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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 3.1909

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Heft IX (September 1909)
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Erhardt, Hans: Hans Erhardt †
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Schwarz, E.: Das Zeichnen in der Volksschule und seine Verwertung im Unterricht, [2]: Vortrag des Herrn Zeichenlehrers E. Schwarz Karlsruhe, gehalten am 23. Mai d.J. bei der Generalversammlung des badischen Zeichenlehrervereins in Gengenbach
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https://doi.org/10.11588/diglit.33469#0143
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eines Jahres erhielt ich meine Versetzung an die Realschule in Heidelberg im
Jahre 1891. Hier verwaltete ich zuerst die Stelle eines Zeichenlehrers, die mir
dann im Herbst 1892 als etatsmässig zuerteilt wurde.
Noch in demselben Jahr schloss ich den Bund der Ehe mit Elisabeth Wandres
aus Willstedt. Dieser Ehe sind zwei Mädchen entsprossen.
So manches Jahr wanderte ich vereinsamt durchs Leben; nun habe ich ein
trautes Heim in meiner Familie und einen Ort der Wirksamkeit gefunden, an
welchem ich mich glücklich fühlen kann. Darum soll auch fernerhin meine Losung
sein: Treue Pflichterfüllung. _ _ Heidelb erg, 6. Mai 1899.
Das Zeichnen in der Volksschule und seine Verwertung im
Unterricht.
Vortrag des Herrn Zeichenlehrers E. Schwarz-Karlsruhe, gehalten am 23. Mai d. J. bei
der Generalversammlung des badischen Zeichenlehrervereins in Gengenbach.
(Schluss.)
Wie aber sollen wir den jungen Menschen zum Kunst- und Naturgenuss er-
ziehen? Sollen wir jeden Menschen zu einem Künstler stempeln? Jeder Mensch muss
Künstler sein auf seine Art. In jedem Menschen und in jedem Kinde steckt etwas
Geniales, und wenn wir ein Kind zu beobachten fähig sind, dann werden wir er-
kennen , wie reich diese Kindesnatur angelegt ist. Die künstlerische Natur im
Menschen kann und muss ausgebildet werden, damit er der Eindrücke in Natur
und Kunst zu leben fähig ist!
Wir können einen Menschen niemals durch Belehrung zum
Schönheitsempfinden erziehen, s o'n dern wir müssen ihn gl eich unter
die Schöpfungen der Natur und Kunst stellen! Diese Schöpfungen
müssen auf den jungen Menschen einwirken ganz allein ohne jeden Nebenzweck.
Woher kommt es denn, dass heutzutage, wo doch soviel für die Kunst und
für das Schöne getan wird, so wenig Menschen fähig sind, wirklich künstlerisch
zu empfinden? Weil sie nicht von Jugend auf an das Schöne und die Schönheit
gewöhnt wurden, weil ihr Schönheitssinn nicht geweckt und gefördert wurde!
Mit dieser Pflege des Schönheitssinnes müsste schon im Elternhause begonnen
werden; aber was finden Sie gar oft in unseren modernen Wohnungen? Den rein-
sten Kauf lad en, der mit allerlei Plunder angefüllt ist und in dem sie jeden Augen-
blick zu gewärtigen haben, etwas von den Herrlichkeiten umzuwerfen; nichts wie
Ecken und Winkel und Farben, die nicht zusammen harmonieren; alles wirkt be-
unruhigend, ein Eindruck schlägt den andern tot; man wird verwirrt, nervös!
In einer solchen Wohnung finden Sie niemals den Eindruck der Häuslichkeit,
der Ruhe, der Gemütlichkeit.
Trachten wir doch darnach, die Stätte unseres Heims, die ja
doch zunächst für den jungen Menschen das al 1 er wich tigste ist,
einfach, gemütlich und ruhig auszustatten!
Wo Ruhe und Harmonie ist, da ist auch Schönheit!
Betrachten Sie die Natur! Hier ist alles einfach und gerade in der Einfach-
heit so schön und in der Einfachheit so harmonisch!
Ich habe vorhin gesagt, wir sollen den jungen Menschen direkt unter die
Schöpfungen der Kunst und Natur stellen.
Wir beschreiben z. B. in der Naturgeschichtsstunde die Rosskastanie. Der
Lehrer geht mit seinen Schülern hinaus auf den grossen Schulhof, wo inmitten des
Platzes ein prächtiger Baum steht. Lehrer und Schüler lassen zunächst den Ein-
druck des Baumes auf sich einwirken. Dann spricht der Lehrer:
Wenn im Spätjahr der Saft in den Bäumen zurücktritt, dann fangen die
Blätter an, gelb zu werden und fallen ab, weil sie schliesslich keinen Halt mehr
finden, da sie die innere Kraft zum Leben nicht mehr besitzen. Wir sagen: Der
Baum — oder die Natur — stirbt. Der Baum ist scheinbar tot; alles in ihm
und an ihm ist gestorben. Kraftlos scheint er dazustehen, preisgegeben der rauhen
Winterkälte und den eisigen Winterstürmen! Doch nur Wochen verstreichen, und
 
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