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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 3.1909

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Heft XI (November 1909)
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Pudor, Heinrich: Textilornamentik
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https://doi.org/10.11588/diglit.33469#0167

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143

Daher das Punktierungsornament. Zugleich bilden die kreuzweise gelegten Faden
Quadrate, so dass sich von selbst ein Schachbrettmuster ergibt. Die Technik des
Webens erfordert also geometrische Ornamentik und legt die Schachbrettorna-
mentik nahe.
Tn der Tat ist die gesamte finnisch-ugrische, die karelische wie die mordvinische
Textilornamentik eine rein geometrische.
Von den genannten Stoffen kommen wir zu den gefalteten oder sich in Falten
legenden Stoffen. Hier herrscht die Linie vor. Eine Falte erzeugt an und für
sich eine Linie; Falten ergeben Linienmuster. Deshalb ist die Linienornamentik
naheliegend für alle Stoffe, die sich falten.
Nun aber legt sich ein Stoff desto leichter in Falten, je dünner und leichter
er ist; die Linienornamentik ist deshalb desto mehr am Platze je leichter ein Stoff
ist, je leichter er sich in Falten legt und je mehr Gelegenheit ihm dazu gegeben ist.
Man sollte
nun glauben, Abbildung 2.
dass das Van
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Linien - Kunst- i
gewerbe uns mit 1 r l 1 ° 1
recht interes- I J
santen Falten¬
ornamenten in j



beschenkt hätte.
Aber davon ist
nichts zu spüren.
Der Linienkul-
tus hat sich dort

am meisten breit
gemacht, wohin
er nicht gehört.
Abgesehen etwa
von der Buch¬
ausstattung.
Wohl aber hat

QbPf>y«v.o<|.1\.Reniu.

England uns
auf dem Gebiete der textilen Linienornamentik mit recht guten Arbeiten beschenkt.
Ich möchte nicht unterlassen, hier daran zu erinnern, dass seinerzeit der grosse
Leonardo die Künstler aufforderte, die Linien der Kitzen zerfallender Mauern
zu studieren, ähnlich wie die mordvinischen Frauen die Linien des morschen Eises
studiert haben sollen.
Nach alledem haben wir also dreierlei Arten Textilornamentik:
1. Flächenornamentik (mit Flächengliederung und Flächenfiguren).
2. Punktierungsornamentik.
3. Linienornamentik.
In einzelnen Fällen haben sich diese drei Arten der Ornamentik zu verbinden
und zu vereinigen, wie z. B. bei der Gardine, bei der der Künstler ausserdem die
Transparens und den Umstand, dass die Gardine das Licht von aussen empfängt,
stark berücksichtigen muss. Bei der Portiere verbindet sich die Punktierungsorna-
mentik mit der Linienornamentik. Bei dem Kleiderstoff herrscht die Linienorna-
mentik vor. Bei der Spitze verbindet sich die letztere mit der Flächenornamentik.
Und so fort.
Immer aber, ob es sich nun um Flächen-, Linien- oder Punktierungsornamentik
handelt, kommt es auf die V e r t e i 1 u n g der Werte an. Bei der Flächenorna-
mentik muss der Wert der Flächenfigur dem Werte der sie umgebenden leeren
 
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