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Morgenblatt für gebildete Stände / Kunstblatt — 22.1841

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https://doi.org/10.11588/diglit.3203#0132
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und perspektivischen Abbildungen ist Kenntniß und Stu-
dium der Architektur wesentlich erleichtert.

Bei vollkommenster Anerkennung des Werthes und
Verdienstes jener Abbildungen, sind jedoch die plastischen
Nachbildungen der Bauwerke von Kallenbach und Zmud-
zinsky mehr als alle andern geeignet, die vaterländische
Architektur auf wahrhaft populäre Weise übersichtlich zu
machen und im Ganzen wie in den Details auf das
Faßlichste und Bequemste zu versinnlichen.

Diese plastischen Nachbildungen sind aus Holz und
Cartvn mit bewundernswürdiger Genauigkeit gearbeitet,
die Gliederungen der Portale, Bogen und Spitzen sind
vollkommen scharf und deutlich, ja selbst Statuen, Ro-
setten und das feinste Blattwerk sind so sauber und
schön, daß sie bei dem Betrachten mit einem Vcr-
größcrungsglase fast noch gewinnen. Die Modelle sind
in löOmaliger Verkleinerung gehalten und mit einem
der Natur möglichst nahe kommenden Farbanstrich ver-
sehen, so daß sie einen gewissen Grad von Natürlichkeit
besitzen und durch das Zusammenstellen von Kathedralen,
Rathhäusern, Schlössern, Burgen, öffentlichen und Pri-
vatgebäuden zugleich das gegenseitige Größcnveryältniß
recht klar und bestimmt hervorgehvben wird. Von den
verschiedensten Standpunkten, bei freigewählter Beleuch-
tung, kann man jedes Gebäude wie dessen Verhältnisse,
Details und Ornamente von allen Seiten bequem und
genau beobachten und studiren, und selbst malerische
Studien sowohl in Bezug auf Form, wie auf Licht-
und Reflerwirkung machen. Sv malerisch und schön
auch D. Quaglio's (zugleich lithvgraphirten) Ansichten
von „Schloß Marienburg" sind, so kann man doch
erst durch Kallenbach's plastische Nachbildung einen Begriff
von der Unermeßlichkeit dieser kolossalen Bauwerke ge-
winnen, die man auch in der Natur nur stückweise
beobachten kann. Mit Hülfe der von Kallenbach aus-
gegebenen Beschreibung ist man zugleich im Stande, so-
wohl die Aeußerlichkeiten als die Bestimmung der inner«
Hallen, der Wohngebäude mit dem Schlosse des Hoch-
meisters zu verfolgen und sich über die Bestimmung der
einzelnen Räume zu unterrichten.

Marienburg, das ausgedehnteste und großartigste
Ritterschloß aus dem Mittelalter, gilt in der Samm-
lung als der wichtigste Repräsentant des alten Burgen-
styles; daneben betrachten wir mit Interesse das Burg-
schloß „Knrnik" bei Posen, welches im gothischen Style
von Schinkel erbaut ist und einen vortrefflichen Eindruck
macht. Der gräflich Redern'sche Palast zu Berlin, der
durch Schinkel eine neue Gestalt erhalten, steht wiederum
unter den „Wohnhäusern" obenan, dann folgen ein-
fachere aus Berlin, Potsdam, Danzig, Thvrn, Maricn-
burg u. s. w., welche indeß weniger interessiren als die
alten Häuser aus Köln mit schönen Giebeln im Rund- '

bogenstyl erbaut und verziert, und wie die aus Worms,
Frankfurt und Hannover, deren steinerne Giebel zum
Theil einen großen Reichthum von Säulen, Bogenwerk
und Zinnen im Spitzbogenstyl zeigen. Sehr bald wird
in dieser Sammlung auch die Holzarchitektur vertreten
seyn; Kallenbach hat in Halberstadt vier »och gut erhal-
tene, zum Theil mir dem schönsten Schnitzwerk verzierte
Holzhäuser aus dem 15ten und löten Jahrhundert aus-
genommen und wird deren Nachbildung beschleunigen.

Unter den „ Rathhäusern " heben wir die von Breslau
und Danzig heraus, die sowohl in ihrer Hauptgestalt
als mit den vielen Fenstern und Erkern sowohl, als mit
den Thürmen und Dächern wieder eine eigenthümliche
Gattung bilden. Andere öffentliche Gebäude aus dem
löten und 17ten Jahrhundert sind das Zeughaus zu
Danzig, die Gymnasien zu Marienwerder und Stettin,
das Landschaftshaus zu Posen. Wir erwähnen ferner
des schönen Gebäudes im Friedrich-Wilhelms-Garten
zu Magdeburg und weisen besonders auf die Glyptothek
und Pinakothek zu München hin, in welchen die Bau-
kunst neuerer Zeit eine» ihrer herrlichsten Triumphe feiert.

Als das Imposanteste der ganzen Sammlung ragen
„der Münster zu Freiburg im Breisgau" und der erz-
bischöfliche Dom zu Magdeburg hervor. Dieser, durch
die Munificenz des höchstseligen Königs von Preußen
völlig wiederhergestellt und neu ausgeschmückt, gehört
zu den wenigen Domen, welche in allen ihren Thcilen
vollendet sind. Auch der Eindruck der Nachbildung ist
höchst großartig, sie beschäftigt den emsigen Beschauer
wiederholt Stundenlang und dem Neugierigen bietet
sie Gelegenheit sogar die Reihen der Jungfrauen zu
zählen, die sich in der Halle des nördlichen Vorbaues
befinden.

Der Dom zu Freiburg, ein weltberühmtes Meister-
werk mittelalterlicher Baukunst, gehört dem 13rcii und
14ten Jahrhundert an. Sein Thurm ist schlanker und
eleganter als der des Münsters zu Straßburg, seine
Verhalrinffe jmd edler und reiner als die der Thürme
zu St. Marien in Antwerpen und zu St. Stephan in
Wien. Vor diesem grandiosen Bauwerke weilt man,
wie in der Natur, so auch vor der Nachbildung, mit
Staunen. Genauigkeit und Zierlichkeit har bei dieser
Arbeit den höchsten Grad erreicht, und man sieht, daß
Kallenbach mit Verstand in den Geist seines erhabenen
Vorbildes eingedrungcn ist und cs mit Geist wieder zu
geben im Stande war. — Bald wird auch der Münster
zu Straßburg die Sammlung zieren, dessen Nachbildung
der Vollendung nahe ist.

Die Herren Kallenbach und Zmudzinsky reisen eben-
sowohl, um ihre jetzt vollendeten Sachen öffentlich aus-
zustellen, als um neue Aufnahmen zu machen und für
die Vermehrung der bereits sehr reichhaltigen Sammlung
zu sorgen. Wahre aufmerklamc Theilnahme ist ihnen
das Wichtigste, sie haben diese bereits in mehreren be-
deutenden Städten, auch bei uns gefunden, und werden
gewiß überall willkommen seyn.

Halbcrstnbt, F-bruar 1841.

Br. Fr. Lncanus.

Verantwortlicher Ncdacteur: von Schorn.
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