Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Morgenblatt für gebildete Stände / Kunstblatt — 20.1839

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3207#0097
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
87

erscheint dem auf dem Lager Hingestreckten, gibt ihm die
Gesundheit wieder und zeigt ihm das Ordensgewand;
und endlich sehen wir ihn liebendem h. Domenico sitzend,
welcher durch seinen Händedruck ihn von Versuchungen
zu befreien wünscht. - Dem schlafenden Papst begegnen
wir im Innern der zweiten Abtheilung; aus Furcht und
Staunen erhebt er die linke Hand, und sieht mit seines
Geistes Auge den Einsturz des Lateran, dem allein die
starken Schultern des h. Domenico Einhalt thun können.
Auf dem Stuhl Petri scheint daneben derselbe Papst die
Regeln zu untersuchen, welche der Heilige knieend ihm
darrcicht, und dieselben zulezt, als anerkannt und gebil-
ligt, ihm. zurückzustellen. * Eine Madonna mit dem
Kinde nimmt die Mitte der Vorderseite, Christus die
der Rückseite ein; die pier Ecken schmücken die Doctoren
der Kirche.

Die hier zulezt genannten Nebenfiguren verrathen
allerdings sowohl in Composttion als in Ausführung
kaum mehr als handirerksmäßiges Geschick; die langen
Proportionen müssen an ihnen Jedermann auffallen.
Man darf sich nicht verhehlen, daß an der Rückseite eben-
falls diese, und in der Behandlung des Reliefs noch an-
dere Mängel zu erkennen sind. Die wunderrolle Be-
nutzung des Raumes und die Einfachheit der Anordnung,
welche uns in den zwei Reliefs der Vorderseite über-
raschen, verschwinden hier gänzlich; die Compositioncn
und somit die Figuren werden unverständig gehäuft, die
Köpfe groß und ohne Ausdruck, die Gewänder, so ziem-
lich in gleichen Winkeln gebrochen, umhüllen die Gestalt
ohne Gefühl und ohne Rücksicht für das Nackte, die Er-
tremitäten erscheinen in jeder Beziehung vernachlässigt.
Nur im Allgemeinen läßt die Gehabnng der einzelnen
Figuren die jedesmalige Absicht des Künstlers erkennen.

Aber wer wird dies dem Niccola beimessen, oder
gar daraus einen Grund gegen die Echtheit des ganzen
Werks entnehmen wollen? Im I. 1231 freilich werden
ihm keine Schüler zu Gebote gestanden haben; da er
aber im 2- 1266 nicht allein seine Gesellen ausdrücklich
nennt, sondern sogar Löwen und Capitelle für Kanzeln
im Voraus fertig hat, wird man um dieselbe Zeit wohl
Theilnahme seiner Freunde an diesem Werke voranssetzen
können. Und wo konnte er diese passender arbeiten lassen,
als in Nebenfiguren und an der Rückseite, die dem Auge
des Beschauers immer verborgener bleiben mußten?

Von diesen Werken find aber die Reliefs der Vorder-
seite (nnt Einschluß der Madonna), die zwei Seitenwände
und der Christus der Rückseite ganz und gar verschieden.
Ich kann hier, wenn nicht durchaus in Allem, doch im
größten Theile nur Niccola's eigene Hand erkennen; ja

* „Auf der Rückseite endlich ist der Tod des Orbcusstif-

ters vorgestellt.''

ich glaube, Niemand, wer sich längere Zeit mit den Ar-
beiten dieses Künstlers beschäftigt, wird es für Ueber-
treibung halten, wenn ich die Erweckung des Jünglings,
die Ketzerscene und die Madonna für das Schönste halte,
was je aus seiner Werkstätte hervcrgegangen. Die Be-
handlung des Reliefs ist freilich von den Kanzeln in Pisa
und Siena, aber daun auch wieder von einem sehr be-
stimmten Gesetz verschieden, welches sich an der Kanzel
von St. Giovanni Fuorcivitas in Pistoja erkennen läßt.
Es zeigt eben den wahrhaft künstlerischen Sinn Niccola's,
kleinere, mehr sriesartige Räume anders zu füllen, als
größere, eher selbstständig hervortretende und in die Höhe
gehende Platten — ein Sinn, der sich gerade in dieser
Weise wieder an den ebenfalls kleineren Tafeln des Brun-
nens von Perugia manifestirt. Mit dieser Arbeit steht
überhaupt das Bologneser Werk in nächstem Zusammen-
hang ; sie sind eins ohne das andere ihrem künstlerische»
Wcrthe nach nicht zu verstehen. Beide sind durch dieselbe
Beobachtung des gewöhnlichen Lebens ausgezeichnet, beide
durch das an weltlichen Personen wiederkchrcude Costüm
kenntlich — lauter Eigenthümlichkeiten, die wir bei seinen
Schüler» vergebens suchen. Solche der Falknerei ent-
nommene Motive, die Niccola sowohl in der Wirklichkeit,
als in gleichzeitigen Miniaturen gesehen haben mochte,
sind hier bei der Speisung an den Dienern, an dem tob-
ten Jüngling mit seinem Pferde, und selbst an den Ketzern
wieder zu erkennen. Die große Klarheit der Compvsitivn
— welche Cicognara an unserm Denkmal hinriß — ist
beiden Werken sowohl in einzelnen Figuren, als in ganzen
Gruppen gemein, und als ein Resultat der glücklicheren
Behandlung des Reliefs anzusehen. In diesen schöneren
Darstellungen sind die Umrisse auch bestimmt, ohne hart,
gefühlt und weich, ohne oberflächlich zu scpn. Die Ver-
schiedenheit der Trachten schloß schon die Monotonie der
Falten aus, welche bei den andern Vorstellungen ermüdet;
die Mönchsgcwänder und Togen zeigen bei aller Leichtig-
keit der Behandlung noch so viele Sorge für Durchfüh-
rung und Beendigung, als wir von einem in seiner
Kunst ergrauten Mann nur erwarten können. — Ob
diese Scenen einer lebhaften Phantasie und einer starken
Empfindung entbehren (S. 16), lasse ich unberührt, da
diese Bemerkung, so hingestellt, ganz subjektiv erscheinen
muß. Gewiß ist, daß bei einer wunderthätigen Speisung,
I bei einer Belehnung mit Stab und Buch nicht leicht an-
dere als ruhige Gefühle der Verwunderung und des Dankes
zum Vorschein koinmen — Manifestationen, die in dem
Gegenstände gegeben und deßhalb dem Künstler weder
im guten noch im schlimmen Falle auzurechncn sind.
Immer wird zu bedenken seyn, daß, da das Werk nur
' geringe Höhe haben konnte, und die Reliefs zunächst nur
verzieren sollten, man gerade Ursache hatte, so stark be-
wegten Darstellungen aus dem Wege zu gehen. — Man
Register
Für diese Seite sind hier keine Informationen vorhanden.

Spalte temporär ausblenden
 
Annotationen