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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

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https://doi.org/10.11588/diglit.5902#0103

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18g Literatur — Anzeigen igo

Kreuz war. Piper sah sich einer meist von Laien produ-
zierten Literatur gegenüber, welche aus beschränkter Kenntnis
der Denkmäler heraus ein System des Burgenbaues kon-
struiert hatten, das von großen und kleinen Irrtümern
wimmelte. Ein anderer hätte sich mit ruhiger Heiterkeit
darüber hinweg gesetzt und objektiv die Wahrheit der
Tatsachen entwickelt. Piper fühlte sich verpflichtet, den
Stall erst einmal gründlich zu reinigen und alles nieder-
zulegen, was nicht ganz niet- und nagelfest war. Der
Kampfeseifer war in einzelnen Fällen so groß, daß er sich
nach Niederwerfung der stärksten Helden, der Cohausen,
Salvisberg, Näher, Essen wein, Gori, Jähns usw. vom
Schlachtfeld zu neuen Kämpfen wandte, ohne über das
Streitobjekt klar und unzweideutig zu verfügen. Und mancher
wissenschaftliche Tropf wurde hier im Angesicht der Welt
verprügelt, der diese Ehre bei Gott nicht verdient hatte.
Aber das Strafgericht war heilsam. Die Burgenforscher
sind seitdem auffallend schüchtern geworden. Und das
wertvollste ist, daß Piper selbst sich mehr dem positiven
Aufbau der Burgenkunde zuwenden konnte. In dieser
Hinsicht bedeutet die zweite Auflage einen großen Fort-
schritt, den der Verfasser seinem Temperament abgerungen
hat. Zwar nehmen die polemischen Erörterungen immer
noch einen ziemlichen Raum ein, aber man kann sie doch
eher als Beispiele gelten lassen, um in die Probleme ein-
zuführen. Wenn sie später einmal ganz fortfallen, wird
man ihnen keine Träne nachweinen. Dagegen sind auf
jeder Seite des Buches die Ergebnisse rüstiger und liebe-
voller Fortarbeit eingetragen. Daß Piper sich vor keiner
Autorität beugte, wußten wir; daß er seine eigene um-
stößt, wo er sich von einer besseren Wahrheit überzeugte,
macht ihm die höchste Ehre. Schon in seinen Öster-
reichischen Burgen (bisher 4 Bände, Wien, A. Holder,
seit 1902) fanden wir eine Fülle von ergänzenden und
berichtigenden Bemerkungen. Weiteres Material brachten
italienische Studienreisen. Und so ist in dieser neuen
Auflage eine so erdrückende Menge selbstgeschauter Be-
obachtungen verarbeitet, wie sie kein lebender Forscher
über den gleichen Gegenstand besitzt. Man darf nicht
glauben, daß die Sache dadurch einfacher geworden ist.
Im Gegenteil. Die unabsehbare Mannigfaltigkeit burgbau-
licherFormen, angefangen vom Grundriß und der allgemeinen
Disposition bis zum letzten Dacherker, ist eher gewachsen.
Zu den altbekannten treten überall neue, teilweise hoch-
interessante Beispiele andersartiger Lösungen. Aber Pipers
Verdienst ist es gerade, den Glauben zerstört zu haben,
als lasse sich der Burgenbau auf glatte Formeln bringen.

Die alte, nicht unbedingt glückliche Einteilung und
Ordnung der Kapitel ist geblieben. Auch die Art der zu-
verlässig und anschaulich unterrichtenden Illustrationen in
Federzeichnung, die im übrigen stark vermehrt und vielfach
umgezeichnet sind. Das ist löblich. Nur fehlen wieder die
Unterschriften zu den Bildern. Jeder Benutzer, der vor-
und rückwärts vergleichend das Buch gebraucht, muß sich
die Figuren handschriftlich kenntlich machen, wenn ihm
das Bildermaterial auch unabhängig vom Text gebrauchs-
fähig werden soll. Der Druck ist von peinlicher Sauber-
keit. In Summa, hier kann man wirklich einmal von dem
Lebenswerk eines Mannes reden, der in mehr als zwanzig-

jähriger, selbstloser Hingabe an diesen einen Gegenstand
die Burgenkunde auf neue und vorläufig unerschütterliche
Füße gestellt hat.

Der Anerkennung dieser persönlichen, körperlichen
wie geistigen Leistung möchte ich noch an dieser Stelle
Ausdruck geben. Wir wissen alle, daß die Anschauung
und der sichere Blick den Forscher macht und wir kennen
alle den Wert, Reiz und strapaziösen Verlauf der Studien-
reise: Kirchen, Klöster, Rathäuser, Museen, Sammlungen
aller Art, jeden Augenblick neue Bilder und Eindrücke.
Aber das liegt doch meist hübsch beisammen, vom Bahn-
hof, vom Tram oder auf dem Rad leicht erreichbar. Und
überall sind Leute, die nähere Auskunft geben. Burgen
hingegen — die liegen meist außerhalb der modernen
Verkehrsmittel, auf beschwerlichen Höhen, in entlegener
Einsamkeit, sie sind im einzelnen bis zur Unkenntlichkeit
zerstört, überwachsen oder verbaut, oft nur mit Lebens-
gefahr zugänglich; vom früheren Bestand meldet kein wissen-
schaftlicher Katalog, kein Kustos, »kein Lied, kein Helden-
buch«. Der Forscher ist so mächtigen sachlichen Schwierig-
keiten gegenübergestellt, daß die zuverlässige Kenntnis
auch nur weniger Musterbeispiele einen ganz unverhältnis-
mäßigen Aufwand von Zeit und Kraft erfordert. Von
diesem Gesichtspunkt aus kann man erst vollkommen die
Riesenarbeit würdigen, die Piper durch seine persönlichen,
bis ins kleinste Detail hinein zuverlässigen Forschungen
und Beobachtungen geleistet hat. — Auf das Einzelne
kommen wir bei der Besprechung der zweiten Hälfte
zurück. Dr. H. Bergner.

fr --^

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Inhalt: Das Budget der bildenden Kunst in Frankreich. Von Karl Eugen Schmidt. — Römischer Brief. Von Federico Hermanin.—Johannes
Kleinschmidt f; Leo Felixowitsch Lagorio t; Enrico Guj f. — Vorstandswahl der Künstlervereinigung Luitpold-Qruppe. — Holländische
Denkmalpflege; Museum für Aachen; Restauration der Sebalduskirche in Nürnberg und der Hohkönigsburg im Elsaß. — Schmuck des
Völkerschlachtdenkmals zu Leipzig; Denkmal für Paul Gerhard in Lübben; Denkmäler von Robert Cauer. — Internationale Gesellschaft
zur Ausgrabung von Herkulaneum; Bronzestatuenfund in Delphi; Fund einer römischen Feuerspritze; Ausgrabung von Reliefs. — Er-
klärung einiger Darstellungen auf dem Parthenonfriese. — Ausstellungen in Leipzig, Rom, Neapel und Elberfeld. — Dr. Swarzenski Direktor
der städtischen modernen Galerie zu Frankfurt; Entdeckung des ersten Werkes von Viktor Emil Janssen; Antiquarische Sammlung in Basel;
Geschenk an das Prado-Museum zu Madrid; ein neuer Rembrandt; Neuerwerbung der Uffizien in Florenz. — Stiftung des Vereins Berliner
Künstler. — Ein Werk von Lionardo; Publikation der habsburgisclien Familienporträts; Diebstahl in Florenz; neuer Kunstsalon in Frank-
furt a. M. — Berichtigung. — O. Piper, Burgenkunde. — Anzeigen.
 
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