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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — 3.1909

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Heft XI (November 1909)
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Pudor, Heinrich: Textilornamentik
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https://doi.org/10.11588/diglit.33469#0166

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142

Forderung suchte schon Eckmann zu genügen — ferner aber müsste auch die
Wandfläche durch Tapetenstreifen in Felder geteilt werden und endlich müsste die
die Felder bedeckende Tapete Flächenmuster, nicht Linienmuster, zeigen.
Diese Grundsätze gelten nicht nur für die Tapeten, sondern für alle auf der
Fläche ausgespannten Stoffe, im Gegensatz zu denjenigen Stoffen, welche gefaltet
werden. Man könnte daher die Faltungsornamentik von der Spannungs-
ornamentik unterscheiden. Erstere ist Linienornamentik, letztere Flächenorna-
mentik. Das auf der Fläche ausgespannte Tuch verlangt Flächenornamentik, das
gefaltete oder in Falten sich legende Tuch verlangt Linienornamentik, denn hier
bieten sich dem Auge ohne Weiteres auch ohne Ornamente Linien, dort aber
Flächen. Als Beispiel möge die Tischdecke dienen. Der Spiegel derselben, welcher
auf der Tischplatte liegt, verlangt Flächenornamentik, die herabhängenden Teile,
welche sich von selbst in Falten legen, verlangen Linienornamentik.

Auch der Teppich
gehört zu den gespann-
ten Stoffen und fordert
Flächenornamentik. In-
dessen kommt hier noch
etwas dazu. Das Ma-
terial des Teppichs und
die Herstellungsart des-
selben fördert an und
für sich eine gewisse
Linienornamentik zu-
tage, so dass man auf
diesem textilgewerbli -
eben Gebiete1 die Linien-
Ornamentik mit der
Flächenornamentik ver-
binden kann. Eine solche
Verbindung zeigen in der
Tat auch die besten alten
und neuen Teppichorna-

Abbildung 1.


mente, au denen bekanntlich kein Mangel ist. Und was hier vom Teppich gesagt
ist, gilt von der Stickerei im allgemeinen. Die Technik des Stickens legt eine
gewisse Linienornamentik nahe und bringt sie an und für sich vermöge der Weit-
.naschigkeit der Fäden hervor. Mustergültig für alle Zeiten sind nach dieser Lich-
tung die finnisch-ugrischen Textilornamente. Dem Muster liegen hier, wo es sich
um Flächenornamente handelt, Flächenfiguren zugrunde, aber die Art, wie
diese Flächenfiguren behandelt sind, entspricht aufs genaueste der Technik und dem
Materiale und verbindet die Linienornamentik mit der Flächenornamentik.
Aber wir müssen die Linienornamentik des Teppichs noch mehr präzisieren.
Nicht eigentlich um ganze Linien handelt es sich, sondern um aneinandergesetzte
Punkte, um eine Art Punktierungsmuster. Dieses Punktierungsmuster ist das
Charakteristikum des Teppichmusters und dieses eben finden wir bei der finnisch-ug-
rischen ,,Rassenkunst“, wie man diese Textilkunst genannt hat. Ich erinnere z. B.
an das häufig verwendete Schlüsselbart-Muster. Das Prototyp des Punktierungsmusters
ist das Tannebaum-Muster.
Diese finnisch-ugrischen Ornamente finden wir bei den besten deutschen,
italienischen, slavischen, spanischen, persischen Kunststickereien des 16.— 18. Jahr-
hunderts, in den modernen schwedischen Stickereiarbeiten, in den bäuerlichen
Arbeiten der Schule von Skonen etc.
Das Genial-Treffsichere dieser Arbeiten liegt in der Korrespondenz des Musters
mit der Technik. Denken wir einmal an die Webetechnik. Kette und Schluss
liegen rechtwinkelig zueinander. Wo sie sich schneiden, ergeben sich betonte Punkte.
 
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