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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — 14.1879

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Fabriczy, Cornelius von: Die antike Kunst auf dem Trocadero, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5791#0035
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Die antike Kunst auf dem Trocadero.

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hörner (Rhyta) aus deni Besitz von Dutnit und dem
Grafen Dzialynski anzuführen.

Die Werke der eigentlichen Bildnerei in Thon
und Marmor beginncn mit drei Terracottastatuetten
der Rayet'schen Sammlung; zwei davon, aus Bvotien,
die dritte aus Lokris stammend, sind Bilder weiblicher
Gottheitcn, alle drei noch völlig roh, Nachahmungen
etwa der frühesten Holzgötterbilder. Eine davon zeigt
deutliche, primitivste Benialung von Gesicht und Ge-
wand. Einer etwas späteren Epoche entstammen sodann
die beiden Terracottafiguren einer sitzenden Demeter (?)
und eines dreifußtragenden Apollon derselben Samm-
lung, aus Lokris, sowie eine kleine Artemisfigur, einen
Hasen tragend, aus Phokis. Ein weiter Zeitraum
trennt diese ersten Versuche der Bildnerei von den zu-
nächst solgenden, die etwa schon dem 6. Jahrhundert
angehören. Es sind dies der Marmorkopf einer männ-
lichen Stntue, halblebensgroß (Athen, Besitzer Mr.
Rampin) mit einem Petersilienkranze im langgelockten,
gescheitelten, auf der Stirn in symmetrische Löckchen
geordneten Haare, etwa eines Siegers im Wettlaufe,
dessen Typus noch vor dem der äginetischen Statnen
liegt, sodann der Marmorkopf einer Athletenstatue
(Athen, Sammlung Rayet), überlebensgroß, der sich
vor dem früheren durch bessere Kenntniß und freiere
Behandlung der Formen schon wesentlich auszeichnet,
der älteren attischen Schule angehörig; endlich ein
etwa viertellebensgroßer Marmorkopf des bärtigen
Hermes (Athen, Besitzer Mr. E. Armand) von fast
tadelloser Formgebung, etwa mit den äginetischen Bild-
werken auf gleicher Entwickelungsstufe stehend. Hier
wäre dann auch noch ein kleiner Herakleskopf der
Sammlung Grsau, in Cypern gefunden, aus Kalk-
stein, einzureihen, dessen rückwärtiger Theil von dem
kapuzenartig darübergezogenen Rachen des Löwenfells
bedeckt wird. An der Schwelle des lleberganges von
der archaischen zur Kunst des großen Stiles stehen so-
dann einige Terracottareliefs: das eine (Rayet) einen
Leichenzug, das zweite (de Bammeville) Elektra und
Orest am Grabe Agamemnon's, das dritte (in zwei
Exemplaren von Bammeville nnd Grsau ausgestellt)
den Kampf von Thetis und Peleus darstellend, das
erste interessant im Gegenstande, das letzte durch außer-
ordentliches Leben der Komposition, das zweite und
dritte deutliche Farbenspuren zeigend; sodann ein Mar-
morrelief (Sammlung Carapanos) aus Korinth, (?)
den Herakles darstellend, der Keule und Löwenhaut zur
Erde niedergelegt hat und den Bogen spannt, um etwa
nach den stymphalischen Vögeln zu schießen, cin Werk,
dessen künstlerische Vollendung leider der allzu scharf
betonte Naturalismus beeinträchtigt. — Ein einziges
der ausgestellten Werke läßt sich mit Sicherheit der
Epoche der hohen Knnst zuweisen: es ist der Kopf der

Nike (?) vom Westgiebel des Parthenon, bekannt unter
dem Namen des Weber'schen Parthenonkopfes, seit
1840 im Besitze des Grafen de Laborde. Leider kann
uns dieses Werk, das nicht nur durch die jahrhunderte-
langen Unbilden der Witterung, sondern mehr noch
durch ungeschickt rohe Restaurirung von Nase, Lippen,
Kinn und Hinterhaupt sehr gelitten hat, gar keinen
Begrifs mehr geben von der Höhe des Stils jener Zeit.
Derselben Epoche, doch schon in ihren jüngeren Aus-
läufern, möchte ich auch einen Asklepioskops der
Sammlung Grbau, etwa drittellebensgroß-, einreihen,
mit langem bediademten Haupthaar und Bart, die
Züge von vollendeter Schönheit und Majestät. Nur
die gleichförmig gekräuselten Lvcken des Haares und
die tief und scharf eingeschnittene Oberlippe verrathen
noch einen Rest von Gebundenheit. Trotzdem ist dieser
Kopf das harmonisch vollendetste Marmorwerk der
Ausstellung. Dieselbe Sammlung enthält noch zwei
andere bemerkenswerthe Marmorskulpturen: einen be-
helmten Frauenkopf (Athen) aus dem 4. Jahrhnndert,
und einen bediademten, etwas harten Frauenkopf aus
Smyrna, spät, etwa schon neuattisch, sowie einen be-
kränzten Ephebenkopf aus Antiochia, der im Typus
zwar auf das Lysippische Jdeal hinweist, aber doch
wohl erst der kleinasiatischen Kunst der röniischen Kaiser-
zeit seine Entstehung verdankt.

Bei weitem reicher als an Werken der Marmor-
skulptur ist unsere Ausstellung an Bronzen. Eine
außerordentliche Bedeutnng verleiht ihr vor allem die
Sammlung Carapanos, der die sämmtlichen Resultate
seiner dodonäischen Ausgrabungen hier zum erstenmal
vereint vorführt. Wir müssen nns mit blebergehung
der gravirten Bleiplättchen, der mannigfachen Geräthe,
Gefäße, Waffen und Schmucksachen hier auf die An-
führung einiger der benierkenswerthesten Bronzesta-
tuetten beschränken. Eine der ältesten, deni 7. Jahr-
hundert angehörig, ist ein tanzender, pferdehufiger Satyr,
mit archaisch gelocktem Haupt- und Barthaar, von
lebendiger Bewegung, ferner ein junger Reiter, der im
Laufe der Jahrtausende sein Pferd verloren, aber seine
Pose behalten hat, ein zweiter, dessen unverhältniß-
mäßig großes Pferd sich schon durch iiaturwahre Bil-
dung des Kopfes auszeichnet und eine männliche Sphinx,
— diese alle derselben Zeit angehörig. Auch die des
nächsten Jahrhunderts: eine Doppelflötenbläserin, eine
sitzende Herrschergestalt mit spitzer phrygischer Mütze,
eine in vollem Wettlauf begriffene, muskulöse, lang-
lockige Atalante, endlich eine helm- und ägisbewehrte
Athena zeigen erst unmerkbaren Fortschritt in der For-
menbehandlung, während einige Werke des 5. Jahr-
hunderts, besonders der die Keule schwingende Schäfer
Mandylas (eine Gestalt der Lokalsage) tadellosere For-
men, aber noch immer völlig ausdruckslose Gesichtsbil-
 
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