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Morgenblatt für gebildete Stände / Kunstblatt — 20.1839

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https://doi.org/10.11588/diglit.3207#0293
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282

Der allgemeine Verfall der Kunst im >8ten Jahr-
hundert, die Schwierigkeit, gute Fvrmschueider zu bilden,
die Langsamkeit des damals üblichen Verfahrens, vielleicht
auch die Laune der wechselnden Mode, welche zu jener
Zeit das Geleckte und Manierirte des Kupferstichs ver-
götterte, brachten die Holzschneidekunst so tief herunter,
daß sie nur noch in der Vuchdruckcrei zu kleinen Vig-
netten und nichtssagenden Finalstöcken und anderen geist-
losen "Verzierungen angewandt wurde, und am Ende fast
allein den Dominotiers 1 anheimfiel; die Volksballaden
und Legenden waren die einzigen Werke, welche sich mit
den leztcn schwachen Leistungen dieser Kunst schmückten.

J-B.M- Papillon ist gewissermaßen der lezte fran-
zösische Formschneider des >8ten Jahrhunderts, welcher
künstlerisches Talent bewiesen hat. Wir besitzen von ihm
ein eigenes Werk über die Holzschneidekunst, unter dem
Titel: Traite historique et pratique de la gravure en
bois par J. M. Papillon. Paris 1768, 2 B'ände, nebst
einem Supplemcntbande, worin das Praktische und Me-
chanische der Kunst ganz vortrefflich und sehr ausführlich
beschrieben, der historische Theil dagegen sehr schwach und
unzuverlässig behandelt ist. Eine außerordentliche Leicht-
gläubigkeit hat den Verfasser zu zahllosen Jrrthümern
und sogar zu Ungereimtheiten verleitet, welche die spa-
teren Autoren", die denselben Gegenstand bearbeitet, mit
Recht gerügt und nachgewiesen haben.

Wie die Holzschneidekunst neuerdings wieder in Auf-
nahme und Aufschwung gekommen, entlehnen wir einer
kleinen, interessanten Broschüre, de la Xiiographic ou
gravufe sur bois betitelt, von H. Breviere. Der
Verfasser, ein tüchtiger Formschneider, ein ausgezeichneter
Künstler, ein liebenswürdiger Mensch und ein in jeder
Hinsicht erfindungsreicher Kopf, nennt den Engländer
Thomas Bewick als den Erneuerer und Erwecker der
modernen Formschneidekunst. Thomas Bewick war ein
Schüler von Vielby, einem Kupferstecher aus Newcastle,
und wurde im Jahr 1755 in dem kleinen Dorfe Eherry-
burn in Northnmberland geboren. Sein Name wurde
zuerst im Jahr 1775 bekannt. In diesem Jahre hatte
nämlich der Londoner Kunstverein einen Preis für den
besten Holzschnitt ausgesezt. welchen Thomas Bewick mit
einem Blatt errang, das einen von ihm iclbst gezeichneten
alten Jagdhund darstellte, und so vollendet war, daß alle
seine Mitbewerber einstimmig beseitigt wurden. Er hatte
nämlich ein leichteres und schnelleres Verfahren gefunden,
indem er nicht, wie die alten Meister, daö Holz aufs
Jahr, bois defil, sondern Hirnholz, bois debout,
anwandte, und anstatt der Messer der ehemaligen Form-
schneider andere Instrumente gebrauchte, welche mit denen
der Kupferstecher viel Sehnlichkeit hatten.

Herr Breviere bemerkt, er sei) überzeugt, daß das
Bewick'sche Verfahren nicht ganz neu, sondern schon den

vominotiers hieße» in Frankreich die ersten Buntpapicr-
fabrikanten, weil man das bunte Papier gewöhnlich
domino nannte.

Dabin gehören: Herr von He in ecke in dem oben an-
gezogene» Werk und in den Nachrichten von Künstlern
und Kunstsachen, wovon der zweite Theil eine ausführ-
liche, mit vielem Fleiß und Wissen verfaßte Abhandlung
über die Formschnciderci enthält; Brcilkopf in den
von I. C. F. Roch herausgcgebencn Materialien zur
Geschichte der Holzschneidekunst, welche den zweiten Theil
zu dem „Versuch über den Ursprung der Spielkarten
und die Einführung des Leineupapiers in Europa" bil-
den; Jansen in dem bereits angeführten Kssai sur
l’originc de la grovure en bois, wo man viele merk-
würdige Details über die Holzschneidekunst findet, die
aber meistens aus dem Breiikopf'schen Werke ausgczogen
seyn sollen, wie Herr Brunet i» seinem Manuel du
Libraire im Artikel Breilkopf versichert. Ich kenne die
Breitkopf'sche Schrift nur aus einzelnen Citatcn, und
es ist mir nicht gelungen, sie in Paris aufzulreibcn;
dagegen war cs mir vergönnt, in der Bibliothek eines
reichen Privatmanns die Werke zweier Engländer zu
durchblättcru, welche über Holzschneidekunst geschrieben
haben und von uns schon erwähnt worden sind, ich
mcmc die Herrn Ottlcy und Singer. Des Erstere»
-"Forschungen über den Ursprung und die Geschichte der
ersten Zeiten der Kupferstcchcrei und Formschneiderci"
evfleu drei Kapiteln von der Formschneidc-
- Erfindung der Verfasser den Chinesen zu-

ftricht, von denen sie die Vcnetiancr nach Eurova hin-

übcrgebracht hätten. Das Werk des Herrn Singer,

Researches inlo tbe history of playing Cards, willi Illu-
stration of tbe origin of printing and en'Taviri" 0f
Wood. London. isi6 in 4., mit neunzehn Kupfcrtafcln
und vielen Holzschuitlen, die mit in den Text einge-
druckt sind, — ist eine bibliographische Seltenheit; cs
sind nur 25o Eremplarc davon gedruckt worden; was
typographische Ausführung anlangt, kann man nichts
vollendeteres sehen: die Vignetten und Anfangsbuch-
staben, womit es illtistrirt ist, sind äußerst geschmackvoll
und die zahlreichen Faesimiles aller Holzschnitte sind
vollkommen wicdergegeben von zwei englischen Künstlern,
Bpsield und Swaine, denen diese Arbeit zur größten
Ehre gereicht; kurz Drucker, Künstler unb Verleger
vssbe» den Verfasser dieser Forschungen, einen gelehrten
Bibliographen und aufgeklärten Kunstfreund, aufs Beste
nnterstüzt. Die prachtvolle äußere Verzierung und die
Kupfertafcln und Holzschnitte sind jedoch nicht das ein-
zige Interesse, welches dieser Baud darbietet, wenn cs
auch der bescheidene Verfasser in seiner Vorrede sagt.
Er hat sein Werk in drei Abthcilungcn gesondert, wo-
von die zweite die Geschichte der Typographie und der
Holzschneidekunst in ihren Beziehungen zu den Spiel-
karten umfaßt; der Verfasser meint, daß die Formsctmei-
dcrei zuerst zur Verbreitung von Heiligenbildern gebraucht
worden sey, und daß die Kartcnfabrikantcn dieses Ver-
fahren beuujt hätten, um ihre Mühe und Arbeit abzu-
kurzen. Herr Renonard in dem reichhaltigen Kataloge
seiner Bibliothek erwähnt des Singcr'schcn Werkes »üt
vielem Lobe.
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