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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 13.1878

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Bode, Wilhelm von: Die Exposition rétrospective auf dem Trocadero, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5787#0382
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Die Lxpositiov rs'trospeotivs nuf dem Trocadero.

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^erk im Charakter der frühen Hochrenaissance, etwa
e>n Andrea Sansovino verwandt, noch vor sedcin
^influffe des Michelangclo. Eine trcffliche Brvnze-
^'üste des Letzteren, unciselirt und deßhalb doppelt
lebensvoll, schreibt H. Piot wvhl uiit Rccht eincui
öestiinintcn Schüler Michelangelo's aus sciucr stzätercn
Zeit zu — jch weiß augcnblicklich abcr nicht, wclchciu.
Die Ausstellung zeigt noch ein zweites Exeuiplar dicses
Kopfes vvn geringerer Qualität, währcnd cin deni Pivt'-
!chen niindestens gleichwcrthiger Guß sich in der Brera
Z» Mailand befindet. Leider ist dicse cinzige gute und
Eein gleichzeitige Büste Michelangelo's uieines
E^>»ens noch in keincr Weise reprvduzirt.

Bon einem Schülcr Michelangelv's, nicht aber

Meister selbst, ist cin schöncr idealcr Maruwr-
^ops eines Äünglings. Wie sehr die Pariser Licbhaber
^ei ihrem Sammeln das Angenehmc nnd Graziöse
öeborzugcn, mag dcr Unistand bewciscn, daß für dieseu
keiueswegs sehr vrigincllen, etwas locichlichen Kvpf,
^ein Besitzer, Herrn Goldschmidt, dcr Preis vvu
»0,000 Francs geboten wurde. Für ciue öffentliche
aiumlung wäre der Erlverb um mehr als dcn zehntcn
^heil dieses Preises mcines Erachtcns zn theuer. — Unter
berschwdencn Büsten der Hochrenaissance sei hier gleich
e>»cr intercssanteu Bronzcbüste dcs Antvnio da San-
6»llo, iu, Besitze dcs Baron Seilliöre, Erwähuung
Icthan, dic vvu des Meistcrs cigner Hand ist.

Ein neucrer Sammler, Mr. Gavct, hat als Gegcn-
stückc zmei interessante Madvnneiirclicfs ausgcstellt
»s cine, cinc glasirtc Terracvtta von Andrea dclla
>obbia, die beste Rvbbia-Arbeit ans dcr Ausstellnng,
»s andere eiu Btarmorrelicf von Mino da Fiesvle.
s^wser liebcnswürdige Mcistcr ist dcn Franzvscn in
stiner graziösen und dabci ctwas herben, fast kokettcn
»stuisuug, sciuer scharfeu, iiaturalistischcn Behandlung
»sonders sympathisch, so daß sic hintcr ihm seine her-
»vrragenderen Zcitgcnvssen, Dcsiderio, die beidcn
^vssellini undBenedctto daMajanv,zurückstcllcn.

Das ausgestclltc Rclief ist cine sehr charaktcristische,
i^fflich erhaltene Arbeit des Mcisters, aber kcincsivegs
hervorragcndcs Wcrk dcsselbe», sv daß ctwa dcr
Hreis vou mehr als 30,000 Francs gerechtfcrtigt er-
Ichiene. Das Rclief wurdc vor ctwa drei Jahren,
»>rz ehe es der jetzige Bcsitzcr erwarb, von Pisa aus
I»r 3700 Francs dcni Berlincr Musenm angebotcn,

'»v lcidcr der Ankauf durch äußere Umstäude vcr-
h>»dert wurde.

Nicht wegen großcr künstlerischer Bcdeutung, aber
^vgen besonderen kunstgeschichtlichen Jntercffes darf ich
r>» unbenanntes Flachrelicf ini Besitze des Mr. Chatcl,

"" 1877 in der OsLLtts ckss Lsuux-Tlrts abgebildct
d>ar, nicht unerwähnt laffeu. Es stellt Maria mit dcm
I»geiidlichen Christus vor in eincin Friichtgcwinde,

wclches weibliche Fignren haltcu. Tvpcn wie Behand-
luug lasicn deutlich die Haud dcs Agvstinv d i An-
toniv di Ducciv erkenucn, wclcher 1463 die Fayade
dcs KirchlciuS San Bcrnardinv in Perugia voll-
cndetc, uud vou dcui soust nur uoch eiu Altar in
San Dvuienicv (vvn 1450) bekauut isl. Sciu bereits
seit Basari sehr übcrschätztcr herbcr, Vvu der etwas
haltungslvscu Gefühlsschwärmerci der Malcr Peru-
gia's stark bcciuflußter Stil läßt sich uach uieiucr
Ausicht anch in eiuem irrthümlich dcm Pvllajuvlv zu
gcschriebcucn Flachrelief der Kreuziguug sBrvuze) im
Bargellv uicht vcrkcnncu. Auch au der Jnneudekvrativn
vvn San Francescv zu Riiuiui schcint dcr Küustler
iiiitgearbeitct zu habcn, währcnd mau ihiu sehr uiit
klnrecht ein fficlief am Dvme vvu Bi'vdena Vvm I.
1412 zuschreibt, Iveil cs zufällig auch vvu der Haud
cines Bi'eistcrs Agvstinv auS Florcnz bcrrührt.

Vvn cincm außerhalb der Certvsa zu Pavia wcnig
bekauutcn lviiibardischcn Bildhaucr dcsQuattrvccntv/vvu
Montcgazza, dcsscn herbcr Stil lcicht in Karrikatur
verfällt, siud drci Mariiivrstatnetteu im Besitze deS H.
Gavct svwic ein reicheres nud bedeutcndercs Rclief im
Besitz Vvu H. Cvurajvd auf dcr Aiisstelluug ver-
tretcu. Ein grvßes Hauptwcrk Vvu ihm bcsitzt das
South Kcusiugton Musciii», eiuc Beweinung Cbristi.

Eiue besvndere Anziehungskraft, anch auf das
grvßere Publikuiu, übeu die Vvn H. Spitzcr in dem ihm
rescrvirtcu Jiauiue niit ausgcstellten MarinvrrelicfS, iui
Ganzen 18 Stück, Ivelche laut dcr Juschrift deu
Schiuuck eines Grabiiiouunieuts dcs Alfvusv d'Este iu
Fcrrara bildctcn. Sie datiren Vvm I. 1508. Schvn
dadurch wsird dic Augabe, daß Alfvusv Lvmbardi
(geb. 1488) dcr klrbeber diescr Arbcitcu sei, sehr nu-
Ivahrschciulich. Für deu, Ivelchcr dic ächteu Wcrke des
Alfonso in Bvlvgna uud Fcrrara kcuut, widcrlcgt sich
dicsc Angabe svfort. Schvu der crste Blick verweist
sic viclmchr in dic venctianischc Schule, zu dcn jüugercn
Lvmbardi; uud dcr Vcrgleicki mit dcui bezcichuetcu
großen ffielief ii» Santv zn Padua läßt für uiich kcinen
Zwcifcl, daß Antvniv Lvuibardi, dcr Svhu nud
Schülcr Pietrv'S, dcr Meister dicses Rcliefs ist. Hier
wie dvrt zcigt sich dassclbe cigenthümlichc, halb
mvdcrnc, halb antike SchönhcitSgcfübl in dcn Kvrpcru
uud in der Gewandung der Gestaltcn, wie in dem
Nclicfstil, der deutlich dcn Einfluß der damals wol
ziciulich zahlreich in Vcncdig aufgesaiumcltcn attischcn
Grabrclicfs erkcnneu läßt. Auch die zicrlichcn Qrua-
mcnte, wclche die größerc Zahl dcr Plattcn ausfüllci,,
tragen ganz den vcnetianischen Charakter, wie er
nameutlich in dcm dckvrativen Prachtwerk dcr Lvm-
bardi, in S. Maria dc' Miracoli zu Vencdig, sich zcigt.
Dvch ist dic Behandluug hicr schon etwas weichlicb,
ctwas zu »iibestimmt; die charaktervvlte Naturbcobach-
 
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