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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 3.1868

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weißes Tuch bedeckt; sie trägt einen blauen Mantel und
hält die Hände gefaltet vor sich. Die Stimmung der ein-
facken Landschaft nnd des wolkigen, vom blassen Abend-
licht durchschauerten Himmels paßt wnnderbar zn der gro-
ßen, lautlosen, einsamen Traner Marien's, die sich in Ge-
sichtsansdruck und Körperhaltnng ergreifend ansspricht.

Von so erschütternder Wirknng, wie diese, so lieblich
und schön ist die zweite, sngendliche Madonna, welche, anf
einem Throne sitzend, ihr hoch an ihrer linken Schulter
stehendes, oben nacktes nnd dic Finger der Linken in kind-
licher Verschämtheit in den Mund nehmendes Söhnlein
innig an sich drnckt. Es liegt eine nnglanbliche Holdselig-
keit in ihrer Bewegnng und das ernstsnße, jnngfräuliche
Antlitz, welches mit himmlischerHuld nach unten blickt,
versinnlicht anf's Gliicklichste die Jdee einer Madonna
della Consolazione, als welche sie in dem Calabresi-
schen Schlosse des Barons Compagni einen Altar
einnehmen wird. Jhre Kleidung besteht aus einem
rothen Gewande nnd griinen Mantel. Der Altar wird
ein Triptyckon bilden, in dem znr Rechten dcr Jung-
fran ein heiliger Augustinus, links der heilige Antonius,
der mit geschlossenen Augen dargestellt ist, nm seine Ab-
wenLung von der Welt zn bezeichnen, Platz finden. Die
Bilder sind auf Kastanienholz gemalt und der gvthische
Nahmen des Altars selber ist gleickfalls von Morelli ge-
zeichnet, der anck an einer Schule fur höhere knnstlerische
Ausbildung der Handwerker wirkt und es nicht für Raub
acktet, die Sckätze seines reichen Geistes znr Hcbnng der
Gewerbe zu verwenden.

Mit einem andern religiösen Gemälde hat sich der
Künstler lange getragen und vcrschiedene Entwürfe für
dasselbe angefertigt. Es wird Jesus anf dem See wandelnd
darstellen. Anf dem grünlichen Gewässer des in langen
Wellen gehenden Sees schreitet im rothen Gewande, die
Hände gekreuzt »nd fest in's Weite vor sich hinblickend, der
Herr, um seinen (hier nicht zu gewahrenden) Jüngern
Hülfe zu bringen; man sieht ihn gehen, man glanbt das
llnglaubliche, wenn man die herrliche Komposition betrach-
tet. Jn dei» gelblichen Dämmerschein der kommenden
Nackt verschwimmen die Berge des Seeufers; es ist der
reckte ahnnngsvolle mhstische Hintergrund des Wunders.
Auch eine Skizze zu der „Meerfahrt der vertriebenen Aqni-
lejaner" versprickt nach ihrer Ausfübrung ein esfektreiches
historisches Genrebild. Zn einem Historiengemälbe fehlt
das örtlich und zeitlich Erkennbare der Handlung; es
sind eben über's Meer Fahrende in mittelalterlicher Ge-
wandung; daß es die nach Venedig fliehenden Aquilejaner
sein sollen, erfährt man anderswoher, als durch das Bild
selbst. Weniger befriedigte der Entwnrf zu einem im Privat-
besitze befindlichen Werke, welches, emigen Versen Leo-
pardi's seine Anregung verdankend, Tassv auf der Todten-
bahre mit Lorbeer bekränzt zeigt.

Für die größere der drei Kapellen im Schloß, welche ^

alle im Lauf der letzen Jahre mit Bildern neapolitanischer
Künstler geschmückt wnrden, malt Morelli eine Himmel-
fahrt der Maria als Deckengemälde. Das Feld für das
in Del auszuführende Gemälde ist ein längliches Viereck
mit zwei Halbkreisen an den Schmalseiten. Jm klaren
Aether sicht man die rothgewandete Himmelskönigin, die
in ihrem grünen Mantel zn ruhen scheint, von zwei
Engeln emporgetragen; in ehrfnrchtsvollem Abstand
umgiebt sie ein Kreis weißgckleideter Engelscharen, von
dcm man der begränzten scheinbaren Gewölbeöfsnung
wegen inmitten des Bildes nnr einen schrägen Abscknitt,
obcn dagcgen nnr einige Gruppen gewahrt. Das schöne
Werk sieht seiner Vollcndung znm Winter entgegen.

Mehrere BilderMorelli's befinden sich in der aus-
gezeichneten Sammlung des Herrn Giovanni Vonwiller,
eines Bankiers von schweizerischer Herknnft. Das wenigst
gelungene derselben hat seinen Vorwurf dem Leben Tasso's
entnommen. Wir sehen hier in Lebensgröße eine ziemlich
nnbedentcnde Handlnng, den Dichter nämlich, der sitzend
seiner Geliebtcn nnd eben von einer Krankheit genesencn
Prinzessin ein Sonett vorliest, in welchem er dies frohe
Ereigniß feiert. Zwei Damen stehen der Prinzessin zur
Seite. Wie selten gelingen doch den Jtalienern Scenen
ans dem Leben ihrer Poeten, für welche sie eine so große
Vorliebe haben! Aber ist es nicht natürlich, da diese
Scenen fast nie wahrhaft malerische Motive bieten? Zu
erklären ist es schon, daß man hier sich an den fast ein-
zigen Ruhm und gemeinsamen Besitz Jtaliens anklammerte,
in dem die nationale Jdee ihre Befriedigung fand; jetzt
wird diese Neigung nach nnd nach verschwinden.
Standen wir Dentsche doch auch mit unserer so nnglück-
licken Theatralisirung unserer Dichter auf dem glcichen
Boden, den wir nach erreichter Nationaleinheit gleichfalls
als einen falschen, nur als Nothbehelf dienenden verlassen
werden.

Viel bedeutender sind vier Scenen aus dem antiken
und mittelalterlichen Leben Jtalien's, zu denen Vonwiller
den Auftrag gab. Ein ösfentliches Bad in Pompeji stellt
in dem tren wiedergegebenen Lokale die reizendsten Gruppen
von badenden nnd sich zum Bade vorbereitenden Frauen
dar, der Morgen nach einer römischen Schwelgerei da-
gegeneinige derHerrenderWeltinwüstemSchlafe, während
der bei Tagesanbruch die Lampen löschende Sklave im Vor-
dergrnnde den ganzen Grimni gegen dieselbcn anf seinem
Gesichte lesen läßt, den die in einer Pompejanischen Jn-
schrift aufgefundenen Worte: „(jnock Ok vos ernckivont!"
aussprechen. Die beiden andern Bilder, eine Matinata
in Florenz zur Zeit Lorenzo's von Medici nnd eine
Serata in Venedig fiihren nns das reiche nnd üppige,
aber von Poesie nnd Kunst verklärtc und auf ruhmwürdige
Thaten begründete Leben der schönen Städte in anmnthi-
ger Sckilverung ihrer Geselligkeit vor Augen. — Noch
 
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