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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 3.1909

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Heft V (Mai 1909)
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Kolb, Gustav: Die Organisationsarbeit des Stadtschulrats Dr. Kerschensteiner in München, [2]: ein Bericht über das Münchener Fortbildungsschulwesen sowie über den Handarbeits- und Zeichenunterricht der Münchener Volksschulen
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https://doi.org/10.11588/diglit.33469#0082

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G6

sung von Meistern, der wir ab und zu im eigenen Unterricht begegnen, und die dahin geht,
dass Zeichnen, insbesondere das nach der Natur für den Chemigraphen wertlos sei.
In dem Schulhaus an der Pranckstrasse hatten wir noch Gelegenheit, Werk-
stätten für verschiedene Metallbearbeitungsberufe kennen zu lernen, z. B.
eine für Schmiede, eine andere für Zinngiesser.
Jeder Besucher muss von diesem Unterrichtsbetrieb den günstigsten Eindruck
und die Ueberzeugung gewinnen, dass er recht fruchtbringend sein muss. Mir
wurde es ganz warm ums Herz, wenn ich die Lehrlinge um ihren Meister und
Lehrer versammelt sah und zuhörte, wie er ihnen in einer Pause, während die
praktische Arbeit ruhte, die nötige theoretische Belehrung gab und noch mehr,
wenn ich die kleinen Gestalten selbst arbeiten sah, etwa am Ambos hämmern oder
am Blasbalg und an dem Schmiedefeuer geschäftig hantieren sah. Das waren
schöne Bilder, die jedem Jugendbildner sich unvergesslich einprägen werden. Jeder
Tieferblickende wird aber auch vornehmlich den grossen ethischen Wert er-
fassen, der in solcher Schularbeit liegt.
So kann ich am Schluss meiner Ausführungen berichten, dass meine günstige
Ansicht, die ich zuvor von den Organisationsbestrebungen Dr. Kerschensteiners
aus sein en Schriften gewonnen hatte, durch den Besuch der Ausstellung und weit
mehr noch durch den Besuch der Schulen selbst sich wesentlich gefestigt hat.
K. hat mit seiner Volksschul- und Gewerbeschulorganisation ein Werk geschaffen,
das ohne Zweifel für das wirtschaftliche und staatsbürgerliche Leben der Stadt
München und des bayrischen Staates von grösster Bedeutung ist und noch mehr
werden wird. Dieses bedeutende Werk wird aber auch weit über die bayrische
Grenze hinaus vorbildlich wirken, wenn es auch nur in wenigen grossen Städten
in allen Teilen nachgebildet werden kann; denn einmal lohnt es sich nur da,
Lehrwerkstätten für die verschiedenen Gewerbe zu errichten, wo diese Gewerbe
zahlreich vertreten sind und dann müssen reichliche Geldmittel vorhanden sein.
Für die Lehrwerkstätten müssen Schulen gebaut werden und die Klassen selbst
müssen im praktischen Unterricht, wenn etwas Erspriessliches geleistet werden soll,
gespalten werden. K. selbst berechnet die Mehrausgabe, die seine Organisation er-
fordert, gegenüber der landläufigen 8stündigen Fortbildungsschule auf etwa 50 Pro-
zent. Daraus erklärt sich auch, dass gerade gegenwärtig in einer Zeit der wirt-
schaftlichen Depression vielfach noch Bedenken gegen die Einführung dieser Orga-
nisation erhoben werden, die bei dem wirtschaftlichen Aufschwung, der uns bevor-
steht, sicher mehr und mehr verschwinden werden.
Ganz besonders möchte ich noch auf den vorzüglichen Lehrkörper, den
K. seinen Schulen zu erwerben verstanden hat, und den vorzüglichen Geist, der
diesen Lehrkörper beherrscht, hinweisen. Bei allen unseren Besuchen kam fast überall
die Begeisterung bei Lehrern und Vorständen für die ihnen anvertraute Arbeit un-
verkennbar zum Ausdruck. So muss es sein, wenn ein grosses Werk gedeihen soll.
K. ist bestrebt, wie wir da und dort gelegentlich erfahren haben, nur vor-
zügliche Lehrkräfte für seine Schulen zu gewinnen; dabei gilt immer der Grund-
satz, den rechten Mann an den rechten Platz zu stellen und jedem Lehrer nur
das Gebiet anzuvertrauen, das er voll beherrscht. Er sucht deshalb auch die Kon-
zentration des Unterrichts, die auch er mit Recht fordert, allein in der Verknüpfung
und Durchdringung der Lehrgebiete. Davon, alle Fächer einer Fachklasse in die
Hand eines und desselben Lehrers zu legen, is^ man in München nach misslungenen
Versuchen endgültig abgekommen. Und die Leitung des Münchner Gewerbeschul-
wesens steht heute auf dem Standpunkt, dass eine Gewerbelehrerausbildung, die
mehrere Fachgebiete in sich zwingen will, zu einem gefährlichen Dilletantismus führe.
Wie weitsichtig und weitherzig die Leitung des Münchner Gewerbeschulwesens
auch sonst verfährt, möge daraus ersichtlich sein, dass sie strenge darauf sieht,
dass die Lehrkräfte nicht im Schulbetrieb versauern, was bei einseitiger Schularbeit
und bei Ueberlastung mit Unterrichtsstunden, wie wir alle wissen, bei jedem Lehrer
fast unausbleiblich ist. Inspektor Schmied, der mit Grund die rechte Hand des
Stadtschulrats Dr. Kerschensteiners genannt werden kann, äusserte sich uns gegen-
 
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