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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 4.1893

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https://doi.org/10.11588/diglit.5367#0275
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Kunsthistorisches. — Vermischtes.

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gegangen, um nachzuweisen, wo sie sich jetzt befinden.
Nur das bequem Erreichbare wurde genannt. Die folgende
Notiz soll auf die wunden Punkte der bisherigen Erklärun-
gen hinweisen und einiges Neue beibringen. — Beginnen
wir an der Hauptwand mit der obersten Reihe. Die ersten
drei Bilder sind leicht zu bestimmen. Das letzte Bild rechts
aber wurde bisher mit einer gewissen Ängstlichkeit von der
Forschung gemieden. „TIT1ANVS" hat Teniers beigeschrie-
ben, und er wird wohl recht behalten. Denn diese Diana
mit Aktaeon ist fast zweifellos dasselbe Bild von Tizian's
Hand, das Waagen beim Earl Brownlow gesehen hat
(„Treasures of art in Great Britain" II, S. 313) und das erst
jüngst in London wieder ausgestellt war.1) Die Stiche im
Theatrum des Teniers im „Prodromus" von Stampart und
Prenner, der Stich in Couche's Palais royal, sowie die kleine
Nachbildung auf dem Galeriebilde des Teniers erlauben
eine solche Identifizirung. Im alten Inventar der Galerie
des Erzherzogs Leopold Wilhelm ist das Bild nicht mehr
verzeichnet. Meine Identifizirung ist so gut wie sicher. —
In der zweiten Reihe bedarf „Kain und Abel" ganz links
einer Kommentirung. Teniers schrieb dazu „PALMA". Das
Bild ist erst wiederzufinden.2) Im Inventar der Leopold
Wilhelm'schen Galerie steht es als Nr. Ol beschrieben. (Ist
verschieden von dem Brudermorde des Palma, der noch
heute vorhanden ist.) — In derselben Reihe ist zu beachten :
die Auferweckung des Lazarus von „PORDENON", wie
Teniers dazu schrieb (Inventar Nr. 83). Das Bild war noch
in der Stallburg vorhanden, wie man aus der Abbildung im
„Prodromus" schließen kann. Die linke Hälfte dieses Porde-
none kommt auch auf einer der gemalten Galerieen des
Teniers in München vor (auf Nr. 929). Von besonderem
Interesse ist die Kreuzschleppung des Cariani in derselben
Reihe, ein Bild, das nach Angabe des alten Inventars signirt
war mit: Ioannes Cariani. — Die dritte Reihe beginnt mit
einem Johannes Baptista, der zwar im alten Inventar als
Nr. 72 beschrieben, aber heute nicht mehr in der Galerie
vorhanden ist. In der Stallburg war er noch. Es folgen
drei bekannte Bilder. Das nächste dann aber, eine Ver-
suchung Christi, ist nicht mehr in der Wiener Galerie (im
alten Inventar als Nr. 201, Giacomo Tintoretto). — In der
vierten Reihe folgt auf die bekannte Judith des Saraceno
eine Beweinung des heiligen Leichnams von Scliiavone, die
zunächst auch nur durch die Kopie des Teniers und die Ab-
bildung im Prodromus bekannt ist (altes Inventar Nr. 190).
Auch die heilige Familie mit Sta. Magdalena von Palma
vecchio in derselben Reihe muss erst gesucht werden (obwohl
sie noch bei Mechel vorkommt), ebenso die Kreuzschleppung
von einem „BASSAN" (Inv. 228), welche Teniers auf meh-
reren seiner Bilder wiederholt hat (München, Nr. 929 und
928). — In der Unternien Reihe das Ecce homo (Halbfigur)
von ,.T1TIANVS" wird nicht leicht wiederzufinden sein (altes
Inventar Nr. 199). Die Mater dolorosa daneben steht im
alten Inventar als Kopie nach Tizian (Nr. 200). Die Dame,
die zwischen den Bildern herausblickt, entspricht der Nr.
273 des alten Inventars, das hier keinen Malernamen nennt.
Das zweitnächste Bild gegen rechts wird jenes Eigenbildnis
des Giorgione sein, das noch in der Stallburggalerie vor-

handen war. Das Bild ganz rechts ist vermutlich der Or-
pheus des Giorgione, den das alte Inventar anführt (Nr. 270).
— Die Gemälde, die vorne lehnen, sind leicht in Wien und
in Florenz wiederzufinden bis auf eines, nämlich die Land-
schaft von Paul Bril (Inventar Nr. 157). — Unter den Bil-
dern, die links beim Fenster hängen, bedarf der Brudermord
einer Erklärung. Dieses Bild, im alten Inventar als Nr. 1
beschrieben, aber nicht getauft, ist noch vorhanden. Es
wurde bei der jüngsten Neuaufstellung eingereiht (Führer,
Nr. G04), wobei freilich die unrichtige Angabe unterlief, als
sei dieses Gemälde zuerst im Prager Inventar von 1718 nach-
weisbar. Die kleine Kopie auf der gemalten Galerie des
Teniers in Wien beweist schlagend, dass schon Erzherzog
Leopold Wilhelm dieses wirkungsvolle Stück sein eigen
nannte. Ganz unten rechts hängt noch ein Bildchen von
Domenico Feti, dessen merkwürdige Darstellung vom alten
Inventar nicht näher bezeichnet (Nr. 177) und auch nach
der Abbildung im Prodromus nicht klar wird.

DR. TU. v. FltlMMEL.

1) Vergl. den Katalog der „Exhibition of work by the old
masters" der Royal academy of arts von 1893, Nr. 121, und den Be-
richt über diese Ausstellung im Repertorium für Kunstwissenschaft
(Bd. XVI, W. v. Seidlitz).

2) Das Depot der Wiener Galerie ist mir nicht zugänglich,
weshalb ich keine Bürgschaft dafür übernehmeu kann, dass dieses
oder andere scheinbar verschollene Bilder nicht im Wiener Vorrat
verborgen sind.

VERMISCHTES.

*Jf Arnold Bbcklin, der jetzt wieder völlig genesen ist,
hat ein neues Selbstporträt gemalt, von dem die „Baseler
Nachrichten" folgende enthusiastische Schilderung entwerfen:
„Der Maler, von tiefen Empfindungen bewegt, steht zur
Seite einer Staffelei, auf deren graue Tafel er eben die ersten
Linien zu seinem eigenen Bildnis hingeworfen; in der ge-
senkten Rechten hält er den Pinsel, in der Linken die Palette.
Er hat ein kurzes violettes Jackett angelegt, dessen einer
Flügel, unten leicht umgebogen, ein buntes Futter zeigt; die
Beinkleider weiß, blau karrirt, ein rot und gelber seidener
Schlips um den niederen Stehkragen. Rechts vom Beschauer
ein dunkelgrüner Vorbang, dahinter ein Tischchen mit allerlei
Kleinigkeiten. Man ist über den Gedanken des von schwerer
Krankheit Wiedererstandenen, sich in lebhaft farbigem An-
zug uns vorzuführen, im ersten Augenblick verwirrt, aber
nur einen Augenblick, um sogleich das ganze Gemälde als
einen der schönsten koloristischen Triumphe Böcklin's zu
bewundern. Hier ist in jeder Farbe wohlüberlegte Absicht,
gekrönt durch den vollendetsten Erfolg, und wenn der unter
Italiens glänzendem Himmel weilende Künstler sich nicht
in einen blöden dunklen Rock stecken wollte, so wusste er
wohl, was er that, und er fühlte sich stark genug, um seine
Hauptaufgabe, die Darstellung des Menschen, des geistig
schöpferischen Menschen, nicht durch das Äußerliche der
Kleidung zu erdrücken. Das Wesentliche, der Kopf des
Künstlers, ist wundervoll modellirt und mit der äußersten
Sorgfalt bis in die feinsten Nuancen durchgeführt; alles noch
so virtuos behandelte Nebenwerk tritt durch ihn zurück, er
beherrscht unser Interesse, er hält uns lange, lange fest; wir
möchten sein Geheimnis erfahren. Dieser Kopf, von der
Sonne des Südens gebräunt, kräftig in die Höhe gerichtet,
die noch immer hellen Augen nach innen gekehrt, sagt uns,
dass sein Träger von dem Ernste des überwundenen Angriffs
auf sein Leben tief ergriffen ist; der Mund öffnet sich, um
dem Gedanken des Augenblicks Ausdruck zu geben, und
wir glauben von den lebensvollen Lippen die Worte zu ver-
nehmen: „Und ich male doch noch!"

Dresden. Auch hier hat sich jetzt eine Spaltung in der
Künstlerschaft vollzogen. Es ist eine freie Vereinigung
Dresdener Künstler ins Leben gerufen worden, die über
sechzig Mitglieder zählt. Hervorragende Künstler Dresdens,
wie Prof. Robert Diez, Professor an der Königl. Kunstaka-
demie, Prof. Paul Kießling, die Architekten Hauschild, Gräbner,
 
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