Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 8.1928

DOI Heft:
Heft 4 (April 1928)
DOI Artikel:
Fritz, Ernst: Aus dem Roman ''Matthias Grünewald''
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.27998#0123
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
weisl mik dem Finger auf üen Gelrreuzigken: „Hier
sehl ihren Gekk, dein kie opferken."

Da springt Grlinemald aus dem Chorskuhl, in dem
er liauerke, vor den Alkar. Er hebk die Arme wie
der gellreuzigke Heiland und wendei sich gegen die
lobende Menge. Toienblässe bedeclrk sein Gesicht,
wie Dolche blihen seine Augen.

llehk reclit er den Arm. Seine Siimme schwlngk
durch öie Kirchenhalle, ^ehern tönt sie wle die Posaune
ües Gerlchkes: „Mer wagt es, dle Hand zu peben
gegen üen Gelireuzigten?"

Drohend ballk er die Fäusle nind schükkelt sie gegen
die Angreifer: „Mas willsk du vor Gokles Thron,
elendes Gemürm? Aus deine Knie nieder! Zittere
vor ihm!"

Dann !aßt er ermatlet die Arme sinken, und herz-
zerreiszend klagk seine Skimme: „Sehk ihn doch nur
an, wie arm er kst . . . o kut ihm nichts . . Auf
den Knien llegk er und blickt zum Kreuz empor.

Gaffend drängen sich die Aauern an dle Schranke.
Lauklose Skille herrscht, das belrlemmende Schwei-
gen vor dem Sturm.

„Ein schöner Gotk fürwahr!"

„Lin Greuel, grün und blau w!e Aas."

„Sehk, wie er mit den Fingern schreik, wie ihm
der Mund klafft, und wie er die Zähne bleckt."

„Knd wie er hängk und zerrk, dnS Kreuz biegk sich
unler ihm."

„tzenner, bisl du der Kerl mik dem sirohgeiben
Haar und dem roken Manlel? Wo hast du das
weijze Mädchen her in deinem Arm?"

Der wischk sich mit dem Llermel den Schweist von
der Slirne. „HnlkS Maul oder verrecke!"

Dann stiert er wieder mlt blutunkerlausenen Augen
die Heilige im weiszen Kleide an, es zumt in seinem
Gesichke, der Kiefer schlägk ihm wle lm Fieber. üleht
stürzt er an der Vrüstung nieder, wie vom Blihe
gefäilt und vergräbt den Kopf in den Fäusten.

Skoszweise guälen sich die Worte aus seiner Brust:
„O Gokt, nur nichk sehen!"

Dann sährt er auf wie von Sinnen. Todesangst
schanl aus seinem fahlen Gesichke, er packk den Kunz
am Arm und schükkelt ihn. „Schau hin, die Toten
stchen auf, der jüngste Tng hrlcht an!"

Winselnd windet er sich wieder am Boden und
schlägt öie Skirne dröhnend äuf den Stein. „Gnade,
Gnade, ich bin verloren!"

Die andern drängen sich um ihn.

„Was hat er, Kunz?"

„Seid still ... furchkbar ist eS ... die Toten stehen
ans."

Dann packk er links und rechks die Nebenskehen-
den und zwlngt ihre KLrpcr zu sich heran, heiser
klingt seine Stimme, wie aus dem Grabe. Dicke
Schweihkropsen perlen auf seiner Skirne. „Bor ein
paar Tagen war es ... da hinken im Maldkal das
Nonnenkioster ... geslürmt-Lnd geplllndert, die
Knechke erschlagen, den Brand ms' Klösker. And der
Henner: M!r gehörst du, Weib! ... Gokkes bln !ch!
... Mik mir aufs Skroh oder ins Feuer! ... Da
wendet sie sich, weih leuchten ihr Gesichl und Kleid,
und ohne ein Wort zu sagen schreitet sie in dle Glut
mitten hineln ... Krachend siürzt das Gemäuer über
ihr zusammen."

„Gnade", wimmerk der Henner, „Gnade!"

Tokenbleiche Gesichker starren zum Bilde empor.
Die Angst legk ihnen die würgende Zand an die
Kehlen.

„Nacht ist es, grausige Nachk."

„Nirgends Gnade. Das ist das Gericht."

„Hört ihr den Donner rollen? Die Gräber reitzen
aus, der jüngsie Tag ist öa. Wic sind verloren."

Entsetzte Biicke bohren sich in d!e Bildkafel.

„Wie der Kerl dort dasteht und mii dem Finger
weist! Hu, schauk hin, immer länger wird der Finger!"

„Vrüder, merkt lhr es denn> nicht? Einen Bauer
haben sie ans Kreuz geschlagen ... du bist es ...
ich ... wir alle!"

Wild wvgen sie durcheinander. Zuckende Hände
greifen in die Luft.

„Geschunden bis aufs Bluk, gequält wie kein
Bieh."

„Und nun noch der Hohn dazu: Da hängst du,
Bauer, du Scheusal, du Nabenaas!" Bor Wut über-
schlägt sich seine Skimme, er brüllt wie ein wildes
Tier: „3ns Gesicht schlagen sie uns, dir und mir,-
nur weil wir alle am Kreuz hängen, seit unserer
Geburk, sind sie die Herren."

„Nie sakt zu fressen, und ihnen plahen die Bäuche!"

„Schauk, wie sie unsern Bruder Äauer geschlaaen
haben! Striemen an Striemen und Beule an Beule."

„Alle Nippen kann man ihm zählen, dem armen
Schelm. Die Glieder haben sie ihm ausgerenkt, die
Schinder."

„Bruder Bauer, wir rächen öich! Auge um Auge,
Zahn um Zahn!"

„D!e Psaffen ans Kreuz, die Grafen und 3uden!
ohnen die Dornen, ihm elne goldene Krone."

„Lieber Bruder Bauer, steige herab vom Kreuz
und fllhre uns!"

Brünstige Augen hangen an üem Bilde, unü ver-
langend strecken die wilüen Gesellen die Arme. Da
springk der Prädlkant auf. „Hat er euch auch be-
hext, der verfluchke Göhe? 3hr holt euch den Tvd,
schaut ihr noch länger hln. Herunter muh er! Aus,
anS Werk! Haut und stechk es !n Fehen, das HLl-
lische Blendwerk!"

Er schwingt sich über die Schranke, eine Handvoll
Männer folgen ihm. Nur wenige Schrikte noch tren-
nen L!e Wükenden vom Alkare.

Da hebk sich öle hagere Geskalk des Mathias vor
ihnen, schühenö breikek er die Arme aus und bietet
ihnen dle Skirne. „Was hat euch das Bild gekan?
Warum wollt !hr es töten? Es ist mein Kind, mein
liebstes Kind, o kuk ihm nichts. Schlagt mich dafür
ans Kreuz!"

3n stllrmischer Hast fliegt d!e Lene durch die Kirche.
Ueberall hat sie den Fremden gesucht. 3eht ist sie
an der Schranke. Laut schreik sie auf, als sie den
Prädikanten die Axk heben sichk: „Mcht werfen,
halt' ein, er hak das Bild gemalti"

Doch schon hat der Wütende das Beil um den
Kopf geschwungen, und zischend fährt es durch die
Lusk. Mit seinem Hauple fängk Makhias Grünewald
den Wurf aus, der dem Äilde galt. Weit klasft die
Wunde, bluküberströmt bricht er vor seinem Altar
zusammen.

Mit wildem Aufschrei eilt die Lene zu üem Ohn-
mächtigen, sie drückk ihr Tuch auf die Wunde, um
das enlweichende Leben zu halken.
 
Annotationen