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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 3.1892

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Der Ausbau der Wiener Hofburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.5366#0136
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Der Ausbau der Wiener Hofburg.

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Bernhard Fischers von Erlach, an das er selbst nicht
die Meisterhand legen konnte und dessen Vollendung
auch dem des Vaters würdigen Sohne Joseph Emanuel
versagt blieb, so zum Abschlüsse gebracht werden
wird, wie er es im Geiste erdacht und erschaffen. Der
Künstler, dem diese schwierige Aufgabe übertragen
wurde, ist bekanntlich der Wiener Burghauptmann
und Architekt Begierungsrat. Ferdinand Kirschner,
und es erscheint als ein schönes und glückliches
Zusammentreffen, dass der Mann, der das althisto-
rische Amt des Burghauptmannes bekleidet, zu-
gleich als Künstler das seiner Obhut anvertraute
Haus des Kaisers vollendet. Er hat es sich zur Ehren-
pflicht gemacht, den unvollendet gebliebenen Teil
der großartigen Bauschöpfung von Fischers von Erlach
so erstehen zu lassen, wie er dem Meister vorge-
schwebt hat, und auch bei den notwendigen Ab-
änderungen und Ergänzungen sich streng an dessen
Kunstweise und Formart zu halten. Johann Bernhard
Fischers Entwurf ist nur in einer Zeichnung erhalten,
die der Wiener Architekt Salomon Kleiner nach dem
leider gleichfalls verlorenen Modell des Burgbaues
angefertigt hatte und die als Kupferstich schon 1725
in dem von dem Augsburger Hofkupferstecher Pfeffel
herausgegebenen Bilderwerke über die Wiener Bauten
erschienen war. Nach diesem Kupferstiche wird nun
der Bau der Facade und des Portals am Michaeler-
platz vom Begierungsrate Kirschner ausgeführt."

„Obwohl die Gerüste und der Häuserblock zwischen
dem Michaelerplatz und der Schauflergasse den Neu-
bau noch zum größten Teile verdecken, kann der
Beschauer doch schon die Gestaltung desselben in
den äußeren Umrissen erkennen. Den Ausgangspunkt
und zugleich das künstlerische Grundmotiv für den
Weiterbau bot der abgerundet vorspringende Eck-
pavillon der Reitschule mit dem prunkvollen Säulen-
rahmen, der das hohe Bogenfenster umgiebt, und mit
der Zeltkuppel über dem mit einer Trophäengruppe
gezierten Gesimse. Eine an diesen Eckpavillon an-
stoßende Fensterbreite gab die Richtung für die Fort-
setzung der Facade, die sich in einem weiten ellip-
tischen Bogen vertieft und zu der entgegengesetzten
Ecke an der Schauflergasse führt, wo sie durch
einen zweiten Pavillon, welcher jenem an der Reit-
schule vollkommen gleicht, ihren Abschluss findet.
Zwischen diesen beiden Eckpavillons ist die Facade
ganz so gegliedert, wie an der Längenseite der Reit-
schule; Erdgeschoss und Halbstock sind zu einem j
kräftigen Unterbau zusammengefasst, dessen Bossa- i
gen gurtenartig vorspringen und parallel weiter-
laufen. Zwischen den Bogenfenstern des Hauptge-

schosses erheben sich Pilasterpaare mit römischen
Kapitalen, über denen das Dachgesimse weit vor-
springt, dessen Balustrade teils mit römischen Waf-
fentrophäen, teils mit Vasen in antiker Form ge-
ziert ist. In der Mitte dieser elliptisch vertieften
Facade tritt nun das triumphbogenartige Hauptpor-
tal vor, welches in den dahinter liegenden weiten
Rundbau und aus diesem durch die bereits beste-
hende Einfahrt mit den beiden Seitengängen in den
inneren Burghof führt. An diesem Portal entfaltet
sich die stolze Säulenarchitektur, deren Muster der
Eckpavillon der Reitschule bietet, in grandioser
Weise, indem vier römische Säulenpaare über den
Sockeln des Unterbaues aufsteigen, welche das Archi-
travgesimse tragen, über dem sich eine allegorische
Figurengruppe erhebt. Zwischen den beiden mitt-
leren Säulenpaaren öffnet sich die Durchfahrt, über
deren Bogen zwei posaunende Ruhmesgenien das
kaiserliche Wappen umgeben, während zu beiden
Seiten der Durchfahrt kleinere Pforten für die Fuß-
geher angebracht sind. Mit Interesse hatte das
Publikum schon das Aufziehen und Aufstellen der
riesigen Säulen und der kolossalen Bogen- und
Architravstücke verfolgt, die alle gleich jenen an
den alten Bauteilen aus Zogelsdorfer Stein gearbeitet
sind. Jedes Kapitäl, jedes Ornament ist getreu nach
den am alten Bau vorhandenen Mustern ausgeführt."

„Seine Krönung erhält dieser Prachtbau durch
eine hohe Kuppel oberhalb des Portals, welche den
inneren Rundbau in der Höhe von 34 Meter über-
wölben und deren äußere Höhe 74 Meter betragen
wird. In den letzten Wochen ist bereits das Balken-
gerüst für den Bau dieser Kuppel aufgestellt worden,
die nach dem Muster des abgerundeten Zeltdaches
über den Reitschulpavillon ausgeführt werden wird.
Zur technischen Herstellung dieses kühnen Baues
wird eine trotz ihrer Kolossalität ungemein leichte
und schwungvolle Eisenkonstruktion verwendet,
deren Ausführung der Firma Gridl übertragen wurde.
Um dem Rundbaue von oben Licht zuzuführen, lässt
Regierungsrat Kirschner an der Kuppel Fenster an-
bringen und zwar acht kleinere in der oberen Halb-
kugel und acht große, ovale Fenster rings um den
unteren Teil der Kuppel. Der Technik des Barock-
baustils gemäß wird die Kuppel mit Kupfer einge-
deckt werden. Die Wiener können sich schon heute
darauf freuen, welch herrlichen Anblick dieser Por-
talautbau mit der Kuppel vom Kohlmarkt aus
bieten wird, sobald erst der ihn verdeckende Häuser-
block gefallen ist. Die kleinere Kuppel über dem
neuen Eckpavillon an der [Ecke der Schauflergasse
 
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