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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 11.1876

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Holländische Kunstzustände, [4]
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267

Holländische Kunstzustände.

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um Belebung der großeu theilnahmsloseu Masse im
Volk. Schon nach zwei Monaten konnten die Kizlrs-
nävi86nr8 dnrch ihren Präsidenten nnd den Sekretär
dem Minister des Jnneren einen kleinen Bericht ihrer
Wirksamkeit vorlegen. Pfahl an Psahl war in den ver-
sumpften und versandeten Boden Hollands eingetrieben
worden, um ein festes Fundament zu gewinnen.

Nach Festsetzung der Geschäftsordnung, nach Er-
wählung der Korrespondenten und Einladung zur Mit-
wirkung in ihrem schönen Berufe hatten die LiPrLuävi-
86ur8 gegen die Niederreißung von nicht weniger als
acht schönen Baudenkmälern gewirkt, größtentheils mit
Ersolg. (Leider wurde trotz aller Bemuhungen der Kom-
mission seither die Hoo§6rvo6rä8-xoork zu Leyden, ein
sehr tüchtiger Renaissancebau, weggerissen.) Alte Seiden-
tapeten wurden vor vem Verderben gerettet, 8 Gemälde
angekaust, verschiedene Kunstgegenstände durch Schenkung
erhalten; über die Museen wurde Bericht erstattet, und
mit Recht bedauerte die Kommission, daß die Galerie
Suermondt an Preußen verkaust worden war, welche
srüher um mäßigen Preis von der Regierung erstanden
werden konnte. Die Hijll8uckvi86uv8 berichteten ferner
über den tranrigen Zustand des Archivwesens in Hol-
land, über ein nen zu grüudendes Museum vaterländischer
Alterthümer und Kunstwerke, an dessen Errichtung schon
Minister Thorbeke gedacht hatte, endlich über eine Reihe
von Gebäuden, welche von Neuem ausgeführt werden
sollten, wie die Universität zu Leyden, oder deren Restau-
ration im Gange besindlich oder in Aussicht genommen
ist; so waren außer dem genannten Akademiebau zu
Leydcn dem Urtheil ver ^.ävi86uv8 nnterbreitet worden:
die Restauration der Kathedrale zu Herzogenbusch, des
Doms zu Utrecht, der Gesangenenpoort im Haag, der
Hoogland'schen Kirche zu Leyden, der St. Bavokirche zu
Haarlem und anderer, dann endlich die Nestauration
der Glasmalereien in Gouda.

Der erste Jahresbericht, aus welchen wir zurück-
kommen werden, wird noch einige Zeit auf sich warten
lassen; die Ernennung des seitherigen Sekretärs, Herrn
de Stuers zum Referenten (für Kunstangelegenheiten)
im Miuisterium nnd die Neuwahl seines Nachfolgers
ist die wesentliche Ursache dieser Verzögerung.

Die edlen Bestrebungen, welche wir jetzt in Hol-
land angebahnt sehen, werden sicherlich ihre guten Frückte
tragen; doch dürften sie ohne krästige, materielle Unter-
stütznng seitens der Regierung nicht allzu raschen Erfolg
erleben. Wenn man zwanzig Jahre lang die Kunst
vernachlässigt hat, so erntet man eben jetzt die trau-
rigen Resultate des verwilderten Bodens, Disteln und
Dornen statt werthvoller Erträgnisse. Die Regierung
hat eine große Schuld wieder gut zu machen, sie hat
beträchtliche Geldmittel zur Versügung zu stellen, um
dieses so löbtich begonnene Werk zu einem guten Ende

zu führen. Die Erfahrungen, welche ich seither im
Lande machte, sind dieselben, wie ich sie in Deutschland
oder Jtalien sammelte: im Volk ist eine viel größere
Liebe und Verehrung, mit einem Wort, Pietät für die
alten Denkmäler des Landes zu sinden als bei der großen
Menge der gebildeten Städter.

Die alte Kirche, das Rathhaus, das herrschaftliche
Schloß sind auf dem Lande und in kleineren Städtchen
den Bewohnern liebe, altersgraue Freunde, an welche
sich tausend schöne Erinnerungen knüpfen; ihr Fortbe-
stehen wird auf's lebhafteste gewünscht. Der Städter
will gleich einen Parthenon oder einen Kölner Dom haben,
wenn ihm ein Bau erhaltenswerth erscheinen soll, und
die sind nun freilich im Lande nicht zu siuden. Die
Leute sind überall so willig und entgegenkommend, sreuen
sich so ausrichtig, wenn man ihre hübschen alten Bau-
werke erhalten will, und nur der Großstädter, der
vielleicht in Amsterdam alt geworden ist, ohne jemals
das Trippenhuis gesehen zu haben, ist Kunstbestrebungen
feindlich gesinnt.

Erhält und erweckt die Regierung die Liebe zur
Kunst im Volk nach allen Richtungen und mit allen
Mitteln, der Dank soll ihr wahrlich nicht ausbleiben.

Und auch in anderer Beziehung ist es in Holland
gerade wie bei uns oder anderswo: an die tüchtige
Restauration eines Baudenkmals schließt sich von selbst
als Ersolg ein entwickelterer Zustand der Bauhandwerke
an. Man suche einmal in Amsterdam, ob man so Lüch-
tige Steinmetzen, Kunstschmiede und Bildschnitzer finden
wird wie in Herzogenbusch, wo etwa 15 Jahre bereits
an der prächtigen Kathedrale restaurirt wird? Dasselbe
gilt sür großartige Neubauten, die allerdings in Hol-
land spärlich sind.

Mit Restaurationen, Neubauten, Sammlungen und
Museen ist nun gewiß noch nicht Alles gethan. Die
Regierung hätte vor Allem den Zeichenunterricht
gründlich zu verbessern. Dazu sind begreislicherweise
nicht blos gute Vorbilder von Nöthen, viel wichtiger
ist es, die passenden Lehrkräfte zu wählen. Die Frage
des Zeichenunterrichts müßte von Künstlern ersten
Ranges untersucht und deren Vorschläge müßten befolgt
werden. Man sehe sich doch anderwärts um, studire
den Zeichennnterricht in Belgien, Frankreich, Deutsch-
land, Oesterreich; da dürfte sür Holland manches
Lehrreiche zu finden sein. Wie glücklich war man z. B.
im Großherzogthum Baden, als es galt, den Zeichen-
unterricht zu heben: man gewann Adols Schrödter sür
das Freihandzeichnen am Polytechnikum in Karlsrnhe,
und wie bald machte sich der Einfluß dieses frischen,
anregenden, poetischen Künstlers im ganzen Lande be-
merkbar! Wie mancher Keim künstlerischer Begabung
wurde durch ihn dem Verkümmern in trockenem Berufs-
leben entrissen! Solche Lente müßten hier eingreifen,
 
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