aussehen-Sollen“, die lügnerische Protzerei, das ist der Fluch
unserer Kultur.
Die Lüge scheut sich selbst nicht vor dem Altäre, oder sind künstliche Blumen
aus Papier, Blech und Draht keine Lügen? Ich sage, es sind zu Körpern gewor-
dene Lügen! Aber wie oft findet man sie noch auf den Altären, wo wir doch nur
in die volle blühende, grünende, duftende Natur hineinzugreifen brauchen. Jeden
Sonntag ein frischer Strauss auf dem Altar, im Winter ein grüner Tannen- oder
Stechpalmenzweig, wie lieblich und schön! Wem das aber zu mühsam ist, der lasse
allen Blumenschmuck weg. Schmuck ist nicht nötig, auch nicht im Gotteshause,
aber Wahrheit ist nötig, vor allem im Gotteshause. Können wir die grossen Fehler
an unseren Kirchen nicht ändern, so lasst uns die kleinen wenigstens beseitigen.
L. Brünger.

Ueber künstliche und natürliche Kränze.
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Sie begruben ein Kind. Ein halbes Jahr war es nur alt geworden. Nun stand der
kleine Sarg auf der Dehle des Elternhauses und drum herum standen die traurigen
Eltern und Geschwister und im weiteren Kreise die übrige Trauerversammlung.
Draussen grünte und blühte der Frühling; wohin man sah, leuchtete Blume auf Blume.
Den Sarg, der einen lieben Leichnam birgt, schmückt man ja gerne mit Kränzen.
Das sind die letzten Liebeszeichen, die man einem teueren Toten bringen kann.
Was wäre da natürlicher gewesen, als hinauszugehen und Blumen zu pflücken,
Marienbliimchen und Veilchen und Vergissmeinnicht und daraus Kränze zu winden
für das tote Kind, das ja selbst einer kleinen verwelkten Blume glich. Aber meint
Ihr, es wäre auch nur ein einziges Blumenkränzlein dabei gewesen? Nein, auch
nicht eines! Kränze waren wohl da, aber Kränze aus Blech und Draht und Papier;
Kränze, die da prahlten und logen: „Wir sind Palmenwedel, wir sind Kosen“, und
waren es nicht. Sie dufteten nicht, sie rochen nach Lack, sie leuchteten nicht aus
lieblichen Blumenaugen, sie rasselten, denn sie waren aus Draht und Pappe, oder
sonst aus irgendeinem gemeinen Stoffe; gemein darum, weil er log und betrog.
 
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