Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Morgenblatt für gebildete Stände / Kunstblatt — 29.1848

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3220#0089
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Doch wir eilen über die unerquicklichen Einleitungen hin-
weg zum wirklichen Inhalte des wirklich anerkennungswürdigen
Bandes, der auch weiterhin weniger in der zweiten als in der
ersten Hälfte Widerspruch erhalten soll. Zuerst wird die alt-
christliche Bildnerei vor Konstantin betrachtet. Die Gründe,
warum nicht alsbald Versuche im Größer» in Historienmalerei
und ganzen Statuen gemacht wurden, werden S. 33 dargelegt,
der Hauptgrund aber nicht in Betracht gezogen, daß nämlich das
lebendige Wort in Predigt und Schrift die Personen und Dinge
der evangelischen Geschichte vorerst in einer Nähe und Anschau-
lichkeit erhielt, welche die bildliche Wiedergabe noch zu keinem
Bedürfnisse der Gläubigen machte. Erst als die lebendige, auf
Augenzeugenschaft und Jüngerschaft und nächstes Schülerthum
beruhende Verkündigung aushörte, die Gegenstände des Glau-
bens „vor Augen zu malen" (Galater 3, 1.),.und die Schrift die
mündliche Lehre in Hintergrund drängte, um von der kirchlichen
Tradition weiterhin selbst wieder aus dem Gemeindeleben ver-
drängt zu werden, da erst erwachte das Bcdürfniß größerer Ver-
bildlichung, bis dahin genügten die Andeutungen der altchrist-
lichen Symbolik.

lieber die letztere ist Kinkel ausführlicher und belehrt in
paffender Anordnung weit mehr als seine Vorgänger. Nur die
eine Frage mochten wir stellen: ob die Leier nicht eher ein Sinn-
bild christlicher Freude statt der Seele (S. 37) war? Seit dem
Werke von Piper ist dieser ganze Abschnitt wesentlicher Weiter-
führung fähig geworden.

Vortrefflich ist an sich der Abschnitt über die antike und
christliche Basilika, was Deutlichkeit und Anschaulichkeit der gene-
tischen Beschreibung betrifft. Dagegen möchten wir eine solche
schnurgerade Ableitung des christlichen Basilikenstyls aus dem
heidnischen nicht unterschreiben. Es ist der Eigenthümlichkeit des
erster» gewiß zu wenig Rechnung getragen und das ganz Nene
nicht gehörig hervorgehoben, welches durch solche Ueberhvhung
des Mittelschiffes insbesondere gegenüber dem sogar meist unbe-
deckten heidnischen Mittelraum entstand. Ein ganz anderer Geist,
eine völlig veränderte Weltanschauung drückt sich bereits in die-
sen aufstrebenden christlichen Basiliken aus, sie sind gewiß nicht
so mechanisch durch ab- und hinzuthuende Nachahmung der so
ungeheuer verschiedenen heidnischenGcrichtshalle entstanden. Diese
neue kühngesteigerte Konstruktion, dieser überirdische, allerdings
ideale Schwung deutet auf eine höhere geistige That als auf
bloß mechanisch-nüchterne Berechnung. Sie ist eine That des
christlichen Glaubensninthes, des spezifisch-christlichen Geistes.
Nach Kinkel verdankte dieses durchaus neue und kennzeichnende
Mittelschiff sich lediglich de„> Bedürfniß größerer Lichtinassen, da
„bei irgend größer» Bauten Mittelschiff und Rische zu schwach
beleuchtet erschienen," wenn der Mittelraum ohne Erhöhung ein-
fach überdeckt wurde. Allein cs ist gar nicht abzusehen, wie durch
zahlreich doppeltgereihte Fenster in den Umfassungsmauern nicht
genug Licht erzielt werden konnte ohne Ueberhvhung des Mittel-
schiffs. Sodann handelte es sich ja für die Basilika gar nicht
um so starkes Licht. Man wollte ja nur mäßige Beleuchtung,
brachte daher im überhöhten Mittelschiffe nicht zu viele und nicht
zu große, an den Seitenschiffen meistens gar keine Fenster an
und verschloß letztere mit Marmorscheiben, welche auch durch ihre
verglasten Löcher nicht viel Licht einließen. Nicht das äußerliche
Lichtbedürfniß, sondern der geistige Aufschwung nach dem „Auf-
gang aus der Höhe" ließ in einem glücklichen und frommen
Künstlergeiste den Gedanken dieser Mittelschifferhöhung aufblitzen.

War denn letztere nicht „des Lichtes wegen" gemacht, sondern
aus innerer geistiger,Erhebung geschaffen, so ergab sich, nicht wieder
äußerlich folgerichtig, wie Kinkel S. 64 meint, aus der Weg-
nahme des zweiten Stockwerks der Seitenschiffe, die Wegschaffung
der untern Säulenreihe vor der Tribüne. In St. Agnese und

Lorenzo zu Rom, in den byzantinischen Basiliken blieb ja das
zweite Stockwerk. Warum ließ man cs hier nicht wie in den
heidnischen Basiliken vor der Nische als einen bequemsten Platz,
in sie hinein zu scheu und zu hören, herumgehen, wobei natür-
lich auch die untere Säulenreihe bleiben und den Durchblick
hindern mußte? Antwort: nicht weil wegen der Mittelcrhöhung
die ober» Stockwerke wcgfielen, fiel auch die untere Säulen-
reihe des vor der Nische weggefallenen zweiten Stockes weg,
sondern weil die Idee der christlichen Kirche es schlechterdings
forderte, fiel zuerst die untere Säulenreihe vor der Nische und
damit natürlich auch der obere Umgang weg. Im Heidenthum
war der Mittelraum Marktplatz, die Dinge in der Tribüne gin-
gen das darin befindliche Volk nur nebenbei und zufällig an; so
war sie durch die Säulenstellungen halb geschlossen, halb offen.
Für die christliche Gemeinde aber waren Personen, Sachen und
Vorgänge in der Nische nothwendige Hauptsache und daher auch
der Durchblick dahin nothwendig und vor Allem völlig frei.

Den Ursprung der Krypten möchte Kinkel auf das heidnische
Verließ zurückführen, welcher zur einstweiligen Aufbewahrung
der Angeklagten oder Vernrtheilten neben dem Stuhle des Prä-
tors unter der Erde angebracht gewesen sey. In diesen Räumen
.sehen vielleicht einst die Märtyrer gefangen gesessen, sie hätten
sich zur Krypte erweitert, um ihre heiligen Reste anfzunehmen
(S. 61). Allein nicht über den Gefängnissen, sondern über den
Gräbern der Märtyrer erhoben sich die christlichen Baudcnkmalc
und wohl besser bleiben wir bei Ableitung der Grabkirchen von
den Katakomben.

(Schlup folgt.)

Kupferstich.

Karl der Gruße nach A. Dürer, gestochen
von A. Reindcl.

Nürnberg bewahrte vor Zeiten einen kostbaren Schatz: die
Kleinodien und Heiligthümcr des heil, römischen gleiches. Die
letzteren bestanden ans allerlei ausgezeichneten Reliquien in ver-
schiedenartiger Fassung, die ersteren aus den sämmtlichen pracht-
vollen Kostümstücken nebst Zubehör, welche zur feierlichen Aus-
rüstung der kaiserlichen Majestät bei der Krönung erforderlich
waren. Sie stammten von dem geheiligten Gründer der kaiser-
lichen Herrschaft, von Karl dem Großen her und waren Pracht-
belege der Kunstfertigkeiten seiner Zeit, zum Thcil byzantinischen,
auch orientalischen Ursprungs. Kaiser Sigismund hatte sie in
der wirren Zeit der Hussitenkriege Nürnberg zur sichern Auf-
bewahrung übergeben; dort sollten sie für ewige Zeiten verbleiben;
doch mußten sic zu jeder Kaiserkrönung, an wie fernem Orte
diese auch stattfinden mochte, nachgeführt werden, was stets unter
feierlichem Geleit geschah. Alljährlich, bis zur Einführung der
kirchlichen Reformation in Nürnberg, wurden sie sammt den
Reichsheiljgthümern unter großer Festlichkeit, auf einem Gerüste,
das zu diesem Behufc auf dem Markte erbaut ward, öffentlich
ausgestellt. Erst zu Ende des vorigen Jahrhunderts, bei den
Wirren der Revolutionskriege, ist dieser Schatz nach Wien über-
geführt worden.

Zur Verherrlichung dieses städtischen Besitzthnms, wohl um
dabei irgend einem besonder!! Zweck oder Aufträge zu genügen,
scheint Dürer die Leiden majestätischen länglich hohen Kaiserbilder
gemalt zu haben, welche sich in der städtischen Sammlung zu
Nürnberg befinden. Sie stellen, wie bekannt, Karl den Großen
und Sigisinund dar. Bisher durch Uebermalungen entstellt,
sind diese Bilder (wenigstens das erster«, über dessen gegenwär-
tige Beschaffenheit dem Unterzeichneten eine nähere Kunde vorliegt),
Register
Für diese Seite sind hier keine Informationen vorhanden.

Spalte temporär ausblenden
 
Annotationen