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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 8.1928

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Heft 4 (April 1928)
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Fritz, Ernst: Aus dem Roman ''Matthias Grünewald''
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https://doi.org/10.11588/diglit.27998#0122
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»101

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An», „nuch ich lng nefesseik, angeschmiedet, und der
Geier hnckte sttindlich an meinem Herzen."

ANt beiden Armen fnhrt er plöhlich in die Luft
nnd spreizt die Finger einem unsi6)tbaren Feinde
snlgegen. 3rr flacliert sein Blick. „Mnria, da ist er
wicder ... Siehst du die gelben Augen, die scharfen
Fangp? ... Schtihe mich, nur du vermagst es!"

Aiisschluchzend wirft er sich vor ihr hin, lilammert
dle Arme um ihren Leib und verbirgt den Kopf in
den Falken ihres Noclies. Sie skreicht ihm über das
Haar und beruhigt ihn mit sanften Morten. All-
mählich legt sich der wilde Skurm seiner Aufregung.

„Komm', Baker, geh' jeht schlafen, es ist dunlile
Nacht."

„3a, üiinlile Nacht ... das Licht ist tot." Zitternd
streclit er die gand nach ihr aus. Sie ninimt ihn
am Arme und ftihrt ihn mlt sorgsamen Schrikten auf
die Streu im Wlnliel, bettet ihn, wie die Mutter ihr
Kind uiid deckk ihn sorglich mik dem Mantel zu.
Dann liauert üe sich neben ihn und bleibt die ganze
Nacht in halbwachem Zustande an seinem Lager.

Zweites Kapikel.

Noch lagern am anderen Morgen die Herbstnebel
dicht und grau auf den Fluren, als der Bauernhauf
zum üsenheimer Kloster zieht. Vleich einem zarten
Sllberschleier breitet sich der Tau über üen saftigen
Graswuchs des Wiesenkälchens aus, hängt blihende
Diamanten an jedes Blütkchen und wäscht den Skaub
und Schmuh von den rissigen Bundschuhen ab.

Mürrisch stapfen die Aränner einher: die Haare
hängen ihnen In Slrähnen über die Stirne, fahl
blicken die hageren Gesichter aus den verbeulten
rostigen Blechhauben.

Diimpf polternd rumpeln die Karren hinter dein
Znge drein. Die schwarze Lene schreiket mlt wiegen-
öen Schrilken neben einem der Wagen her, das
Lenliseil In der Hand, sorgsam auf den Weg achkend
und Steine nnd Gräben vermeidend, uin Grünewald,
den sie auf Stroh gebettek im Wagen mit sich führk,
vor zu derben Stvjzen zu bewahrcn.

Strahlend hebt sich die Vonne llber den Feldberg.

hehk kaucht in üer Niederung das Klosker auf,
schühend umhegk von der grün umsponnenen Mauer.
Die grauen Schindeldächer drücken sich traulich eng
nneinander, überragk von dem säilanlien Glocken-
tiirm der Klosterliirche. NichlS regt sich innerhalb
der Mauern.

Der Hauf hält vor dem verschlossenen starken
Bohlentor.

„Den Bauernschlüssel ins Tor, macht voranl" ,

Sechs, acht Nlann heben elnen liräftigen Baüm-
sianim vom Wagen und rennen den Widder mit
wildem Skosz gegen die Eichenbohlen. Noch einmal
und noch einmal. Hei, schon splitterk das Holz, es
bersken die Schlösser, mik Krachen springen die Tor-
flügel auseinander. Gleich einer Meuke losgelaslener
Nüden skürzen die Bauern brüllend in das Klosker
hlnein. Die Aexke hämmern gegen die Skalltüren,
hinter denen das Bieh brüllt, der-.Packan, den die
Alöiiche auf der Flucht vergessen haben von der
Kelte zu lösen, erhälk eincn Tritk, dasz er winselnd
sich slreclit. Aus den Fenskern fllegen Belten und
Decken auf die roken Sandsteinplaklen des Hofes.

Dork slakkern Pergamenie und Schriftrollen herab,
hier wecden Äallen von Tuch und Leinwand am
Spieh gemessen und lachend entzweigerissen. Aus
dem Keller schallt gröhlendes Slngen.

chimitken des Hokes, auf gepflegtem Rasen, skeht
das Standbild des heiligen Antoniuä. Noch hebt er
segnend die Rechke, den Kopf haben sie ihm abge-
schlagen. Die Weiber haben sich an der Hand gekccht
iind tanzen einen wilden Neigen um das Skeinvild.

Makhias Grünewald war wanliend vom Waaen
geskiegen und dann im Kloster verschwunden, ohne
daß die Lene es bemerkte.

Ein Haufe lärmender Bauern steht vor der ver-
schlossenen Klrchentüre, der Prädikant an seiner
Spitze. Hoch blitzt die Äpt in seiner Hand, der weite
Kuttenärmel fällt zurück und zeigt den mageren
sehnigen Arm. Schlag um Schlag wetkert gegen üie
Türe.

„Vaalspfaffen, Vilderanbeker, Götzendiener!" Keu-
chend stötzk er die Worte auS und schmeltert die Axt
immer wieder in das splitternde Holz. Zetzt fliegt
die Tllre zerfetzt aus den Angeln, und der wütende
Haufen stürzt in die Kirche, zwanzig, dreitzig Mann,
den Mord in den Augen, den Too in den Fäusten
und die Meiber dazwi chen wie jagende Wölfinnen.

„Der Gotk der Pfaffen wohnt in einem schönen
Haus."

„Zerrenleuke haben einen andern Gott als die
Bauern."

Höhnisch lacht einer auf: „Er mützte sich zu tief
bücken, um in uniere Hütten zu kommen: so bleibt
er lieber drautzen?'

Klirrend fliegen Skeine in die bunken Malereien
der gotischen Fensker, mit Stangen werden den Hei-
ligen an den Pfeilern die Köpfe und Arme abge-
schlagen. Dem Madonnenskandbild an einem der Psei-
ler haben sie ein Seil um den Leib geworfen. Zehn
wilde Gesellen spannen sich ins 2och. Laut knirschen
die Nägelschuhe auf den Steinplakken.

„Ho, Nuckl Noch einmal, Arüder: Ho, Nuck!"

Die Stakue weicht nichl vom Platze und lächelt
ihr seliges Madonnenlächeln.

„Herunker mutz das Götzenbild, ihre Königinl
Noch einmal, Vrüder: Ho, Nuck!"
spannt

das Standbild, jetzi
der Stein

Das Seil spannk sich zum Zerreißen. tzeht schwankt
jeht sausi es nieder. Meithin spllktert

tzm Dämmerlicht ües Chores skeht auf dem Alkar
das Merk des Makhias Grünewald.

Drei Skufen führen aus dem Schisfe der Kirche
ziim Chorraum, zu dessen beiden Seiten herrlich ge-
schnihtes Geskühl. Eine steinerne Schranke mit rei-
chem Matzwerk krennt das Chor vom Langhaus.

Trunken vor Wut stürmt üie Meuke daher. Nun
skehen die Männer an der niederen Schranke. Keu-
chend fährt der Akem aus der Brust, wild blihen die
Äugen aus den von Schweitz und Staub beschmutzten
Gesichkern.

Mit heiserm Gebrllll schwingk der Prädikant das
Veil um den Kopf. Die Ädern liegen wie Skränge
auf seineni Arme.

„Ha, Salansbild, ich schaue dich. 2etzt rechnen
wir ab. Herunker mutzt üu, in Stücke will ich dich
schlagen, das heilige Feuer soll dich fressen." Er
 
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