Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Morgenblatt für gebildete Stände / Kunstblatt — 5.1824

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.13082#0079
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Nr. 15.

Kunst-

Donnerstag, den

Kunsiausstcttuiig in der Brera zu Mailand
im Jahr 182Z.

M a l e r e p.

I. Leonardo da Vinci zeigt Ludwig Sforza, dem
Mohren, die Skizze feines berühmten Gemäldes, des
heil. Abendmahls.

Oelgcmälde, 20 Fuß breit, von Joseph Dietti,
Professor der Akademie Carrara zu Bergamo, bestimmt
für den Grafen Ni eiler io von Mailand.

Es wäre zu wünschen, daß reiche Kunstfreunde, die
ihre Galerien mit Werken lebender Künstler schmücken
und so die Lezteren unterstützen wollen, in der Wahl
des Gegenstandes sich mehr nach den Forderungen bc-
quemteu, die der Künstler an seinen Stoff machen
muß. Der Maler darf nicht blos der Erzähler einer
Geschichte sevn, sondern cs muß ihm die Wahl der Mit-
tel frev stehen, durch die er die Einbildungskraft des
Beschauenden für sich gewinnt. Was Hilst cs, wenn sein
Gemälde reich an schonen Formen, anziehend durch die
Beleuchtung, und in der Farbengebung wahr und natür-
lich ist, aber dabey den Beschauer dennoch kalt läßt. Die
Kopse sind schön, über sie sagen »ichtö, die Figuren
sind gut gruppirt, aber sic handeln nicht. Ich kann nicht
errathen, was sie im vorigen Augenblicke gcthan, und sehe
keine Andeutung von dem, was im zukünftigen geschehen
soll. Dieß alles ist ans den Gegenstand des Gemäldes
anwendbar, von dein wir reden. Welches historische,
poetische oder moralische Moment liegt in der Ueberrei-
chung der Skizze des Abendmahls an dem Hose Ludwig
Sforza's, wo sich alle Physiognomien nach der des Herrn
richten mußten, oder höchstens einige Blicke des Neids
über den Künstler durchleuchtest», 1 Wollte der Kunst-
freund dieß Werk als ein Denkmal für den großen Maler
ansstelleu? Liegt in dieser unbedeutenden Handlung etwas
Großes, weil der Herr der Lombardie einem Leonardo
seinen Bevfall schenkte? War denn Ludwig der Mohr ein
so großer Kunstkenner?

So müssen wir den Künstler bedauern, der sich der
Ausführung eines blos dem mechanischen Theile seiner

Blatt.

ly. F e b r u a r 1824.

Kunst zusagenden Bildes nicht entziehen konnte. Doch
wenn er sich einmal damit befaßt, verlangen wir von ihm
eine desto größere Korrektheit seiner Figuren, voll-
kommene Genauigkeit in den Bewegungen, Mannich-
faltigkeit der Gebärden, schon und natürlich geworfene
Draperien, endlich Harmonie in Ton und Farbe. Konnte
er uns nicht durch den Flug seiner Phantasie hinreißen,
so muß sein Werk in allen Theile» eine strenge Prüfung
aushalteu, denn da er unser Herz nicht beschäftigt, muß
er den ruhigen, weniger nachsichtigen Verstand fürchten.

Von den cilf Figuren, welche sich im Gemälde fin-
den, sind nur vier in der Hanpthandluug beschäftigt.
Leonardo steht, und bat Ludwig Sforza seine Skizze über-
reicht; dieser neben seiner Gemahlin, Beatrir von Este,
auf einem Ruhebette sitzend, unterbricht sie in ihrer Lec-
türe, um ihre Aufmerksamkeit auf das Gemälde zu len-
ken. Neben ihr in einer kleinen Entfernung ist der Car-
dinal Ascanio, Ludwigs Bruder, mit dem er zu sprechen
scheint. Hinter diesem steht Bramante uud zeigt dem
Mathematiker Pacciolo einen Bauriß, den er gefertigt
hat. Hinter Leonardo sieht man den Geschichtschreiber Corio,
der sich mit dem Hvfdichter Belliucioni unterhält. Et-
was entfernt vom Fürste»! steht Gaffuri, der eine Arie
zu trillern scheint. Zur Rechten erscheint der Staats-
secrcrär Calchi, dem ein Page zum Hereintreten die
Thüre öffnet.

Alle Köpfe hält man für Porträts, was bey einem
solchen Gemälde ein Verdienst ist. Die Prinzessin ist voll
Gefühl ihrer Würde; ihre Haltung, die Lage ihres Kopfs,
der Blick, den sie auf die Zeichnung fallen läßt, drückt
weder Neugierde noch warme Theilnahme, noch Bewun-
derung für das erhabene Genie aus, das ihren Hof
schmückte. Man glaubt sie sagen zu hören: Es ist gut,
ich bin zufrieden. Was der Cardinal denke, ist schwer zu
errathen. Leonardv's Figur ist schön, edel, aber kalt.
Das leztcre kann nicht anders scyn, da er entweder eine
Erklärung von seinem Gemälde gibt, oder es gegen die
Ausstellungen, welche der Cardinal zu machen scheint,
vcrtheidigt. Die übrigen Personen kümmern sich nicht
darum, daß sich der Fürst mit dem Gemälde beschäftigt.
Index
There is no information available here for this page.

Temporarily hide column
 
Annotationen