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Sammlungen und Ausstellungen.
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bau, in dem das Speisegerät für 2 Personen in knappester
Form untergebracht ist. Alles Gerät ist von Silber, schwer
vergoldet, der hölzerne Aufbau ist rund, drehbar wie die
sogenannten schwedischen Schüsseln und auch in ähnlicher
Weise unten mit fünf Deckelnäpfen besetzt, die auf er-
wärmbaren Steinplatten stehen; sechs flache und tiefe
Teller, je sechs Gabeln und Löffel, stählerne und silberne
Messer, Eierbecher, Salznäpfe schieben sich zwischen und
über die Näpfe, der obere von Karyatiden getragene Auf-
bau enthält ringförmig geordnet die in Facetten geschliffenen
Karaffen und Gläser. Die Silberarbeiten sind sämtlich be-
zeichnet Biennois orfevre de S. M. l'Emperieur et Roi ä
Paris; alle Stücke tragen das S der Prinzessin Stephanie.
Auch das alte Etui, in welches das Ganze sicher eingelassen
werden kann, nebst der Hülle für Reisezwecke, ist vollständig
erhalten. Dieses ganz ungewöhnliche, jetzt mit grösster
Gewissenhaftigkeit von seinen nur leichten Schäden be-
freite Stück ist eines der zierlichsten Werke des Empire-
Stils. Es wird von Sonnabend an im Lichthofe des Mu-
seums ausgestellt sein.
Dresden. In Emil Richter's Kunstsalon (Prager
Strasse) ist die Herbstausstellungssaison nunmehr eröffnet.
Ein farbenfreudiger, ungewöhnlich frischer Eindruck ist es,
der die Besucher des grossen Oberlichtsaales beim Eintritt
empfängt. Die Pariser Maler der Societe des beaux arts
haben hier Einzug gehalten, mit durchweg neuen, noch
nirgends ausgestellten Werken, die zum erstenmale in
Dresden in solcher Reichhaltigkeit vereinigt sind. Man
sieht ungemein farbenkräftige und doch höchst anziehende
kolorierte Studien von Bourget, dem Bruder des grossen
Romandichters, daneben die feinen Damenbildnisse und
Allegorien von Prouve, unvergleichlich in ihrer flotten Art
und Leuchtkraft. Zwischen diesen hängen Seebilder von
Francis Auburtin; namentlich die grösseren von ihnen sind
mit fabelhafter Leichtigkeit hingestrichen, von herrlich klarem,
durchsichtigem Ton und eminent naturwahr. Beim Näher-
treten interessieren dann immer mehr auch die kleineren
Werke, von Milcendean, De'lroy und Monod, die teils Ge-
mälde, teils Zeichnungen ausgestellt haben, auf denen sie
Land und Leute ihrer Heimat schildern. Besonders De'lroy
beweist auf seinen Zeichnungen eine imponierende herbe
Kraft. Monod's zarte Blätter leiten dann über zu den
pikanten Skizzen Allan Osterlind's; als hervorragende
Zeugen künstlerisch-vornehmster, echt Pariser Eleganz sind
diese hochaparten Zeichnungen wohl dazu angethan, viele
Feinschmecker auf dem Gebiete der graphischen Künste
anzulocken und zu entzücken. Eine ausgesuchte Reihe
französischer Goldschmiedearbeiten u. s. w. von dem so
vielseitig begabten Victor Prouve' in einigen Vitrinen von
Galle vermehrt noch die Fülle dessen, was] der Salon jetzt
bietet. Der Gesamteindruck des ganzen Arrangements von
lauter Werken, die soeben erst die Werkstätten der Künstler
verlassen haben, ist in hohem Masse apart. Dies ist frei-
lich leicht erklärlich, haben doch die Herren Henri Frantz,
der Präsdent der Societe und Auburtin selber die letzten
Anordnungen in die Hand genommen.
Darmstadt. Die »Köln. Ztg. « vom 16. Oktober ver-
öffentlicht ein Nachwort zur Darmstädter Ausstellung, das
mancherlei Bemerkenswertes enthält. Am 15. Oktober
wurde die vielbesprochene Darmstädter Ausstellung ge-
schlossen, und da und dort wird jetzt die Frage erörtert,
ob das Unternehmen ein gutes Ergebnis gehabt hat oder
nicht. Was wollte man mit der Ausstellung? Jedenfalls
sollte sie das Publikum von den Vorzügen eines neuen
Stils überzeugen und für diesen werben. Unter diesem
neuen Stil hätte man nun richtigerweise, wenn nicht gleich
eine -Volkskunst«, doch eine Formen Wandlung verstehen
sollen, deren Vereinigung ästhetischen Reizes mit Zweck-
mässigkeit für sich selber sprach. Ein Raum, so hätte im
Sinne der neuen Kunst das Kennwort lauten sollen, muss
sowohl für die Bequemlichkeit der Gliedmassen, wie dar-
über hinaus, für das Auge die Stimmung des behaglichen,
des wohlbekömmlich freundlichen Aufenthalts erzeugen,
und dies im Sinne seines besonderen Zweckes in Bezug
auf die Lebensweise der Bewohner. Da schob sich aber
der scheinbar logische Gedanke ein, die Bewohner seien
Künstler, also hätten die Häuser in allen ihren Teilen
diesen Zweck anzudeuten. Damit war schon der Grund-
gedanke einer Werbung um das praktische Wohlgefallen
der Allgemeinheit erschüttert. Die meisten Menschen sind
keine Künstler, also können sie Wohnungen nicht brauchen,
die auf die Künstlergewöhnung zugeschnitten sind. Man
ging aber noch weiter und machte aus dem Begriff
»Künstler« etwas auf eine Partei, auf eine Sekte der
Künstlerschaft Zugeschnittenes und gestaltete die Aus-
stellung zum Programm einer weit über das einfachere
Ziel einer Stil-Erneuerung hinausgehenden kunstphiloso-
phischen Lebensweise, man predigte eine neue Kunst-
religion. Die besondere Empfindung besonders gestimmter
Persönlichkeiten, die selbst in der bildenden Kunst nur
einen bedingten Anspruch auf Anerkennung hat, wollte
man einer Nutzkunst für die Allgemeinheit aufzwingen.
Die noch lange nicht ganz entschiedene Streitfrage der
Stellung des Künstlers zum Kunstgeniessenden und hier
noch besonders zum Kunstgebrauchenden entschied man
ganz einseitig aus dem Gesichtspunkte des Künstlers
und liess sich dabei von Leuten anstacheln, die mit der
Kunst nur Sport treiben oder sie als Mittel ihrer persön-
lichen Aufdringlichkeit betrachten. Statt den Philister« zu
locken, zu überzeugen, spielte man lieber in modernem Sinne
den Fürsten «, vor dem der Philister demütig zu schweigen,
bei dem er aber zu - bestellen hatte. Soll jetzt die mo-
derne Kunst für diesen Missgriff büssen? Gefährlich ist
die Lage. Die Darmstädter Ausstellung hat dem Miss-
trauen neue Nahrung gegeben. Und doch war dort ein
still bescheidener Sieger, auf den wir sofort aufmerksam
gemacht haben und den jetzt auch verschiedene Fach-
schriften hervorheben, Patriz Huber. Er hat den Beweis
geliefert, dass der moderne Stil kein Künstlerstil zu sein
braucht, sondern ein vorzüglicher Gebrauchsstil werden
kann. Patriz Huber stand aber eben auf dem Boden des
Kunsthandwerks. Das ist ein bedeutungsvolles Ergebnis
der Darmstädter Ausstellung. Man hat sich darüber ge-
freut, dass die Künstler zum Handwerk »hinabsteigen ,
und hat davon viel erwartet. Aber der umgekehrte Weg
zeigt sich als der heilsamere, wenn der Handwerker zum
Künstler wird. Es zeigt sich auch, dass das Vermengen
der einzelnen Künste vom Übel ist, und dass der Maler
kein Architekt ist. Es zeigt sich, dass gerade Malerlaune
zwar die Leinwand und den Pinsel zwingen kann, dass
sie aber nicht ungestraft härteres Material biegen und
beugen kann. Der Maler, so zeigt sich weiter, schafft im
Kunsthandwerk ein Bild aus innerem Gesicht, nach der Vor-
stellung von Farbe und Form, aber er hat nicht, wie der Hand-
werker, die Schule des Zweckmässigen. So kann er Berater
für Zierwerk sein, aber nicht Schöpfer des Nutzbaren, nicht
Beherrscher des Materials. Wir müssen auch fürderhin
alles daran legen, dass der Handwerker Künstler wird und
dürfen uns nicht von der vermeintlichen Universalität des
malerischen Auges irreführen lassen. Deshalb darf sich
auch der Architekt nicht mehr weiter vom Steinmetzen
und Zimmermann entfernen und zu nahe an die Seite des
Malers rücken. Dem Handwerker soll er befehlen, sich
aber vom Maler nicht bereden lassen. Das Allerwichtigste
aber, was zu thun ist, das ist: grössere Vorsicht derer,
die über Kunst schreiben. Die künstlerischen Zeitschriften
Sammlungen und Ausstellungen.
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bau, in dem das Speisegerät für 2 Personen in knappester
Form untergebracht ist. Alles Gerät ist von Silber, schwer
vergoldet, der hölzerne Aufbau ist rund, drehbar wie die
sogenannten schwedischen Schüsseln und auch in ähnlicher
Weise unten mit fünf Deckelnäpfen besetzt, die auf er-
wärmbaren Steinplatten stehen; sechs flache und tiefe
Teller, je sechs Gabeln und Löffel, stählerne und silberne
Messer, Eierbecher, Salznäpfe schieben sich zwischen und
über die Näpfe, der obere von Karyatiden getragene Auf-
bau enthält ringförmig geordnet die in Facetten geschliffenen
Karaffen und Gläser. Die Silberarbeiten sind sämtlich be-
zeichnet Biennois orfevre de S. M. l'Emperieur et Roi ä
Paris; alle Stücke tragen das S der Prinzessin Stephanie.
Auch das alte Etui, in welches das Ganze sicher eingelassen
werden kann, nebst der Hülle für Reisezwecke, ist vollständig
erhalten. Dieses ganz ungewöhnliche, jetzt mit grösster
Gewissenhaftigkeit von seinen nur leichten Schäden be-
freite Stück ist eines der zierlichsten Werke des Empire-
Stils. Es wird von Sonnabend an im Lichthofe des Mu-
seums ausgestellt sein.
Dresden. In Emil Richter's Kunstsalon (Prager
Strasse) ist die Herbstausstellungssaison nunmehr eröffnet.
Ein farbenfreudiger, ungewöhnlich frischer Eindruck ist es,
der die Besucher des grossen Oberlichtsaales beim Eintritt
empfängt. Die Pariser Maler der Societe des beaux arts
haben hier Einzug gehalten, mit durchweg neuen, noch
nirgends ausgestellten Werken, die zum erstenmale in
Dresden in solcher Reichhaltigkeit vereinigt sind. Man
sieht ungemein farbenkräftige und doch höchst anziehende
kolorierte Studien von Bourget, dem Bruder des grossen
Romandichters, daneben die feinen Damenbildnisse und
Allegorien von Prouve, unvergleichlich in ihrer flotten Art
und Leuchtkraft. Zwischen diesen hängen Seebilder von
Francis Auburtin; namentlich die grösseren von ihnen sind
mit fabelhafter Leichtigkeit hingestrichen, von herrlich klarem,
durchsichtigem Ton und eminent naturwahr. Beim Näher-
treten interessieren dann immer mehr auch die kleineren
Werke, von Milcendean, De'lroy und Monod, die teils Ge-
mälde, teils Zeichnungen ausgestellt haben, auf denen sie
Land und Leute ihrer Heimat schildern. Besonders De'lroy
beweist auf seinen Zeichnungen eine imponierende herbe
Kraft. Monod's zarte Blätter leiten dann über zu den
pikanten Skizzen Allan Osterlind's; als hervorragende
Zeugen künstlerisch-vornehmster, echt Pariser Eleganz sind
diese hochaparten Zeichnungen wohl dazu angethan, viele
Feinschmecker auf dem Gebiete der graphischen Künste
anzulocken und zu entzücken. Eine ausgesuchte Reihe
französischer Goldschmiedearbeiten u. s. w. von dem so
vielseitig begabten Victor Prouve' in einigen Vitrinen von
Galle vermehrt noch die Fülle dessen, was] der Salon jetzt
bietet. Der Gesamteindruck des ganzen Arrangements von
lauter Werken, die soeben erst die Werkstätten der Künstler
verlassen haben, ist in hohem Masse apart. Dies ist frei-
lich leicht erklärlich, haben doch die Herren Henri Frantz,
der Präsdent der Societe und Auburtin selber die letzten
Anordnungen in die Hand genommen.
Darmstadt. Die »Köln. Ztg. « vom 16. Oktober ver-
öffentlicht ein Nachwort zur Darmstädter Ausstellung, das
mancherlei Bemerkenswertes enthält. Am 15. Oktober
wurde die vielbesprochene Darmstädter Ausstellung ge-
schlossen, und da und dort wird jetzt die Frage erörtert,
ob das Unternehmen ein gutes Ergebnis gehabt hat oder
nicht. Was wollte man mit der Ausstellung? Jedenfalls
sollte sie das Publikum von den Vorzügen eines neuen
Stils überzeugen und für diesen werben. Unter diesem
neuen Stil hätte man nun richtigerweise, wenn nicht gleich
eine -Volkskunst«, doch eine Formen Wandlung verstehen
sollen, deren Vereinigung ästhetischen Reizes mit Zweck-
mässigkeit für sich selber sprach. Ein Raum, so hätte im
Sinne der neuen Kunst das Kennwort lauten sollen, muss
sowohl für die Bequemlichkeit der Gliedmassen, wie dar-
über hinaus, für das Auge die Stimmung des behaglichen,
des wohlbekömmlich freundlichen Aufenthalts erzeugen,
und dies im Sinne seines besonderen Zweckes in Bezug
auf die Lebensweise der Bewohner. Da schob sich aber
der scheinbar logische Gedanke ein, die Bewohner seien
Künstler, also hätten die Häuser in allen ihren Teilen
diesen Zweck anzudeuten. Damit war schon der Grund-
gedanke einer Werbung um das praktische Wohlgefallen
der Allgemeinheit erschüttert. Die meisten Menschen sind
keine Künstler, also können sie Wohnungen nicht brauchen,
die auf die Künstlergewöhnung zugeschnitten sind. Man
ging aber noch weiter und machte aus dem Begriff
»Künstler« etwas auf eine Partei, auf eine Sekte der
Künstlerschaft Zugeschnittenes und gestaltete die Aus-
stellung zum Programm einer weit über das einfachere
Ziel einer Stil-Erneuerung hinausgehenden kunstphiloso-
phischen Lebensweise, man predigte eine neue Kunst-
religion. Die besondere Empfindung besonders gestimmter
Persönlichkeiten, die selbst in der bildenden Kunst nur
einen bedingten Anspruch auf Anerkennung hat, wollte
man einer Nutzkunst für die Allgemeinheit aufzwingen.
Die noch lange nicht ganz entschiedene Streitfrage der
Stellung des Künstlers zum Kunstgeniessenden und hier
noch besonders zum Kunstgebrauchenden entschied man
ganz einseitig aus dem Gesichtspunkte des Künstlers
und liess sich dabei von Leuten anstacheln, die mit der
Kunst nur Sport treiben oder sie als Mittel ihrer persön-
lichen Aufdringlichkeit betrachten. Statt den Philister« zu
locken, zu überzeugen, spielte man lieber in modernem Sinne
den Fürsten «, vor dem der Philister demütig zu schweigen,
bei dem er aber zu - bestellen hatte. Soll jetzt die mo-
derne Kunst für diesen Missgriff büssen? Gefährlich ist
die Lage. Die Darmstädter Ausstellung hat dem Miss-
trauen neue Nahrung gegeben. Und doch war dort ein
still bescheidener Sieger, auf den wir sofort aufmerksam
gemacht haben und den jetzt auch verschiedene Fach-
schriften hervorheben, Patriz Huber. Er hat den Beweis
geliefert, dass der moderne Stil kein Künstlerstil zu sein
braucht, sondern ein vorzüglicher Gebrauchsstil werden
kann. Patriz Huber stand aber eben auf dem Boden des
Kunsthandwerks. Das ist ein bedeutungsvolles Ergebnis
der Darmstädter Ausstellung. Man hat sich darüber ge-
freut, dass die Künstler zum Handwerk »hinabsteigen ,
und hat davon viel erwartet. Aber der umgekehrte Weg
zeigt sich als der heilsamere, wenn der Handwerker zum
Künstler wird. Es zeigt sich auch, dass das Vermengen
der einzelnen Künste vom Übel ist, und dass der Maler
kein Architekt ist. Es zeigt sich, dass gerade Malerlaune
zwar die Leinwand und den Pinsel zwingen kann, dass
sie aber nicht ungestraft härteres Material biegen und
beugen kann. Der Maler, so zeigt sich weiter, schafft im
Kunsthandwerk ein Bild aus innerem Gesicht, nach der Vor-
stellung von Farbe und Form, aber er hat nicht, wie der Hand-
werker, die Schule des Zweckmässigen. So kann er Berater
für Zierwerk sein, aber nicht Schöpfer des Nutzbaren, nicht
Beherrscher des Materials. Wir müssen auch fürderhin
alles daran legen, dass der Handwerker Künstler wird und
dürfen uns nicht von der vermeintlichen Universalität des
malerischen Auges irreführen lassen. Deshalb darf sich
auch der Architekt nicht mehr weiter vom Steinmetzen
und Zimmermann entfernen und zu nahe an die Seite des
Malers rücken. Dem Handwerker soll er befehlen, sich
aber vom Maler nicht bereden lassen. Das Allerwichtigste
aber, was zu thun ist, das ist: grössere Vorsicht derer,
die über Kunst schreiben. Die künstlerischen Zeitschriften