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Morgenblatt für gebildete Stände / Kunstblatt — 22.1841

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https://doi.org/10.11588/diglit.3203#0046
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38

14) „Aftthor und Susann« mit zwei Kindern."
(Auf Holz. Dimensionen wie oben.) *

Susann« sitzt rechts, dem Beschauer zugcwendct,
in rothem Kleide und weißem Schleier, mit einem in
Linnen gekleideten Kinde auf dem Schooße. Links sitzt
Psethor, eine alterthümlich ernste und würdevolle Gestalt
in grauem wallendem Barte und Haupthaar. Cr trägt
einen graue» Ueberwurf über sein gelbes Unterkleid,
und eine Art Turban. Zwischen seinen Knieen steht ein
mehr erwachsenes holdes Mädchen, abermals in jenes
Grünblau gekleidet; es scheint nach Usethors an Susann«
gerichteter und von einer Bewegung mit der Linken be-
gleiteter Rede hinzuhorchen, während das Kind auf 1
Susannens Schooße sich neckend mit des Mädchens schlicht
herabfallendem Haare zu schaffen macht. Zu den Füßen
der Gruppe liegt eine Rolle mit der Inschrift:

von Z?setbor und susanna

ist geboren hilmeria und Anna.

Der Catalog der königlichen Pinakothek erklärt beide
Nummern für zweifelhaft. Es ist dies ein Zeugniß
jener besonder» Gewissenhaftigkeit, womit man bei Be-
nennung der dieser Sammlung einverleibten Stücke zu
Werke ging. Wohl hätte man anderswo ihre Herkunft
von Martin Schongauer nicht beanstandet, wie sie denn
von jenen Galerien, in welchen sie zuvor aufgestellt
waren, z. B. der gräflich Rechbergischen und fürstlich
Dettingen-Wallersteinischen, und wo ihre Pendants sich
dermalen befinden, nämlich in der Moritzcapelle zu
Nürnberg, kaum einem Zweifel unterlag oder noch unter-
liegt, wofür übrigens auch eine anscheinend innig gei-
stige und technische Verwandtschaft dieser Werke einen
billigen Grund abgibt. Cs ist überhaupt so schwer, über
die Echtheit eines Schongauer'schen Gemäldes mit Zu-
versicht zu urtheilen, denn selbst die in Colmar befind-
lichen Werke dieses Meisters, welche doch bei derlei
Untersuchungen die leitenden sind, und allenthalben zur
Probe dienen, legitimiren sich als solche weder durch ein
Monogramm noch eine direct auf sie gerichtete Urkunde,
sondern hauptsächlich nur durch die Ueberlieferung alter
Sage; und auch der Beweis, welcher aus Schougauer's
Kupferstichen geholt werden wolle, ist nicht unantastbar,
denn welch ein anderer ist Martin Schongauer als
Maler, welch ein anderer als Stecher!

Hat nun aber einmal die Ucbereinkunfk der Kenner
die Colmarer Bilder für echt erklärt, und haben die
Münchner, unter Nr. 8, 9, lO u. ll erwähnten, im
Vergleich mit jenen die Probe bestanden, was Thatsache
ist, so konnte nur eine unbestechliche Strenge über die
Echtheit der vorstehenden Bilder Zweifel erheben, denn

9 Pinakothek Saal I. Nr. ll.

sie schließen sich an die übrigen mit frappanter Aehnlich-
keit in Auffassung und Behandlung. Die von Martin
Schongauer in eben so selbstständiger als anziehender
Weise ausgebildete Darstellung häuslicher Deschlossenheit
und schlichten gemüthlichcn Familienlebens, wie sie auf
dem unter Nr. 9 besprochenen Bilde mit dem heiligen
Servatius von anerkannter Echtheit sich kund gibt, kehrt
nicht allein auf den beiden, als zweifelhaft benannten
Tableaur der Pinakothek, sondern auch auf ihren Folge-
stücken zu Schleißheim und Nürnberg in aller Eigcn-
thümlichkeit ihres Charakters wieder; ja die architekto-
nische Anordnung des Raumes und die Stellung der
Gruppen in dieser erweist sich auf ihnen allen als eine
fast sclavischc und handwerksmäßige Wiederholung ihrer
selbst. Alle diese, zumeist aus dem Leben der heiligen
Maria entnommenen, Familiengruppen nämlich entwickeln
sich innerhalb derselben im Vordergründe rechts oder
links durch zwei Marmorsäulen geschlossenen Scenerie
aus grünen, roth oder gelb besetzten Vorhängen, mit
einer viereckigen aber durch Goldgrund geblendeten Fen-
steröffnung. Jenes dem Meister cigenthümliche Blau-
grün spielt eine durchgreifende Rolle, und oft ist sogar
der Goldgrund im gleichen Muster brochirt; auch findet
sich überall zu den Füßen der Gruppe jener Streif mit
einer poetischen Erläuterung derselben. Allein bei nä-
herer Vertrautheit mit dem Geiste unseres Meisters
erregen gerade diele Wiederholungen das hauptsächlichste
Bedenken gegen die Herkunft dieser Bilder von Martin
Schongauer, denn sie mögen ihren letzten Grund denn
doch nur in einer ziemlichen Beschränktheit der Phantasie
oder einer schöpferischen Nonchalance haben, Fehler, von
denen auch die Kupferstiche Schougauer's nicht leer aus-
gehen konnten, waren sie überhaupt ihm eigenthümlich.
Im Gegcntheile entfaltet sich in diesen eine derlei Vor-
würfe geradezu widerlegende üppigrankende Erfindungs-
gabe, ein Reichthum und eine Mannichfaltigkcit der
Darstellung, eine poetische Fülle, die am allerwenigsten
je um die Anordnung des Beiwerks verlegen seyn konnte.
Ueberwiegend ist daher die Wahrscheinlichkeit, daß dieser
CycluS schon vermöge der Ucbereinstimmung ihrer Di-
mension, wie nach ihrem Inhalt zusammengehöriger Ge-
mälde, von der Staffelei eines bei weitem tiefer in das
tcckmische Kunstvcrmögen, in die äußere Manier der
Darstellungsweise alö den hohen Geist des Meisters cin-
! gedrungenen Schülers stammen, der wohl gar einmal
jenen echten Servatius beim Entwurf und der Durch-
führung seiner Bilderfolge vor Augen gehabt und nur
allzuängstlich zu Rathe gezogen haben mag. Dem kun-
digeren Auge werden aber dessen ungeachtet die, wenn
auch nicht sehr hervorstechenden Abweichungen entgehen,
welche des Schülers Werke als solche von ihrem Muster-
bildc ausscheiden, und die sich vorzüglich,'c als ein weniger
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