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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 8.1928

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Heft 7 (Juli 1928)
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Klauss, Otto: Zur Psychologie des plastischen Gestaltens im Kunstunterricht: ein Beitrag zu der Frage "Versiegt die Gestaltungskraft mit dem Eintritt des jungen Menschen in die Geschlechtsreife?"
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https://doi.org/10.11588/diglit.27998#0210
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funden, die schon Im Normälzustand auffallend wir-
ken, die Giraffe, das Kängurul), den Marabu u. a.
Der Karikaturist darf unkerstreicheu und die Eigen-
ark ins Lächerliche überkreiben! Das murde so gründ-
lich und gerne besorgt, dast verschiedene Bären, See-
hunde und Nashörner ufw. währcnd der Arbeit eine
Umwandlung durchmachken und als Fabeltiere auf
die Welk kanien. Nur ein lileiner Hund und das
lustige Enkchen brachten ihren Wih in der nakürlichen
ErscheinungSform mit ins Dasein. Die Schöpfer llehen
sich von all der Fabuliererei um sie herum nicht irre
machen. sthre Arbeiten gaben dem Lehrer die Mög-
lichlieit, zu zeigen, dafz das Karilrakurenhafte und
Wihige besondsrs übeczeugend wirken kann, wenn
es auf das Organische zurllckgreift und anch die
Einzelformen organlsch gedacht sind. Spontan wurde
dem Wunfch zum Bemalen Ausdruck gegeben. Die
Ausführung steigerte bei vielen Lösungen den Ge-
sainteindruck so skark, dah auch der kritisch denkende
Erwachsene sich ihm nicht verschliehen kann und die
in sich vollendeke, kunsteinheitliche Lösung anerken-
»en muh.

Besonders aufschluhreich muszke es nun sein,
Phantasietiere von einer Oberstufe modelliert zu
sehen. Bei der gewählken Obersekunda lag der Fall
für eine schlagende Veweisftthrung iin SInn üer
Ausgangsfrage nicht günskig. Die llberwiegende
Mehrzahl der Schüler hatte seit stnhren nicht mehr
modellierk oder sollle überhaupk zum erstenmal ekwas
formen, und auherdem wies diese Klasse nur gleich-
mähig guke Mitkelbegabung auf. Um so besser aber
ist das Ergebnis gecignet, Allgemeingültigkcit zu be-
kommeii, weil jedeS angelernke Können und jede
Spihenleistung dnbei auSgeschnltet isk.

Die Aufgabe laukeke hler: „V o r s i n t f l u t l i ch e
TIer e".

Erinnerungen an Gesehenes und Gehörkes wurden
wachgerufen, Einzelvorstellungen und Gesamkvorstel-
lungen geweckt, Skimmungen geschilüert. Auch diese
Schüler arbeiteken sich rasch ein, wagten mehr und
mehr In der phantastischen'Gestaltung dieser Tiere,
so dasz auch hier die Allgemeinaufgabe „Phantasie-
tiere" nebenbei erfüllt wurde. Der Borschlag, die ge-
trockneten Tonmodelle zu bemalen, fand, wie voraus-
zusehen war, In dieser Klasse geteilte Aufnahme: Bei-
fall, Unentschiedenheik und Abneigung. Die nachherige
Frage an den Ablehnendsten, warum er üie Tiere
nicht gerne farbig gestaltet sehen möchte, hatte die
erwarteke Antwort zur Folge, dasz er sich ein solches
Tier nichk in mehreren Farben vorstellen könne, die
Denkmalfiguren usw. seien doch auch nichk bunt be-
malt. Der Hinweis auf die Anpassungserscheinung an
farhige Umgebung in der Natur und der weitere, dah
hei üer künstlerischen Gesknllung selbsk die Ankike
ihre Plastiken bemalt habe, und üah wir noch dazu
bei der etwaigen praktischen Berwertung ja an Klein-
plastik san üie Keramik der Lhinesen, oie mit Bor-
liebe Fabelwesen geskalteten) denken könnten, be-
ruhigten auch diesen real Denkenden. 2m übrigen
war es selbskverständlich, dah kein Zwang ausgeübt
wurde, da uns selbst ja das Äichtbemalen auch solcher
Phaiilasiekiere vom bildhauerlschen Slandpunkt aus
alS üurchaus möglich erscheint. Zu bemerken ist noch,
dah die feckig bemalte Tierschar -dann doch allen
mächtig gefiel.

Zum Schluh zur psychologischen Merkung der ver-
schiedenen Arbeiken.

Unsere Kleinen (Taf. I) zeigen sich ganz so, wie
wir sie vom llbrigen Kunstunterricht her kennen, und
wie wir sie gern haben müssen: natllrlich, unbeküm-
mert und frisch zupackend. 2n einer behaglich breiten
Erzählerphantasie, die sich nich! genug lun kann im
Häufen von neckischen LinzelheUen und im Erfinden
von phantaskischen Formen wird hier disses Aprilen-
fabelkier geschildert. Mit beneidenswerter Einheit des
künstlerischen Vewuhtseins, die nur innerstem Gesamt-
erleben und dem produkkiven Berhältnis des 2ch und
Du entlpringen kann — Spranger nennt diese kind-
liche Phankasie ein Zwiegespräch —, gestalten sie ihre
innere Borstellung. Aber diese Phantasie istpassiv,
dem Spiel der vielheitlichen Borstellungen überiasse»
und zum Wirkllchkeikswidrigen, Phankasiischen fllh-
rend. Der Mille zur Lebensivahrheit ües Geschaf-
fenen ist krohdem auch für den Schüler dieses Alkers
vorhanden, dafür spricht schon die gesamte seelische
Einstellung und das Miterleben während der Arbelt.
Wenn die Berwlrklichung deS innerlich Geschaulen In
diesem erschelnungsmähigen, organischen Sinn nicht
geschieht, so ist das vom Schüler weder unlogisch ge-
handelk, noch entscheidet es über Wert oder linwert
des (bescheidenen) künstlerischen Gehalts dieser Ar-
beiken. Mag die organische Einheit darunter lei-
den, dah Numpf, Fühe und Kops nicht als klar ge-
trennke Einzelheiten des Tierkörpers herausaehoben
werden, die hildnerisch-vorstellungsmähige Einhelt,
die auf Aehnlichkeiksbeziehung der Teile (Slil!) unker
sich ausgeht, isk nicht zu leugnen.

Die fehlende Einsicht in die Gesehe des Geskalkungs-
mikkels- und Werkzeuges schränken aber den unge-
hinderten GeskalliingStrieb noch zu stark ein, um ne-
ben der Einheit der Gestaltung auch die der Mittel
und damik die Bollendung zu erreichen. Ton ist fllr
den Schlller dieses Lebensalters „Teig", üen man
„knetet". Erst während üer Arbeit werden die Ve-
dingunaen des Werkskosfs durch Miherfolge und
fortwährende Hinweise langsam erkannt und a n er-
kannt. Wir wissen nicht, wie weik beim Gestalten auf
dieser Skufe das Formen mik Plastiline herelnspricht.
Eine strenge, dem Borgehen Kerschensteiners ent-
sprechende Untersuchung mühke als Borfrage klärend
feststellen, ob der Schüler schon mit diesem Stoff und
vor allem, ob er nach den llhlichen (üblen") Borlagen
hiezu gearbeitet hat. Dann erst könnte man einwand-
srei üas Berhällnis dieser Stufe zum „Plastischen"
erkennen. Man wird nach der sonsiigen psycho-
logischen Erkenntnis vermuten dürfen, dah dieser
Schüler ein solches Berhälknis gar nichk hak, dah er
seiner innersken Natur nach gar nicht „plastisch" ge-
stalten kann, krohdem die Urform alles Plastischen
und Körperlichen im Anfang des Schaffensvorgangs
immer wieder unter seinen Zänden entsteht.
sthm fehlt das innere Ersülltsein und Reif-
sein, üem diese geschlojsene Form entspringt,
und die Stufe der Sehnsuchk im stugendalter,
die vor ihm liegt, hält ihn noch lange ab, zu
ihr hinzufinden. Ob wir das Rechk haben, das Mo-
dellieren zu streichen, und der Erziehung zur „plasti-
schen" Form zuliebe auf der Unterstufe an seine Skelle
Tastübungen und Holzgestalkung mik vorgeformten
plastischen Körpern zu sehen? Wer üen Draim der
Züngsten unseres Kunsiunterrichks zu diesem Werk-
stoff kennt, und die vom strengen Skandpunkk un-
plastischen Erzeugnisse als Äefreiungsübungen werket
— ganz abgesehen davon, üah das Formen doch das
 
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