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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 8.1928

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Heft 4 (April 1928)
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Fritz, Ernst: Aus dem Roman ''Matthias Grünewald''
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https://doi.org/10.11588/diglit.27998#0121
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nus die verlchrcinlile» Arme, und tränenloses Weinen
lchtiuel! selnen stnrhen Körper.

„Vnler nnd Arnliec lst nichts. tletzt geht es uin
mehr, denn Vrüder sind wir nlle."

„... 2n, iin Tod ..."

Dn wettert Peter Stnhlin die Fnnst nnf üen Tilch.
„Atcininen seid ihr. Wollt ihr heulen wie die lilei-
nen Kinder? Freszl üie Snppe, die ihr euch ein-
gebroclit hnbt, nber zeigt ihnen, dntz ihc Kerle seid,
lnpfere gernde Kerle.«

Menn's Nncht wird, gehen Gespenlter um, nber
nnr wo nlke Weiber hocken. Mehr Licht her! Mncht
oornn! Hier, 2örg, znnde die Faclieln an. Zwei über
die Türe, zmei über den Knmin. Hockk da zusammen
wie die nrmen Schelme nnter dem Galgen und lnszt
die Köpfe hnngen. Lustig, Vrüder, fllllt die Becher!
Der Teufel soll leben, der arme Teufel, der ist unser
wnhrer Ärnder."

Cinige Vnucrn sind mit schlürfenden Schritten an
den Tisch getreten, mik hnngenden Knien, die Schul-
tern vocnüber gebeugt, als trügen sie eine schwere
Lnst. Sie füllen ihre Vecher nus der grojzen Knnne.

„Lene, sing' uns ein lusliges Lied."

„Vschl, seid slill, er schlüft."

Äuf den Fustspihen nnhert sich Inliob, der Lnnds-
linechk, dem schlnfenden MnlhiS. Dnnn liehrt er
zum Tische znrücli. „Wnhrhaflig, er schlnsl. Schwnrze
öZeze, dns ist dir gewisz noch nie geichehen, dnsz
einer in deinem Arme einschlief." Wiepernd lachen
die Mcinner nuf. öm flncliernden Lichle verzerren
sich die Gesichkcr zu Frnhen.

„Leg' den Allen in die Lclie, Teufelsweib, und
geh' mit mir InS Skroh." Grinsend verzieht sich sein
rohes Geficht, und hästlich glänzen die breiten gel-
ben Zähne.

Sie stöszt mik dem Fusz.nnch ihm. „Geh' weg, du
Tier."

„Fu, wie sje fnuchk, die schwarze Katze."

Dn regt sich Mnkhis, zuckt zusammen und richket
sich lnngsam nuf. Dann streicht er sich über üie
Slirne und sinlit wieder zurück. Leise fragt er:
„Wo bin ich?"

„Vei mir."

„Mer bist du?"

„Ich meine eS guk mil dir."

„Heitzk du Mnrin? O, dnnn ist nlles gut."

Er dehnt seinen Körper, richkek sich sitzend auf und
öffnet die Augen. „Wnrum hnst öu auf einmnl
schwnrze Hnare, Mnrin? Sie wnren doch hell wie
Sonnenfädeii. Der liöstlichske Heiligenschein für die
Madonnn von Aschnffenburg. O wie schön warst
du doch! Weißt du es noch?"

Wie in jäheur Schmerze fntzk er sich nn die Skirne,
drückt die gebnllten Fäuste vor die Augen und schreit
laut: „Die Lichker fort! Sie brennen meine Augen.
Nacht soll es lein." Hilflos üniclik er wieder zu-
snmmen, und milde Erregung sclMtrlk seinen Körper.

Die Lene streicht ihm sanft. über dns Haar und
sprichk ihm mik leiser Slimme zu wie die Mutker
dem fieberliranlien Kinde: „Sei ruhig, ich bin bei
dir."

„Die Mnrin mit den schwarzen Hanren, ha, ha,"'
ein irreS Lachen brichk aus seinem Munde. Dann
wendek er sich an die Vauern am Tische: „Licht

sollt ihr machen, hnbt ihr nicht gehört? Ueberall
Kerzen, hundert und mehr, skrahlende Splegel,
schöne Frauen, Nitter und Herren." Langsam hat er
sich erhoben, mit der Hand an der Mauer Halt
suchend. Sein Blicli starrt llber die Vnuern hin.
Nun legt er die Zand auf die Vrust und verneigt
sich tief. „Eurer kurfürstlichen Gnaden zu dienen,
Makhias Grünewald biktet um seine Entlassung.
Vaterpflichten gehen vor Herrendienst."

Seine Stiinme verändert sich, sie wird freundlich
und flehend: „2n Isenheim habe ich ein lileineS Kind,
ihr Kind und meineS. Es ist so wunderhold und lieb
und lächelt wie ein Engel." Derzückt hält er Inne.
Dann fnhrt er mit qualvoll ängstlicher Stimme fort:
„Ich mutz zu ihm, Euer Gnaden, rasch, rasch, es
streckk die Arme nach mir, es weink, es ist so allein."
Mit betend emporgeskreckten Händen sagk er: „O
Madonna!"

Da kracht die Faust des Peler auf den Tisch.
„Pfaffenknecht, verfluchker, habe ich es nicht gesagt?"

Mathis wachk aus seinem Traumzustand auf und
mncht einen Schritt auf den Vauer zu. „Du schimpfst
mich Knecht, du Wurm?" Mit würdevoller Gebärde
legl er die Hand auf seine Brust. „eich bin ein
König llber viel Volk. Fragt meine Frau, üie
Königin."

Dnnn wendek er sich um zur schwarzen Lene, die
mik ängstlichem Vlick auf ihn schauk und sagt ganz
leise, den Finger a» die Lippen legend: „Sag' es
ihr nichl, wo ich bin. Sie will mich vergifken. Lang-
scim, jetzk ein Tropfen und wieder ein Tropfen. Das
brennt wie Feuer. Du sagsk es ihr nichk, du bist
lieb. Schnu' mich nn," und er trilt vor sie hin und
streichl ihr über daS osfene Hnar, üas ihr bis nuf
den Vürkel fällk. „Wie glitzert und funkelt das
Licht in deinem Haar. Lasse mich sehen," und er
beugt sich nieder zu ihc, „ob es nicht doch blond
isk." Dann schüttelt er traurig das Haupt. „2ch kann
es nicht sehen, meine Augen sind blind."

„Komm', Vater, leg' dich jetzt schlafen."

Er starrt ihr mit weitgeöffneten Augen ins Gesicht.
„Vater sagst du? So hat mich noch niemand ge-
nannt, und es ist doch ein so wunderfamer Name ...
wohl der nllerschönste auf Erden." Ein verträumtes
Lächeln spielt um seinen Mund. „Und du hast recht,
ich habe viele Kinder ... tzch gehe, aber sie bleiben
... O Gotk, wie glücklich bin ich," und er drückt die
gefalteten Hände an die Brust.

„Lene, bring' den Säufer aufs Stroh, damlt er
das Maul hn'lt."

„Komni', Vater, geh' jetzk schlafen."

Mit skarr geöffneten Augen fährt Mathis fork:
„Siehst du das Licht, Maria, das strahlend grotze
Licht, wie es steigt und skeigt? lletzt füllt es den
ganzen Himmel und leuchket über die Erde. Ha,
Fratzen, es scheint auch euä) ins Gesicht, es kratzt
euch die Augen auS, es brennk und beitzt. tzch sage
euch als Priefker des Lichtes", seine Geskalk wächst,
und seine Skimme füllt den weiten Naum: „Das
Lichk ist die Wahrheit, es zeigt, wie hätzlich ihr seid!
Marin", er fcitzt Lene am Arm, „ich habe das Lichk
gesuchk mein ganzes Leben lang, ich habe drum ge-
kämpfk und gelikten ... ich habe es nichk gefunden."

tzn wilder Hnst überstürzen sich seine Worte. „Hast
dn von Promelheus gehörk, der den Menfchen daS
Fsuer vom Himmel holte? tzch wollte eS ihm gleich
lun. Maria," und er krampft seine Finger in ihren
 
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