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Die Kunst in der Photographie — 5.1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.44519#0014
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Ziele hin — Schönheit bei Blumen, Schmackhaftigkeit und Fülle beim Obst und Gemüse, Steigerung aller
besonders wünschbaren Eigenschaften der Hausthiere — eine zweite Natur zu schaffen, wie sie dem feiner
entwickelten Bcdürfniss entsprach, das danken sie nicht in letzter Linie den zahllosen auf allen Gebieten
schaffenden Liebhabern.
Wir sind noch nicht in der Lage, soviele wirthschaftlich unabhängige Individuen von gutem Willen
und Aufopferungsfähigkeit ins Feld zu stellen, wie die Jahrhunderte hindurch mit Glück in jeder Form über-
schütteten Inselbewohner, bei denen es fast ein Räthsel ist, wie sie soviel gute Tage ertragen haben, ohne
in Grund und Boden verdorben zu werden. Nicht jede Rasse hätte das ausgehalten.
Aber die Umgestaltung unserer wirthschaftlichen Lage offenbart sich bereits deutlich in der Art, wie
die neugewonnene Musse und die neueroberte Wohlhabenheit sich ausdrücken. Berlin ist im letzten Jahrzehnt
zu einem der bedeutendsten Kunstmärkte des Continents geworden, und zwar nicht bloss zu einem Transit-
lager, sondern zu einem Consumptionsplatz. Gegen die achtziger Jahre ist das ein ungeheurer Fortschritt.
Und neben der einsetzenden Sammlerthätigkeit regt sich überall der ausübende Dilettantismus als eine Schule
der künstlerischen Erziehung des Auges.
* *
*
Auf keinem Gebiet des Dilettantismus in den bildenden Künsten ist die Arbeitsperiode so kurz und
auf keinem sind die Erfolge so überraschend wie auf dem der Amateurphotographie, oder, um den Ausdruck
zu brauchen, der ihr Ziel bezeichnet, der Kunstphotographie. Etwas über zehn Jahre ist es her, dass, von
England angeregt, die Thätigkeit in Wien eingesetzt hat, kaum sieben Jahre, dass, zunächst von Wien und
England unabhängig, die Hamburger Liebhaberphotographen sich organisirten. Und heute können wir neben
der Londoner, Wiener und Pariser Schule schon von einer deutschen sprechen, die in ihren höchsten
Leistungen den älteren Rivalen ebenbürtig zur Seite getreten ist.
Für die künftige Entwicklung braucht uns nun nicht bange zu sein, denn es sind so viele Kräfte
thätig und in den letzten Jahren haben sich auch aus den vornehmen Kreisen so viele Liebhaber der Kunst-
photographie zugewandt, dass die Bewegung sobald nicht abflauen wird. Von besonderem Werth zeigt sich
dabei die Thätigkeit der Damen. Es sind in den letzten Jahren Aufnahmen von so ausgezeichnetem Geschmack
entstanden, wie ihn in Deutschland ein Mann, der nicht als Künstler erzogen ist, nur in den allerseltensten
Fällen erwirbt. Für die weitere Vertiefung namentlich der Bildnissphotographie wäre es sehr erwünscht,
wenn das Beispiel, das die Gräfin Oriola, Frau Alma Lessing geb. Marschall von Bieberstein und in jüngerer
Zeit Frau Staatsminister Bronsart von Schcllendorff gegeben, Nacheiferung fände.
Aber wir wollen in der Freude über das Erreichte nicht vergessen, was noch zu thun bleibt.
Jetzt, wo wir einen Stamm von Liebhaberphotographen in Deutschland aufweisen können, die technisch
und künstlerisch auf der Höhe des bisher überhaupt erreichten stehen, wo ihr Beispiel nach unendlicher
Anfechtung sich unbestritten durchzusetzen beginnt, wo wir eine tüchtige periodische Litteratur, die auf
künstlerische Vertiefung dringt und eine Anzahl wegweisender Publikationen von zum Theil höchster Pracht-
entfaltung auch in Deutschland besitzen — lauter Dinge, die vor zehn Jahren noch nicht oder erst in den
Anfängen existirten —, jetzt wäre es an der Zeit, dass sich in allen grösseren Städten zunächst die Kunst-
photographen zusammenthäten, um mit Nachdruck beim grossen Publikum für die künstlerischen Grundsätze
zu werben.
Hie und da geschieht es schon. In Hamburg z. B. werden die Ausstellungen der Gesellschaft zur
Förderung der Amateurphotographie sehr stark besucht und besprochen, und um die besten Aufnahmen des
Jahres bewerben sich die Sammler. In Dresden und Hamburg haben die Kupferstichkabinette begonnen, die
höchsten Leistungen zu sammeln als einen Anhang zur graphischen Abtheilung der Kunstsammlungen und sie
stellen neben dem Kupferstich, der Radirung und der Lithographie auch das künstlerische Lichtbild aus.
Aber das genügt noch nicht. Die Masse ist träg und die schlechte Gewöhnung besitzt eine ungeheure Macht.
Wie viel können die wenigen Tausend machen, die jährlich die Ausstellungen guter Lichtbilder besuchen,
würden auch Alle zu Propheten der neuen Gedanken.
Da ist es ein Trost, dass Hülfe von einer Seite kommt, nach der man in bösen Erfahrungen auf
andern Gebieten befangen die Blicke zu richten nicht gewagt haben würde: von den Fachphotographen. Und
 
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