Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Morgenblatt für gebildete Stände / Kunstblatt — 26.1845

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.3182#0303
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
294

Art reich verziert ist. Das Gewand der Maria ist weiß
und das des Kindes roch emaillirt. Zn den Füßen Ma-
ria's niedrere Engel und weidende Lämmer. Auf dem
zweiten Absätze kniet links in anbetender Stellung Kö-
nig Karl VI. von Frankreich, in einem mit goldenen
Lilien besäeten azurblauen Mantel; hinter ein Hund
und gegenüber stehend ein gewappneter Knappe, welcher
des Königs Helm auf einem Kissen trägt. Auf dem
untersten Absätze steht ein zweiter Knappe, welcher des
Königs Leibroß, einen reich anfgeschirrten Schimmel,
führt. Dieses Knappen Bekleidung ist weiß und roth
getheilt (mi- parli). Die weiß und roth getheilteu
„Strümpfe" gelten beim Volke als Wahrzeichen der
gesehenen Schatzkammer. Der Untersatz ruht auf nied-
rigen gvlhischen Säulchen. Auf beiden Seiten desselben
führen Siufen zu dem Absätze, worauf der König kniet.
Die etwa 6 Zoll hohen, freistehenden Figuren, worun-
ter jene des Königs offenbar porrrätirt ist, sind mit
äußerster Zartheit emaillirt. Die bis in das kleinste
Detail gehende meisterhafte Ausführung, die Lebhaftig-
keit deö Ausdrucks und das Gefühl, mit welchem die
Köpfe behandelt sind, erinnert an jene herrlichen alt-
französischen Miniaturwerke.

lieber die Herkunft dieses Kunstwerks, welches
früher in der Frauenkirche zu Ingolstadt aufbewahrt und
im Jahr 1509, nebst andern Kleinoden, der Kapelle zu
Alt-Oetting, für die im Landshuter Erbfolgekrieg ab-
handen gekommenen werchvollen Gegenstände, als Ersatz
gegeben wurde, geben bereits Aventin und Zeitler
Nachricht. Letzterer erwähnt > dieses Werkes wie folgt:
„Ein vornehmer Freiher meldet von ihr" (die Kirche
in Ingolstadt) „in seinen geschriebenen Reisen: die Kirch
sey herrlich und groß, darinn das schönist und köstlichste
Marienbild, deßgleichcn nicht zu finden seyn solle, werde
vor eine sonderliche Antiquität gehalten; die Arbeit,
Edelstein und Schmelzwerk soll über 50,000 Cronen ge-
schätzt werden; das Bild ist von klarem Gold, ziemlich
groß, der Rock überall gantz weiß geschmeltzt gar künst-
lich, dafür knpet ein Bild, so einem König von Frank-
reich vergleicht, hat ein lang Klepd an, blawfarb mit
gelben Lilien, alles gar schön darauff geschmelzt; ist auch
mit gar köstlichen Edelstein besetzt. Sonst ist noch ein
klein Bild dabei, S. Michel mit der Wag in der
Hand, auch von Gold und Edelstein und mit allerhand
Farben geichmeltzt, künstlich gearbeitet; wie dann diese
Bilder zusammen gehören." —

Nachdem Zeiller eine Beschreibung des Baues der
Jngvlstadter Kirche, durch Herzog Ludwig den Bärtigen,
gegeben, fährt er fort:

1 Topographie von Ober- und Niederbapern. Frankfurt
1644. Fol. S. 25 II. 26.

„Es ist aber dabei zu mercken, daß gemeldten Her-
zogen Ludwigen im Bart Schwester, Fraw Elisabeth
(die berüchtgte Jsabeau de Baviere), König Karoln, die-
ses Namens den Sechsten in Frankreich gehabt, welcher
und seine Gemahlin, ihme Hertzog Ludwigen, dem
Schwägern und Brüdern, einen gewaltigen Schatz ge-
geben, welchen er eingeschlagen und vor ihm her in
Bayern hat führen lassen. Und von diesem Schatz hat
Hertzog Ludwig hernach obgedachte newe Pfarrkirchen zu
unserer lieben Frawen von Grund aufbawen lassen.
Aventinuö, da er im 8. Buch seiner bayerischen Chronik
am 411 b Blatt von besagtem Schatz handelt, meldet,
daß der Nath allhier ein groß Pergameubuch habe, darin
alle Stück, was ein jegliches an Silber, Goldt, Edelge-
stein gewogen, gehalten, gölten, beschrieben stehen, und
seye alles umb 50 Thvnnen Goldtes angeschlagen wor-
den. TbeilS wollen, das oberwehnte schöne güldene,
unnd mir einem großen Haufen Saphiren, Rubinen,
Perlen und andern Steinen geziertes Marienbild, unnd
den Ritter, uff 100.000 Gülden, unnd allein den Ru-
bin am Bilde auff der Brust, wie ein Hertz geschnitten,
uff 14,000 Gülden werth schätzen. So aber vielleicht
von voriger Zeit, da man reicher und die Edelgestein
nicht so gemein, als jetzt gewesen, zu verstehen seyn
wird."

Von dieser Schätzung abgesehen, welche bereits dem
Topographen Zeiller etwas bedenklich erscheint, bleibt
nur noch beizufügen, daß der, von Ludwig dem Bärti-
gen nach einem im Jahr 1413, während der Regierung
des wahnsinnigen Königs Karl VI., in Paris statt ge-
habten blutigen Aufruhr, nach Bayern entführte fran-
zösische Königsschatz noch mehrere Kleinode enthalten hat,
welche äitern Nachrichten zufolge1 nach Alt-Oetting ge-
langt, jedoch nicht mehr vorhanden zu seyn scheinen, wie
u. a. der von Zeiller oben erwähnte „St. Michel mit
der Wag" oder „der Ritter." Auch muß das Email-
werk mit dem „goldenen Rößl" mehrere Veränderungen
erlitten haben, weil in frühern, jedoch etwas verwor-
renen Beschreibungen 2 der daran befindlichen, jetzt nicht
mehr vorhandenen Figuren der hh. Georg, Elisabeth,
Johannes des Täufers und des Evangelisten gedacht
wird.

Möchte dieser kurze Bericht einen der Münchener
Künstler veranlassen, dieses interessante Kunstwerk durch
eine getreue Abbildung bekannt zu machen.

_ C. Becker.

1 J. Insing, hisloria D. Virginis oelinganac. 1643.

2 Lang, Geschichte Ludwig des Bärtigen. Nürnb. 1S21,
Buchfclncr, Geschichte der Verehrung Maria zu Alt-Oetting.
Daselbst i8S9.
Index
There is no information available here for this page.

Temporarily hide column
 
Annotationen