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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 3.1909

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Heft VI (Juni 1909)
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Kolb, Gustav: Zeppelin in Göppingen: eine Uebung im Gedächtniszeichnen
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Heft VII (Juli 1909)
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Kolb, Gustav: Unser Bericht über den Zeichenunterricht an den Münchner Volksschulen und seine Folgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.33469#0112

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Während der eine Schüler nur sachlich und nüchtern wiedergibt, was er gesehen,
gestaltet sich dem andern der Vorgang zu einem seelischen Erlebnis, dessen
Empfindungswerte in Form und Farbe ihren Ausdruck finden. Man vergleiche
daraufhin Abbildungen 1, 2 und 3. Abb. 1, von einem Schüler der ersten Zeichen-
klasse gezeichnet, zeigt Anklänge an eine photographische Aufnahme, die da
und dort zu sehen war. Obwohl die Arbeit unter meiner Aufsicht in der Schule
entstand, also die direkte Benützung eines derartigen Vorbilds vollständig ausge-
schlossen ist, ist eine derartige Beeinflussung nicht ausgeschlossen. Wie Abb. 1
enthält auch Abb. 2 eine rein objektive Wiedergabe des Gesehenen, während der
Zeichner von Abb. 3 (III. Zeichenklasse) eine jener Leistungen hervorbrachte, die
wir mit Recht zu der „Kunst des Kindes“ rechnen. Das Original des Bildchens
ist mit Farbstift gezeichnet; besonders das Kornfeld und die blauen Berge im
Hintergrund sind hübsch zur Darstellung gebracht. Obwohl der Schnitter wesent-
liche Zeichenfehler aufweist, freuen wir uns doch an dem geistigen und seelischen
Gehalt der Arbeit, die weit mehr als Beobachtung enthält; sie ist vielmehr intuitiv
aus einem inneren Vorstellungsbild heraus gestaltet.
Der Zeichner von Abb. 4 wollte, wie er mir erklärte, die Wirkung darstellen,
die das Auftauchen von zwei Luftschiffen über der englischen Küste hervorbringt,
ein ganz netter witziger Einfall. Ob der Zeichner irgendwie beeinflusst war, kann
ich nicht beurteilen.
Die weiteren Abbildungen (5 — 9) sind Wiedergaben besonders gelungener,
farbig durchgeführter Arbeiten. Sie zeigen eine Steigerung in der Beherrschung
der Ausdrucksmittel. Bei den 3 letzten Arbeiten kann man mit Recht von einer
bewussten Komposition sprechen. Man beachte z. B. bei 9 die Anordnung des
Wolkenstreifens, die absichtlich in der entgegengesetzten Richtung zur Lage des
Luftschiffs angeordnet ist. Wenn unsere Abbildungen auch den farbigen Eindruck
wiedergeben würden, würde der Leser noch einen überzeugenderen Eindruck davon
gewinnen, wie die Früchte des systematischen Zeichenunterrichts bei solchen Auf-
gaben unverkennbar zum Ausdruck kommen. Bei Vergleichungen der Klassen-
leistungen würde er dann aber auch sehen, dass bei solchen Gedächtnis- und
Phantasiezeichnungen eine Steigerung der Leistungsfähigkeit mit der übrigen
geistigen Reife der Schüler Hand in Hand geht. Bekanntlich wird das auch
heute noch von mancher Seite bestritten. G. Kofi).

Unser Bericht über den Zeichenunterricht an den Münchner
Volksschulen und seine Folgen.
Der „Bayrische Kurier“ bringt unter der Ueberschrift: ,,Endlich wird
es Tag!“ folgende Auslassungen, mit denen mir uns beschäftigen müssen:
„In Heft 6 der Zeitschrift südd. Zeichenlehrervereine „Kunst und Jugend1 schreibt
Oberreallehrer G. Kolb in Göppingen eingehend über die Organisationsarbeit des Münchner
Stadtschulrates und kommt dabei trotz allen Lobes, das er Herrn Dr. Kerschensteiner sonst
spendet, doch zu sehr bedeutungsvoller Verurteilung. Er führt in sachlichster Weise aus,
dass das sogenannte Naturzeichnen an der Volksschule nur ein aufgezwungener Drill ist,
eine dem kindlichen Verständnis fernliegende Manier, die ganz unpsychologisch das Kind
zwingen will, durch die Brille des Lehrers zu sehen, und fragt mit Recht, inwiefern ein
solch schematisches Verfahren, das von Naturbeobachtung weit entfernt ist, dem früheren
Ornamentkopieren überlegen sein soll. Zu gleichen Schlüssen kommt der Kritiker, welcher
persönlich einige Münchner Volksschulen inspiziert und s*ich den Betrieb genau angesehen
hat, in bezug auf die Farbe.
Die Details sind für Fachblätter interessant, die gesamte Oeffentlicbkeit aber geht
ein Passus an, den Herr Kolb, der mit so grossem Reklamelärm von der liberalen Presse
gefeierten Schulausstellung widmet, die bekanntlich schon höchst abfällige Urteile von
Seiten wirklicher Fachmänner und Kenner herausgefordert hat. Oft ist schon behauptet
worden, dass die ausgestellten Schülerarbeiten höchst eingehende „Korrekturen“ zeigten;
ja manchmal haben Kenner, welche die Zeichnungen durchgingen, wie Herr Kolb sagt, in
ihrer Entrüstung den Ausdruck „Schwindel“ gebraucht! Der Göppinger Kritiker berichtet
nun wörtlich:
„Diese Arbeiten waren sämtlich verbessert und zwar hat Inspektor Steiger-
wald, wie er mir persönlich mitteilte, in diesem besonderen Falle die Korrektur eigenhändig
vorgenommen.“
 
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