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Morgenblatt für gebildete Stände / Kunstblatt — 20.1839

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https://doi.org/10.11588/diglit.3207#0366
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354

werden. Betrachtet man Maximilians hervorragende Eigen-
schaften, als Lehnsmann, Fürst oder Feldherr, so kann
man nicht umhin, ihn an Gesinnung groß und an Gaden
reich zu finden, größer und reicher, als die nachfolgenden
Geschlechter, und es war ein inhaltvolles Wort, welches
der König bei der Enthüllung des Denkmals aussprach,
daß er „eine fast zweihundertjährige Schuld löse."

Bei den übrigen durch den König errichteten Kunst- ;
denkmalen sehen wir fast durchgängig einen breitangelegten
Plan, an dessen Ausführung mehr oder weniger alle
Künste Theil haben; hier dagegen steht die Skulptur
allein; noch mehr, sie begnügt sich mit der Darstellung
der Persönlichkeit, deren Verherrlichung es gilt. Wie
wenig auch im Allgemeinen eine solche Beschränkung bei
Errichtung. von Denkmalen ausgezeichneter Männer gut
zu heißen seyn dürfte, bei einem Fürsten und Feldherrn,
wo die Wirksamkeit so innig mit der bloßen Erscheinung
verwebt ist, wird sic stets an der rechten Stelle seyn.
Zwar ist Marimilian Repräsentant einer bestimmten all-
gemeinen Richtung, der Träger einer in die Geschichte
eingreifenden Gesinnung, sein geistiger Arm reicht un-
endlich viel weiter als sein leiblicher, und reichlich bieten
Motive für monumentale Unternehmungen bei ihm sich
dar. Das aber erscheint am Plan des vorliegenden Kunst-
werks als Aeußerung richtigen Gefühls, und muß mit
Dank und Anerkennung hcrvorgehvben werden, daß eine
Darstellung gewählt wurde, die sich auf Eigenschaften be-
zieht, der gerechter Sinn, auf welcher Seite er sich auch
äußere, die volle Zustimmung nicht versagen kann, und
die keine andere Gemüthsbewegung, als die der Thcil-
nahme und Bewunderung hervorruft. So war der Plan,
den Fürsten als Feldherrn hinzustellen, und damit an
jene Eigenschaften zu erinnern, die dem Gegner Achtung,
dem Freunde Verehrung abgewinnen, unbedenklich der
glücklichste. Reliefs am Postament wurden von diesem
Standpunkt aus unzulässig, da sie entweder als Bezeich-
nung der Regententugenden von dem Sinne der ober»
Darstellung sich entfernt, oder da sie bei weiterer Aus-
führung der Feldherrntalente, in Verbindung mit Thatcn,
Antipathien geweckt haben würden, an denen das Leben
ohnedies keinen Mangel hat, und die wenigstens die
Kunst nicht mehren und nähren soll. Es ist also Marr-
milian der Feldherr, der scharfblickende und ernstgebie-
tende Ordner und Lenker der Schlachten, den wir im
Schmuck der Waffen hoch zu Rosse vor uns sehen.

Bei der Darstellung selbst begegnen wir zuerst der
schwierigen Frage von allgemein künstlerischer Bedeutung
nach dem Moment der Auffassung. Welches Creigniß
aus einem langen, thätigen Leben, und wieder, welcher
Augenblick dieses Ereignisses soll gewählt werden? 2»
welchem The,le spricht das Ganze sich aus? Ein Bota-
niker würde antworten: im Saamcnkorn liegt die ganze

Pflanze, es ist ihre That und ihr (idealer) Inhalt. Des
Feldherrn That ist die Schlacht; ihr (idealer) Inhalt das
Cvmmandowort. Hiemit haben wir den Moment der
Auffassung. Im Angesichte der Heerschaaren, im Beginn
der Schlacht schreibt der Lenker derselben beiden ihren Gang
vor: in der erhoben gestreckten Rechten liegt die Entschei-
dung. in seiner Hand der Sieg. Nur der Anfangs- oder
der Endpunkt der Bewegung gehören der bildenden Kunst,
wie nur der ausholende Arm (in der Darstellung) den
Schlag bezeichnet, vbfchon jener, um diesen zu vollführen,
eine Viertelkreislinie und mehr beschreiben muß. Darin
liegt auch die Erklärung der Stellung des Pferdes. Nicht
im vollen Trabe, wie das des Gatta Melatta in Padua,
»icht ansprengend wie das von August dem Starken in
Dresden, die beide (mit allen verwandten Darstellungen)
beunruhigen, sondern angehalten im Lauf, im Moment
des Uebergangs aus der Bewegung in die Ruhe ist es
aufgefaßt, so daß Reiter und Roß gleichmäßig zwischen
Ruhe und Bewegung mitten inne stehen, nur mit dem
Unterschiede, daß leztre beim Roß, weil sie bei ihm selbst
statt fand, aufhören muß, während sie beim Reiter, weil
sie außer ihm erfolgt, eben erst beginnen soll. In diesem
feinen Spiel der Gegensätze, das in allein Detail sich
wiederholt, in diesem Streifen an die Schranken, ohne
sie zu berühren, liegt das Geheimniß richtiger Auffassung
und lebendiger Darstellung, einer der größten Reize des
gegenwärtigen Kunstwerks.

Betrachten wir nun die Ausführung der in bezeich-
netcr Weise aufgefaßten Aufgabe! Eine der vielfach in
unfern Tagen aufgeworfenen Fragen ist die nach der
Wahl des Kostümes. Unsere ans der Schule antiker Kunst
hervorgegangenen Bildhauer sträuben sich bei Darstellun-
gen aus. neuer Zeit gegen das Kostüme derselben. Unge-
recht wäre cs, dieser Weigerung einen andern Grund
als den Widerwillen eines gebildeten Geschmacks gegen
allerhand Thorhciten und Häßlichkeiten unterzulegen;
allein dessen ungeachtet darf sie nicht auf unbedingten
Erfolg Anspruch machen: die Kunst hat höhere Aufgaben,
als die der formalen Schönheit (wie schon monumentale
Bildwerke, überhaupt statt eines Apollo, Alcibiades, einer
Venus oder Phryne beweisen), und es liegt — Michel
Angelo hat es gezeigt — in ihrer Gewalt, jede derartige
Anforderung durch größere Leistungen zum Schweigen
zu bringen. Thorwaldsen stellt seinen Helden i» der Rüstung
des I7tcn Jahrhunderts dar. Es wird Niemanden cin-
fallen, dieselbe mit ihrem bis über den Leib herabgehen-
den, glatten Vrustharnisch, mit der armadillartigen Be-
kleidung der Oberarme und Schenkel, so wie den Halb-
schienen rc. für die Skulptur besonders günstig zu halten.
Und doch, wen stört sie, an dieser Statue? ja wer möchte
sie gegen die Aleranders oder Cäsars, oder gegen sonst
ein antikes oder ideales Kleid vertauschen? Man fühlt
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