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Morgenblatt für gebildete Stände / Kunstblatt — 20.1839

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https://doi.org/10.11588/diglit.3207#0045
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35

Begeisterung für die Geheimnisse des physischen Lebens
ruht. Hierdurch gab er der Malerei eine völlig neue
Wendung; seine Poesie ist eine dantesk protestirende, seine
Empfindlings- und Ausdrucksweise ist herb und gewaltsam
— seine Darstellung sucht nicht das Schöne, was allen
Blicken gefällt, sondern das Außerordentliche und Unge-
wöhnliche, welches nur durch tiefes Studium hervorgc-
bracht und verstanden werden kann. Wie Raffael, gemäß
der ihm vvrangegangenen Kunst, seine Gedanken allein
durch den reinen Ausdruck der menschlichen Seele und
durch die heiterste, verständlichste Schönheit darlegte, so
drückte sich Michel-Angelo fast allein durch die Bedeut-
samkeit der körperlichen Form und ihrer Bewegungen aus,
und trieb dadurch die Malerei zu der Einseitigkeit, die
sich bereits in seinen nächsten Nachfolgern aus so er-
schreckende Weise kund gibt. Es wäre daher wohl dem
Gang der historischen Entwickelung angemessener gewesen,
wenn auf Leonardo, welcher die Malerei in das Gebiet
vollkommener Freiheit führte, Raffael in seiner schönen
und ausgebreiteten Wirksamkeit und erp nach ihm Buo-
narotti in seiner zerstörenden Abgeschlossenheit geschildert
worden wäre.

Im klebrigen hat die zweckmäßige Anordnung der
Gegenstände dem Vers, möglich gemacht, im engen Raum
eine große Menge historischer Notizen und sogar ausge-
führte Beschreibungen einzelner Kunstwerke aufzunehmen..
Die Angaben sind mit wenigen Ausnahmen den besten
Quellen entnommen und nur selten ist eine Auslassung
bemerklich. Sv hätten Thl. I S. 98 bei den Arbeiten
des Venozzo Gvzzoli die Malereien in der Capella
Riccard i zu Florenz Erwähnung verdient; S. 156 wäre
für die Würdigung von Lconardv's Composition des
Abendmahls die Bemerkung wichtig gewesen, daß ihm
Girlandajv's S. 101 angeführte Darstellung desselben
Gegenstandes in Umgestaltung der Motive vorangegangen;
S. 276 ist das schöne Bild von Niccolo dell'Abbate,
die Anbetung der Hirten im Portico de' Leoni zu Bologna
nicht erwähnt; S. 282 wäre'bei der schönen Würdigung
Sodom a's auch sein treffliches Opfer Abrahams in der
Capelle des Campo Santo in Pisa zu nennen gewesen.
S. 298, wo die Richtung des Parmeggianino cha-
rakterisirt wird, hätte zugleich der Nachahmung des Michel-
Angelo, die in einigen seiner Werke hervortrilt, gedacht
werden dürfen. Die eklektische Schule der Caracci ist
im Ganzen etwas kurz behandelt, und namentlich Franc.
Albani, dessen Fresken im Palast Verospi zu Rom doch
eine Erwähnung verdient hätten; eben so Pietro da
Cortona, bei welchem der Einfluß, den Correggio's
Werke auf seine Richtung gehabt, zu bemerken gewesen
wäre. Noch kürzer ist der Schluß, welcher die neueren
Kunstbestrcbungen der Italiener nur im Fluge berührt.
Außer Benb enuti und Camuccini hätten vor Allen

Appiani, dessen Fresken im Mailänder Schloß ihm
immer einen ehrenwerthen Namen sichern, dann die übri-
gen Mailänder, Bvssi, Palagi und Migliara hier
einen Platz verdient.

(Die Fortsetzung folgt.)

Neue Kupferstiche.

La Vicrge de la maison d’Orleans. Ra-
phael pinx. B. Desuoyers dcl. F. För-
ster sculpt. 1838. Le tableau original de
meine gründenr qui faisait parlic de la ce-
lebre collection du Palais Royal , est actucl-
lement dans celle de Mr. le Marquis de las
Marisinas del Guadalquivir ä Paris. Publ. p.
Veith et Hauser ä Paris. Impr. p. Bougnard.

Die Arbeiten, welcher Försters berühmter Grab-
stichel liefert, folgen mit ungemeiner Schnelligkeit auf-
einander , ohne daß man eine Abnahme in Hinsicht aus
Fleiß und Schönheit der Behandlung wahrnimmt. Im
Gegentheil scheint uns dies neue Blatt noch mehr Har-
monie und Einheit der Wirkung zn besitzen und mit
gleichmäßigeren technischen Mitteln durchgeführt zu seyn,
als die Viergc au Basrelief, die er vor einigen Jahren
nach Leonardo gestochen. Damit wollen wir nicht sagen,
daß uns die Art seiner Technik durchaus gefällt. Be-
kanntlich strebte Försters Grabstichel von jeher nach dem
Glänzenden; man sieht in allen seinen Blättern, daß er
diese Wirkung hauptsächlich durch eine kühne Anlage der
Taillen bezweckt, welche oft in gerade cntgegengesezter
Richtung einander durchschneiden und eine eigene stoff-
j artige, jedoch dem an die Natur gewohnten Auge selten
i ganz angenehme Wirkung hervorbringen. Diese Manier
finden wir im gegenwärtigen Blatt mit außerordentlicher
Conseguenz durchgeführt; können auch nicht leugnen, daß
in den lichten und Mitteltönen hie und da viel Schönes
dadurch erreicht ist — im Uebrigcn aber, besonders in
den Gewändern, bleibt doch die metallartige Wirkung
nicht aus und beunruhigt den Blick, welcher den sanften
Eindruck der stoffgemäßen Farbe sucht.

Dies Blatt wird sich indessen gewiß großen Beifall
erwerben. Es ist eines der lieblichsten Madonnenbilder
Raffaels, in die Reihe der Madonna Colonna, Tempi
! und der belle Jardiniöre gehörig, mit allem Reiz inniger
Empfindung und zarter Schönheit in Mutter und Kind.

; Die Gruppe ist säst dieselbe wie in der Madonna aus
! dem Hause Colonna, nur etwas mehr nach rechts gewen-
! det. In den Köpfen der Mutter und des Kindes ist ein
Register
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