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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 3.1909

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Heft IV (April 1909)
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Kolb, Gustav: Die Organisationsarbeit des Stadtschulrats Dr. Kerschensteiner in München, [1]: ein Bericht über das Münchener Fortbildungsschulwesen sowie über den Handarbeits- und Zeichenunterricht der Münchener Volksschulen
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https://doi.org/10.11588/diglit.33469#0063

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Heft IV

III. Jahrgang

April 1909

Inhalt:

Die Organisationsarbeit des Stadtschulrats Dr. Kerschensteiner in München. — Zeichenblock und
Malkasten. — Wohnungskultur (Fortsetzung). — Zu unseren Abbildungen. — Umschau. — Verein
für Kunst- und Zeichenunterricht Württemberg. — Hans Erhardt f.

Die Organisationsarbeit des Stadtschulrats Dr. Kerschensteiner
in München.
Ein Bericht über das Münchener Fortbildungsschulwesen sowie über den Handarbeits- und
Zeichenunterricht der Münchener Volksschulen von G. Kolb.
Schon seit Jahren verfolgt die gesamte Gewerbeschulwelt die Organisations-
bestrebungen des Münchener Stadtschulrats Dr. Kerschensteiner mit grösstem
Interesse. Auf der Münchener Ausstellung 1908 sollte erstmals eine weit-
gehende Vorführung der praktischen Ergebnisse des Münchener Gewerbeschul-
wesens stattfinden. Kein Wunder, dass die Gewerbeschulmänner aller Herren
Länder herbeiströmten, um das in Wirklichkeit kennen zu lernen, wovon man seit-
her nur aus den Publikationen Dr. Kerschensteiners Kenntnis hatte. Dem kunst-
gewerblichen Fachlehrer bot die Ausstellung zudem noch Gelegenheit, einen üeber-
blick über den Stand der neuzeitlichen Münchener kunstgewerblichen Produktion
zu gewinnen.
Der Verfasser dieses Berichts hoffte durch die Ausstellung insbesondere
einen Einblick in den Betrieb des gewerblichen bezw. kunstgewerblichen
Zeichenunterrichts und dessen Verbindung mit dem praktischen
Werkstättenunterricht zu gewinnen. Hierin fand er sich aber enttäuscht;
denn die Ausstellung bot wohl eine überaus reichhaltige und geradezu glänzende
Vorführung von Arbeiten der verschiedensten, besonders auch der kunstgewerblichen
Gewerbeschulkurse; in den wenigsten Fällen aber ermöglichte sie einen Einblick
in die Schularbeit selbst, und eine organische Verbindung von Zeichnung und
Werkstaftarbeit war höchst selten ersichtlich. Die Ausstellung trug also, kurz ge-
sagt, mehr repräsentativen Charakter als den einer instruktiven Schulausstellung.
Das veranlasste mich, gemeinschaftlich mit einigen anderen Herren Ende Oktober,
als ich die Schulen im vollen Betrieb wusste, nochmals nach München zu reisen,
um durch Besuch der Schulen und der verschiedenen Unterrichtskurse selbst einen
gründlichen Einblick zu gewinnen.
Wir fanden uns in unseren Erwartungen nicht enttäuscht. Durch das liebens-
würdige Entgegenkommen des Stadtschulrats Dr. Kerschensteiner sowie seiner Mit-
arbeiter erhielten wir volle Freiheit zum Besuch der Schulen. Zunächst sei mit
Dank der Mühewaltung des Herrn Inspektors Schmied gedacht, der uns vor dem
Besuch einen Orientierungsvortrag hielt und uns in grossen Zügen über die Grund-
lagen und Ziele der Gewerbeschulorganisation aufklärte. Wir besuchten in den
ersten Tagen 3 grosse Gewerbeschulen und fanden auch seitens der Direktoren,
Vorstände und Lehrer das freundlichste Entgegenkommen, so dass wir uns nicht
nur rasch, sondern auch gründlich einarbeiten konnten. Am Schluss dieses Rund-
ganges war mir aber klar, dass die Grundlage der neugebauten Münchner Ge-
werbeschule, noch ein Stockwerk tiefer, nämlich in der Volksschule liegt. Ich
wollte ganze Arbeit machen und entschloss mich darum noch zum Besuch einiger
Volksschul en. In dem schön und mustergültig gebauten und eingerichteten Schul-
haus an der Flurstrasse lernte ich einen vollständig ausgebauten Kerschensteiner-
sehen Volksschultyp kennen. Vor allem interessierte es mich, wie Dr. Kerschen-
steiner das Prinzip der praktischen Arbeit, das, wie wir wissen, im Mittel-
punkt seiner Bestrebungen steht, schon auf dieser Stufe verwirklicht hat. Der
Oberlehrer dieser Schule scheute keine Mühe, mir jede Informationsgelegenheit zu-
gänglich zu machen von dem Kindergarten an, der organisch mit dem ganzen
Schulbetrieb verbunden ist und in dem nach Fröbelscher Art geknetet, gefaltet,
ausgeschnitten und genäht wird, durch den Anschauungs-, Beobachtungs-
und Zeichenunterricht der verschiedenen Klassen hindurch bis zum H and-
arbeitsunterricht der obersten Klassen. Auf den Zeichenunterricht, der
als die ureigenste Schöpfung Dr. Kerschensteiners zu bezeichnen ist und innerhalb
 
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