N°. 99
u n st - B l a t t.
Donnerstag, io. D e c e m b e r 1329.
Betrachtungen über die Kunstausstellung in München,
im Oktober 1829.
(Fortsetzung.)
XXIII.
Architektur. Unter den ausgestellten architekto-
nischen Entwürfen befinden sich von auswärtigen Künst-
lern nur wenige, die jedoch wegen ihrer Gegenstände und
ihrer Tendenz von Interesse sind. Die übrigen sind Ar-
beiten der Schüler, die man billigerweise mehr in Bezug
ans den Geist, der in der Schule herrscht, als nach dem
Verdienste des Einzelnen beurtheilen kann.
Hr. Baumeister Hübsch in Carlsruhe hat Entwürfe
zu einer katholischen Kirche eingesandt, die in einem der
altdeutschen Art sich anschließenden Style gedacht ist.
Emporstrebende Verhältnisse, hohe Fenster und schlanke
Säulen, nur überall statt des Spitzbogens der Rundbogen
angewendet, wobei) jedoch ungefähr dieselben Gliederungen
und sogar auch häufig dieselben Verzierungen, wie in der
altdeutschen Baukunst eintreten; das Ansehen des Ganzen
erinnert daher an die Werke des iiten und I2ten Jahr-
hunderts, in denen der Spitzbogen noch nickt durchgängig
und als Prinzip angewandt wurde. Das Innere nimmt
sich sehr gut aus und macht einen zugleich das Auge be-
friedigenden und das Gemüth erhebenden Eindruck. Nur
die zu ihrem geringen Durchmesser unverhaltnißmäßige
Höhe der Säulen ist störend. Denn über die von den
Griechen und Römern beobachteten Verhältnisse der Säu-
len läßt sich nicht wohl ungestraft hinausgehenz deswegen
haben die altdeutschen Meister, da ihnen eine größere
Höhe nöthig war, lieber den ganzen Charakter verändert
und Säulenbündel statt des einzelnen, glatten Schafts
angenommen. Was das Aeußere betrifft, so kann ich
nicht einsehen, warum der Architekt die zwey hohen Thürme
zu beyden Seiten des Chors angebracht hat, anstatt sie
zur Fayade zu benützen, mit der sie in diesem Baustyl,
wie mir scheint, unabänderlich verbunden seyn müssen.
Es ist keine passendere Fagade für eine christliche Kirche
denkbar, als zwei) Thürme an der Vorderseite des Schiffs.
Sie sind die Weiser nach oben und zugleich die Verkün-
diger des Gottesdienstes durch den Schall der in ihrer
Höhe schwebenden Glocken, und gehören deshalb recht ei-
gentlich au den Eingang, dem sie als Umgebung des Fron-
tons noch zur besondern Zierde werden. Die Wirkung,
welche Hrn. Hübsch's Composition des Acußern macht,
scheint mir etwas nüchtern und bey geringer Veränderung
der Massen und größerer Mannigfaltigkeit der Verzierun-
gen einer poetischer» Wirkung fähig.
Perspektivische Ansicht des Aeußern und Innern der
protestantischen Kirche in Pforzheim, von demselben. Es
ist mir unbekannt, ob diese Kirche von Hrn. Hübsch neu
gebaut wird, oder nur restaurirt und neu eingerichtet
worden ist. Nach den Zeichnungen zu urtheilen, hat mir
das Erstere mehr Wahrscheinlichkeit. Der Styl des Aeus-
sern ist derselbe, wie an dem vorigen Entwurf, doch ste-
hen hier die Thürme an der Facade und machen deshalb
eine weit bessere Wirkung. Auch der nach Innen liegende,
durch dre» Bögen gebildete Portikus ist schön angcordnet,
nur daß die inneren und äußeren Bögen aus höher und
tiefer liegenden Mittelpunkten gezogen sind und deshalb
ein unruhiges Ansehen haben. Aus dem Giebel würde ich
die Uhr hinwegwünschen, die an die Thürme gehört, denn
hier mahnt sie an ein Rathhaus. Das Innere ist durch
zwey Säulenreihen in drey Schiffe getheilt; die Säulen
sind in dem sogenannten vorgothischen, d. h. lombardisch-
deutschen Styl des 6ten bis loten.Jahrhunderts und tra-
gen große, schwere Rundbögen, auf welchen sich eine
zweyte, ihnen gleiche Reihe für die Emporkirche bis an
die flache Decke erhebt. Was der gegebenen Idee am
wenigsten entspricht, ist die Parthie des Altars, denn ein
Chor ist gar nicht vorhanden. Das Schiff schließt hier
mit einer geraden Wand, vor welcher der Altar steht;
darüber an der Wand ist die Kanzel angebracht. Zu bey-
den Seiten des Altars befinden sich zwey große Thüren,
über jeder derselben zwe» Fenster und über dieser ganzen,
nichts weniger als imposanten oder würdevollen Anlage,
die Orgel. Es ist freylich ein in vielen protestantischen
Kirchen hergebrachter Uebelstand, daß der Prediger auf
u n st - B l a t t.
Donnerstag, io. D e c e m b e r 1329.
Betrachtungen über die Kunstausstellung in München,
im Oktober 1829.
(Fortsetzung.)
XXIII.
Architektur. Unter den ausgestellten architekto-
nischen Entwürfen befinden sich von auswärtigen Künst-
lern nur wenige, die jedoch wegen ihrer Gegenstände und
ihrer Tendenz von Interesse sind. Die übrigen sind Ar-
beiten der Schüler, die man billigerweise mehr in Bezug
ans den Geist, der in der Schule herrscht, als nach dem
Verdienste des Einzelnen beurtheilen kann.
Hr. Baumeister Hübsch in Carlsruhe hat Entwürfe
zu einer katholischen Kirche eingesandt, die in einem der
altdeutschen Art sich anschließenden Style gedacht ist.
Emporstrebende Verhältnisse, hohe Fenster und schlanke
Säulen, nur überall statt des Spitzbogens der Rundbogen
angewendet, wobei) jedoch ungefähr dieselben Gliederungen
und sogar auch häufig dieselben Verzierungen, wie in der
altdeutschen Baukunst eintreten; das Ansehen des Ganzen
erinnert daher an die Werke des iiten und I2ten Jahr-
hunderts, in denen der Spitzbogen noch nickt durchgängig
und als Prinzip angewandt wurde. Das Innere nimmt
sich sehr gut aus und macht einen zugleich das Auge be-
friedigenden und das Gemüth erhebenden Eindruck. Nur
die zu ihrem geringen Durchmesser unverhaltnißmäßige
Höhe der Säulen ist störend. Denn über die von den
Griechen und Römern beobachteten Verhältnisse der Säu-
len läßt sich nicht wohl ungestraft hinausgehenz deswegen
haben die altdeutschen Meister, da ihnen eine größere
Höhe nöthig war, lieber den ganzen Charakter verändert
und Säulenbündel statt des einzelnen, glatten Schafts
angenommen. Was das Aeußere betrifft, so kann ich
nicht einsehen, warum der Architekt die zwey hohen Thürme
zu beyden Seiten des Chors angebracht hat, anstatt sie
zur Fayade zu benützen, mit der sie in diesem Baustyl,
wie mir scheint, unabänderlich verbunden seyn müssen.
Es ist keine passendere Fagade für eine christliche Kirche
denkbar, als zwei) Thürme an der Vorderseite des Schiffs.
Sie sind die Weiser nach oben und zugleich die Verkün-
diger des Gottesdienstes durch den Schall der in ihrer
Höhe schwebenden Glocken, und gehören deshalb recht ei-
gentlich au den Eingang, dem sie als Umgebung des Fron-
tons noch zur besondern Zierde werden. Die Wirkung,
welche Hrn. Hübsch's Composition des Acußern macht,
scheint mir etwas nüchtern und bey geringer Veränderung
der Massen und größerer Mannigfaltigkeit der Verzierun-
gen einer poetischer» Wirkung fähig.
Perspektivische Ansicht des Aeußern und Innern der
protestantischen Kirche in Pforzheim, von demselben. Es
ist mir unbekannt, ob diese Kirche von Hrn. Hübsch neu
gebaut wird, oder nur restaurirt und neu eingerichtet
worden ist. Nach den Zeichnungen zu urtheilen, hat mir
das Erstere mehr Wahrscheinlichkeit. Der Styl des Aeus-
sern ist derselbe, wie an dem vorigen Entwurf, doch ste-
hen hier die Thürme an der Facade und machen deshalb
eine weit bessere Wirkung. Auch der nach Innen liegende,
durch dre» Bögen gebildete Portikus ist schön angcordnet,
nur daß die inneren und äußeren Bögen aus höher und
tiefer liegenden Mittelpunkten gezogen sind und deshalb
ein unruhiges Ansehen haben. Aus dem Giebel würde ich
die Uhr hinwegwünschen, die an die Thürme gehört, denn
hier mahnt sie an ein Rathhaus. Das Innere ist durch
zwey Säulenreihen in drey Schiffe getheilt; die Säulen
sind in dem sogenannten vorgothischen, d. h. lombardisch-
deutschen Styl des 6ten bis loten.Jahrhunderts und tra-
gen große, schwere Rundbögen, auf welchen sich eine
zweyte, ihnen gleiche Reihe für die Emporkirche bis an
die flache Decke erhebt. Was der gegebenen Idee am
wenigsten entspricht, ist die Parthie des Altars, denn ein
Chor ist gar nicht vorhanden. Das Schiff schließt hier
mit einer geraden Wand, vor welcher der Altar steht;
darüber an der Wand ist die Kanzel angebracht. Zu bey-
den Seiten des Altars befinden sich zwey große Thüren,
über jeder derselben zwe» Fenster und über dieser ganzen,
nichts weniger als imposanten oder würdevollen Anlage,
die Orgel. Es ist freylich ein in vielen protestantischen
Kirchen hergebrachter Uebelstand, daß der Prediger auf