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auf der Hand trüge und wenn die eingeritten Zeich-
nungen an dem Postamente ihn nicht als den großen
Bildhauer erklärten; viel besser ist sein an den Felsen
geschmiedeter Prometheus; der ganze Körper zeigt, wie
der Kopf selbst, den rasenden Schmerz in der Aufregung
jeder Fiber, doch wirket cs tröstend, den erschossenen
Geyer daneben, also die Ursache der Pein getilgt zu
sehen. In Pradiers Arbeiten blickt das Studium der
Antike, obgleich er es gewiß ernstlich getrieben, nicht
störend mehr durch; bei dem Giebelfelde des Palais
Lurembourg wird man freilich noch daran erinnert, das
kam aber hauptsächlich durch die vorgeschriebenen Gegen-
stände, in denen er den Krieg, die Weisheit, die Be-
redrsamkeit, die Klugheit, die Gerechtigkeit und mehrere
ganz frei stehende Figuren darstellen mußte, welche ihre
Form daher noch zum Theil von der Antike borgten,
ihren Geist aber durchaus von der modernen Zeit er-
hielten. Pradier ist überhaupt der modernste und
darum nationalste Bildhauer der Franzosen; selbst da,
wo er es nicht durch die Wahl und Composition des
Gegenstandes ist, wird er es durch kecke, etwas vutrirre
Behandlung des Nackten bei männlichen, durch üppige,
graziöse und elegante Behandlung bei weiblichen Fi-
guren; die ersteren erinnern in den Motiven vielleicht
noch an die römische, stark detaillirte Antike, die letzte-
ren aber durchaus nicht, weit mehr an die üppigen wol-
lüstigen Gestalten aus der Zeit des Ludwig XIV., wie
dies namentlich an der Psyche und der Venus im Pa-
lais Lurembourg und auch an den beiden Musen, welche
am Postamente des Möllere-Denkmals stehen, zu be-
merken ist. Hieher gehören denn auch einige, wenn gleich
herbe Worte über die ganze Anlage des Monuments.
Der Dichter sitzt, bronzegegossen, auf einem Fantenil in
einer Nische, welche die Ecke zweier spitzwinklig auf ein-
ander zulaufender Straßen bildet; er trägt eine mäch-
tige Perrücke und der Kopf sieht düster ans dem großen
Spitzenkragen heraus; in der einenHand hält er einen Stift,
in der andern ein Buch, das eine Bein hat er schwächlich
auf einen Schemel gestützt und den Mantel darübcrge-
worfen, die Brust ist krank zusammengesunken; so sitzt
der Dichter keineswegs begeistert und begeisternd da; an
den Seiten des Postaments stehen die tragische und die
komische Muse, sie charakterisiren sich selbst und den Dichter
durch die Masken zu ihren Füßen und durch die Tafeln
in ihren Händen, auf denen die Werke des Moliere's
ausgezeichnet stehen; über die Behandlung dieser beiden
Figuren von Pradier habe ich schon das Nöthige ge-
sagt, ich will nur noch hinzufügen, daß die Bronzestatne
des Dichters selbst von Le Seurre und daß die Anwen-
dung des Materials eine durchaus falsche ist, indem
man die dunkle schwere Metallfigur auf das weiße Mar-
morpostamenk und die beiden Marmorfigurcn der Musen

daneben stellte; es fällt mir dabei immer ein, was einer
meiner Freunde erzählte, daß es ihm, wie er zum ersten
Male das Monument in der Dämmerung gesehen habe,
vorgekommen sey, als ob dort oben ein brauner Bär auf
dem Postament hocke. — An vielen andern Fontainen
hat sich die Bildhauerkunst auf's Reichste und Ange-
nehmste entfaltet, so bei der Fontaine Louvois, deren
Composition von dem Architekten Visconti, demselben,
welcher das vorhergehende Monument entworfen, her-
rührt, deren Statuenarbeiten aber von dem Bildhauer
Norion geschickt ausgeführt sind; die Fontaine Gaillon
von Visconti, Fontaine Cuvier von Lemaire, die
beiden brillanten Bronzefontainen auf der Place de la
Concorde und mehrere kleine Springbrunnen in den
Champs Elysees von dem Architekten Hittorff — alle
diese bilden eine große Zierde der Stadt und zeigen na-
mentlich die Sculptur, wie sie paffend in's Lebe» eingreifc;
in solchem mehr dekorativen Sinne steht sie denn auch
auf einer viel höheren Stufe, als jetzt irgendwo; an
öffentlichen Palästen und an Privatwohnungen, in der
Stadt wie auf den Villen, hat sie üppige, elegante,
höchst erfreuliche Schöpfungen hervorgebracht, in denen
das eigentliche Handwerk der Kunst auf eine sehr hohe
Stufe gestiegen ist; sie hat auf diese Weise das Alltags-
leben durchdrungen und dasselbe empvrgehoben, hat also
in diesem Sinne eine Angabe der Zeit gelöst; aber, wenn
sie die monumentale Malerei einholen und mit ihr
gleichen Schritt halten will, so muß sie noch gewaltig
ausgreifen, und so lange Horace Vernet das Berberroß
reitet und so lange Theodore Gudin daS Steuer lenkt
— so lange hat's mit dem Einholen noch gute Wege!

Rom, im Januar 18 45.

Das goldene Nößl. in Att-Oetting.

Unter den Weihgeschenken mancherlei Art, welche
im Laufe mehrerer Jahrhunderte bei dem Guadcubilde
der h. Jungfrau in dem bayerischen Wallfahrtsorte Alt-
Oetting niedergelegt wurden und in der Schatzkammer
an der Stiftskirche daselbst aufbewahrt sind, fallt vor
Allem ein höchst treffliches Limvusiner Emailwerk auf,
welches beim Volke unter dem Namen „das goldene
Roßt" bekannt ist.

Der bedeutende materielle Werth an Gold und
Edelsteinen wird durch die geistreiche und in jeder Hin-
sicht meisterhafte Ausführung dieses Kunstwerks bei weitem
überholen. — Auf einem durch drei Stufen gebildeten,
etwa I Fuß hohen und eben so breiten Untersatze erblickt
man auf dem obersten Absätze, auf einem Thron sitzend,
Maria mit dem Kinde als Himmelskönigin, unter einer
goldenen Laube, welche mit Perlen und Edelsteinen aller
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C. Becker: Das goldene Rößl in Alt-Oetting.
 
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