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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 3.1909

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Heft XI (November 1909)
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Pudor, Heinrich: Textilornamentik
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Kolb, Gustav: Für einfache Schulverhältnisse
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https://doi.org/10.11588/diglit.33469#0168

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144

Fläche entsprechen. Dieses wichtigste ästhetische Gesetz gilt für alle Künste und
Kunsthandwerke und resultiert unmittelbar aus den Gesetzen unserer sinnlichen
Wahrnehmung.*) In der Buchkunst z. B. müssen die schwarzen und die weissen
Werte einander das Gleichgewicht halten. Der Fond (das Papier) gibt hier die
weissen Werte. Im farbigen Kunstgewerbe entspricht diesem Fond die Grundfarbe,
handle es sich nun um Tapeten, Teppiche oder Stoffe. Das eigentliche Ornament
gibt den Accent in den Fond. Nicht etwa nur der Farbenwert ist für die Stärke
und Bedeutung dieses sinnlichen Accentes massgebend, sondern auch die Art der
Zeichnung und Begrenzung. Natürlich spielt der Wechsel von hell und dunkel
dabei die grösste Bolle. Dieses Gesetz gilt ebenso für die Gardine wie für die Spitze,
für den Stoff ebenso wie für den Teppich. Auch nach dieser Kücksicht sind die
finnisch-ugrischen Textilornamente als klassisch und mustergültig zu bezeichnen.
Die Korrespondenz der hellen und dunklen, der Fond- und der eigentlichen Orna-
mentwerte ist eine vollkommene, so dass das Auge und die sinnliche Wahrnehmung
nicht nur befrie-
digt , sondern
angenehm ange-
regt wird, der-
art, dass das
Auge einen
Sinnengenuss
empfindet.

Für einfache
Schul-
verhältnisse.
(V ergl. Abbildung
1-5.)
Als ich jüngst
mit einer Klasse
des 2. Zeichen-
jahrs (Kl. X) im
Tannenwald
sass und Baum-
stämme zeich-
nen liess, kam ein Kollege von der Volksschule vorüber und wunderte sich sehr,
dass ich mit diesen kleinen Schülern so schwierige Aufgaben behandle. Nach
einigem Zusehen überzeugte er sich aber bald, dass die Schwierigkeit einer
Aufgabe nicht nur vom Lehrstoff, sondern vornehmlich davon abhängt, wie
die Aufgabe gestellt wird und dass ein und derselbe Stoff Gelegen-
heit bietet, Aufgaben der verschiedensten Schwierigkeitsgrade zu stellen. Ich
erklärte ihm, dass ich mit diesen Tannenbäumen einen „lückenlos“ (so lautet
das pädagogische Wort. Was ist aber lückenlos? Wie schwer lässt sich das schon
im Hinblick auf die verschiedenen Begabungen innerhalb einer Klasse feststellen!)
aufgebauten Lehrgang von Kl. IV bis Kl. IX sehr leicht aufstellen könne; es
komme immer nur darauf an, welche Anforderungen ich hinsichtlich der Auffassung
und Darstellung stelle. Ich sagte ihm, bei Kl. IV begnüge ich mich, wenn der Schüler
die Richtung und die Grössenverhältnisse eines Stammes richtig auffasse und den
Umriss mit einem Bleistiftstrich angebe. In Kl. V darf der Schüler den
Körper- und Schlagschatten mit Bleistift als geschlossene dunkle Fläche angeben.
In Kl. VI erweitert sich diese Aufgabe, ich lasse den Lokalton mit Aquarell-
farbe und den Schattenton mit neutraler Farbe angeben, sowie nebenher als
*) Vergl. hierüber „Laokoon“ von demselben Verfasser. Berlin. Verlag Hermann
Seemann Nachf.

Abbildung 3.
 
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