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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — 3.1909

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Heft XI (November 1909)
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Kolb, Gustav: Für einfache Schulverhältnisse
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https://doi.org/10.11588/diglit.33469#0169

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rein zeichnerische Uebung mehrere neben- und hintereinanderstehende Stämme
zeichnen.
Bei Kl. VII erwarte ich, dass der Schüler nicht nur den Tonwert, sondern
auch die Farbe der Schatten sieht, er muss also in diesem Fall den violett gestimmten
Körperschatten richtig sehen und mischen lernen. In Kl. IX stelle ich sodann die
Aufgabe: ein Stück Wald, das in einen gegebenen Kaum hineingepasst ist (wir
benützen zu diesem Zweck den Motivsucher), soll mit einfachen Mitteln in Form
und Farbe klar und wirkungsvoll zur Darstellung gebracht werden.
Gelegentlich lasse ich aber schon in Kl. V mit Farbstift arbeiten; es kommt
auch hier nur darauf an, wie ich die Aufgabe stelle. Ich beschränke mich vor
allem darauf, nur einige besonders charakteristischen Farbtöne anzudeuten.
Unsere Tannenbäume zeigen z. B. jene reizenden grünen Streifen und Flecken, die
man an alten Bäumen, die an Waldränden stehen, häufig trifft. Der mit Nadeln
bedeckte braune Boden steht in einem wirkungsvollen Gegensatz dazu. Der Schüler,
der die Umrisse der Bäume mit weichem Bleistift auf grauem Tonpapier sorgfältig

gezeichnet hat,
darf beide Far-
ben angeben:
die grünen
Patinatöne
mit unserem
Grünstift, den
Boden mit dem
Orangestift.*)
Probier’s
selbst einmal,
so wirst du
finden, wie
plastisch sich
die Stämme
nun abheben
und wie rei-
zend und
natur wahr die
Farbe wirkt!
Und was die

Abbildung 4.


Hauptsache ist: diese Darstellungsart ist auch dem weniger begabten Schüler
unserer Volksschule zugänglich. In Buchenwäldern, auf dessen Boden die abge-
fallenen Blätter liegen, lässt sich diese Uebung noch einfacher gestalten. Auf graues
Tonpapier gezeichnet, haben die Stämme schon ihre Lokalfarbe; als einzige Farbe
wird das Orangegelb des Bodens angegeben. Dankbare Vorbilder sind auch
Kastanienstämme im Spätherbst.
Die Monate Oktober und November bieten dann Gelegenheit zum Zeichnen
von Bäumen mit ihren Verzweigungen. Man halte sich aber in gewöhnlichen Schul-
verhältnissen an einfache Vorbilder, bei denen die Verzweigung klar zutage tritt,
und begnüge sich mit dem Zeichnen der Hauptäste. Ehe ich an solche Aufgaben
herantrete, suche ich die Schüler in einem kurzen Lehrgespräch für die Wachstums-
erscheinungen zu interessieren. Ich frage sie: „An welchen Stellen ist der Baum-
stamm am dicksten? Oben, wo er sich verzweigt, und unten am Boden. Hier ver-
zweigt er sich auch. Er bohrt seine starken sehnigen Arme tief in das Erdreich
hinein und an diesen Armen wachsen ihm Finger, die kleinen Wurzeln, nach allen
Lichtungen hinaus, mit denen er sich fest im Boden verankert. Beobachtet nur
einmal einen solchen Baum, wenn man ihn aus dem Boden herausreissen will, wie
krampfhaft er sich da im Erdreich festklammert. An diesen kleinen Wurzeln
wachsen dann noch Tausende ganz kleine zarte Saugwürzelchen, mit denen der

') Vergl. „Beiträge zur Zeichenunterrichtsreform“, Brosch. III.
 
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