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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 2.1908

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Heft IX (September 1908)
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Hahn, Robert: Dritter Internationaler Kongress zur Förderung des Zeichenunterrichts
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https://doi.org/10.11588/diglit.31819#0098
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ihr Ehrenamt so ernst, dass sie die ganze Woche nicht vom Stuhle wichen. Es ist
ein entschiedener Mangel, wenn der Vorsitzende nicht alles versteht, was gesprochen
wird. Dabei waren Fachleute zur Stelle wie Boos-Jegher und Frits chi-Zürich,
welche seinerzeit die Verhandlungen des Berner Kongresses in vorzüglicher Weise
geleitet hatten und sämtlicher drei Kongresssprachen vollkommen mächtig sind.
So begrüsste denn Lord Carlisle in längerer englischer Bede die Versammlung. Hierauf
wendete er sich ebenso an die Franzosen, während er den Deutschen gegenüber
gerade noch sich entschuldigen konnte, dass er nicht Deutsch könne. Damit war
das Vormittagsprogramm erschöpft.
Nachmittags 2 Uhr begannen
die Vorlesungen. Die jeweiligen Vor-
träge des Tages waren zwecks Nach-
lesens auch auf Fahnenabzügen ge-
druckt zu haben. Keiner durfte länger
als 15 Minuten währen. Regelmässig
wurden zuerst sämtliche Vorträge
der Sitzung verlesen und dann die
Diskussion eröffnet.
Von deutscher Seite wurde
gleich zu Beginn der Antrag ge-
stellt, dass die Diskussionsreden, wie
seinerzeit in Bern, wenigstens im
Hauptinhalt sogleich verdolmetscht
werden sollen. Die Engländer, die
naturgemäss weitaus die Mehrzahl
bildeten, waren jedoch so liebens-
würdig, den Antrag niederzustimmen.
Dadurch, sowie durch die grosse Zahl
englischer Vorträge wurde der Kon-
gress um ein gut Teil seines inter-
nationalen Charakters entkleidet und
in der Hauptsache zu einem eng-
lischen gestempelt. Das Interesse
der deutsch redenden Mitglieder wie
auch der Franzosen, die ja in der
Regel keine fremde Sprache reden,
war dadurch von Anfang an unter-
bunden. Der Besuch der Versamim
Jungen war denn auch trotz grösserer
Mitgliederzahl schwächer als in Bern,
wo zudem meist gleichzeitig in zwei
Abteilungen getagt wurde. Diemeisten
Zuhörer waren lediglich Englände-
rinnen und Amerikanerinnen. Nun
waren sie ja gewiss nicht uninteressant, diese schmalen, meist überhohen, dünn-
beinigen, flachen Gestalten mit den hübschen Gesichtern, doch hier wollten wir
anderes sehen und hören.
Gleich der erste Nachmittag war durchaus englisch, dazu von wenig interes-
santem Stoff. So zogen wir vor auszukneifen und anderwärts Studien zu machen.
Das Londoner Volksleben wollten wir kennen lernen, und dazu war heute vorzüg-
liche Gelegenheit. Der erste Montag im August ist einer der 4 englischen Bank-
holidays, wro alle Geschäfte geschlossen sind. Draussen in Hampstead ist da reges
Leben und Treiben. An den Strassen die üblichen Jahrmarktbuden fünfter oder
sechster Güte, und auf dem Rasen des hügeligen Barkes lagern, schäkern und
kollern Tausende und Abertausende von Menschen. Wir schlendern durch die
fröhlichen Gruppen, uns an dem Anblick weidend. 0 see my boy! ruft da eine
 
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