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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 17.1906

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2ig

Ausstellungen

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in denen Niko Jungmann seine Eigenfarbe gefunden, bieten
auch ihre Elemente zu einer privaten Farbenskala. Einige
niederländische Motive deuten dahin, daß er einen Aus-
weg aus der Stube in die moderne Landschaft sucht. Und
zwar ohne zu tüpfeln. Auch ohne Israels zu streifen, dem
er selbst in der Stube auszuweichen wußte. Scharf wird
wohl wieder nach Paris zurückkehren, wo in neuester Zeit
mancher Österreicher zu Rang und Ansehen gekommen.
Es sei hier bloß der Medailleur Heinrich Kautsch genannt,
eine Roty verwandte Natur; seine Kollektion von Medaillen
und Plaketten ist schon sehr ansehnlich. Aber auch sonst
entwickelt sich das jüngere Wiener Porträt recht frisch.
In den Vordergrund ist bereits John Quincey Adams ge-
treten, der von Ausstellung zu Ausstellung wächst. Fünf
Kinder, lebensgroß, in einem reichen Salon, mit einem
Bilderbuch beschäftigt, das ist seine jüngste Leistung. Schwere
Aufgabe und überraschend gut gelöst. Auch Joannowits
und Schattenstein, dieser ein ganz Moderner, rücken vor.
Von den älteren hat Pochwalslä sich neuestens erholt. Unter
den fremden Gästen wurde besonders der Radierer, Mono-
typiker usw. Willy Wolf Rudinoff (Loschwitz) goutiert.
Seine Blätter bedeckten eine große Wand und wurden auch
fleißig gekauft. Die Leser der »Zeitschrift für bildende
Kunst« kennen das reichbewegte Leben und die lebens-
volle Kunst Rudinoffs aus einem illustrierten Aufsatz des
Oktoberheftes. Auch der Aquarellistenklub hat im Künstler-
hause eine hübsche Ausstellung geboten. Unter den älteren
Mitgliedern traten Zetsche, Mielich, Charlemont, A. v. Pflügt
hervor, unter den Jüngsten Chuittner, der neuestens in Paris
den Spuk von Luft und Licht studiert hat und nun die
ganze Welt in farbiges Nichts auflöst, dann die jugendliche
Gruppe Baschny, W. V. Krauß und Poosch, teils mit Tier-
studien, teils mit großen radierten Köpfen. Ein anziehendes
Talent ist Prinzessin Marie Thum und Taxis (geb. Hohen-
lohe), deren lebensgroße Porträtstudien und frischfarbige
Landschaften schon früher bemerkt wurden. Diesmal brachte
sie eine Folge kleiner Radierungen, landschaftliche und
figürliche, von hervorragend feiner Stimmung und delikater
Technik. Eine Spezialität hat sich Ludwig Koch mit seinen
kleinen, genremäßig gegebenen Aquarellporlräts, meist zu
Pferd oder zu Wagen, gemacht. Es ist Highlife und Sport
darin, rasch vorbeistiebende Pikanterie, Geist des Kodak.
Diesmal aber brachte er auch eine große Szene: »Besuch
des Kaisers im neuen Polizeigefangenhause«, die eine mit
aller Diskretion durchgeführte Porträtsammlung aus offi-
zieller Sphäre darstellt und selbst die Schätzer Kochs über-
rascht hat. (Eigentum der Wiener Polizeidirektion.) — Unter
den Ausstellungen der Galerie Miethke war eine besonders
willkommen. Sie enthielt ein halbes Hundert Bilder des
1889 in allerlei Verworrenheit gestorbenen Anton Romako
(geb. 1832), der heute als frühester Vorläufer der Wiener
Modernität anzusprechen ist. Seine elegante persönliche
Erscheinung ist festgehalten in einem Aquarell Karl Wer-
ners, das sich als Geschenk des Künstlers im Leipziger
Museum befindet. Es stellt das Wernersche Atelier in
Venedig 1855 vor. Der Gondolier Andrea bringt gerade
auf mächtigem Kaffeebrett den Schwarzen herein. Ro-
mako malt, in Hemdsärmeln vor der Staffelei, den Maler
C. Bucher, der im Harnisch, mit der Hellebarde, Modell
steht. Werner steht ans Klavier gelehnt, ein rotes Käpp-
chen auf, den langen Tschibuk schmauchend. Ludwig
Passini sitzt, auch mit dem Tschibuk, und deklamiert aus
einem Bändchen Gedichte. Maleridyll aus stiller Zeit, im
österreichischen Venedig. (S. auch meine »Österreichische
Kunst im 19. Jahrhundert«, Leipzig, E. A. Seemann.) Am
deutlichsten erinnerten sich die Leute an seinen »Tegett-
hoff bei Lissa«, der sich bei Dr. v. Bischitz in Budapest fand.
Die Kommandobrücke und das Steuerrad darunter, im Augen-

blick des Rammens; dunkle Uniformfiguren, ganz zapplig
vor Nerven, ganz Gebärde. Toulouse-Lautrec wäre bei dem
Bilde stehen geblieben. Sehr merkwürdig ist ein großes
Gemälde: »Odysseus bei Circe«, das, wie es scheint, nie
ausgestellt war und dem Romakosammler Dr. Oskar Reichel
gehört. In tropischem Park, mit hohem blauem Meeres-
horizont, zwei Figuren von abenteuerlichem Hellenismus.
Wie aus einem heroisch-phantastischen Ballett heraus, oder
dieCirce aus einem HofmannsthalschenGriechenstück. Seine
Klytämnestra in »Elektra« könnte so aussehen, wie diese
hochgeschminkte, mit allen Salben gesalbte Hexe. Und
Odysseus ein entsprechend prähistorischer Heros, mähnen-
und helmbuschgewaltig, frech über alle Vasenbilder hinaus.
Sehr interessant ferner zwei große römische Triumphszenen,
stafrend von aller Archäologie des cäsarischen Militärprunkes.
Aber nicht sachlich wie bei Mantegna, sondern malerisch,
launisch, dekorativ bis an die Grenze des Unzurechnungs-
fähigen. Dann ein »Kardinal Mazarin« mit seinem Hof-
staat, eine Orgie in Purpur, ein Paroxysmus des Scharlach-
fiebers; Matejko ins Romakosche übersetzt. In allen diesen
Dingen die Kraft eines Besessenen. Leider war die »Ama-
zonenschlacht« nicht ausfindig zu machen, dieses kleine
Kabinettstück einer Don Quixote-Phantasie, in der sich tolle
Harnische und Waffen bekämpfen. Romakos Gestalt er-
scheint durch diese Ausstellung jedenfalls in einem ver-
söhnenden Lichte. Sie ist auf die Nachwelt gekommen.

Ludwig HevesL

Der Leipziger Kunstverein hat nach den großen
und bedeutsamen Kollektivausstellungen der letzten Wochen,
von Vogeler, Kampmann, August von Kaulbach, Heinrich
Zügel, Franz Skarbina, Artur Volckmann einen Teil seines
großen Oberlichtsaales dem Leipziger Künstlerbund ein-
geräumt, der unter eigener Jury zwar keine allzu umfang-
reiche, darum aber um so mehr durch ihren künstlerischen
Gehalt beachtenswerte Ausstellung veranstaltet hat. Der
Gesamteindruck dieser Veranstaltung ist sehr günstig.
Überall zeigt sich Können und mutiges Wagen. Am be-
deutsamsten tritt dabei aus dem Kreise der Kollegen der
Landschaftsmaler Wilhelm Stumpf hervor, dessen Bilder
sich durch eine großzügige Naturauffassung und einen
fein abgestimmten malerischen Zug vor anderen auszeichnen.
Stumpf hat die Lehren des Impressionismus zu einem
eigenen Stil verarbeitet, der ihn als ausgesprochene In-
dividualität unter den modernen Landschaftern erscheinen
läßt. Nächst ihm muß Horst-Schulze genannt werden,
dessen Arbeiten starkes Talent verraten. Ferner seien als
Maler und Graphiker noch Fritz Rentsch, Bossert, Queck
genannt, während Felix Pfeifer als Plastiker berechtigtes
Lob verdient, das freilich der Bildhauer Hartmann, bei
dem noch eine starke Unsicherheit zutage tritt, nicht in
gleichem Maße beanspruchen dürfte. Im ganzen eine
kleine, aber erlesene Schar Leipziger Künstler.

Aus derselben Ausstellung des Kunstvereins heben
sich noch eine Reihe anderer Werke plastisch ab, so
Oskar Zwintschers, im Besitz der Verbindung für historische
Kunst befindliches, wundervolles Porträt, das an intimem
Reiz seinesgleichen sucht, bei dem die durch das Fenster
sichtbare Silhouette von Altmeißen im Schnee sich ganz
wundervoll der tiefen romantischen Stimmung einfügt, die
das Bild durchzieht. Der Leipziger O. Dreydorff, der jetzt
in St. Anna in Holland lebt, hat eine Reihe von Werken
ausgestellt, die ihn als Maler duftiger Landschaften und
warm empfundener altväterlicher Interieurs, bei denen ihn
vor allem die Freude am Spiel der Sonnenstrahlen lockt,
bestätigen. Der Porträtist Ludwig Krueger-Leipzig ist noch
zu ungleich in seinen Werken, verrät aber gleichfalls Talent.
Franz Patzka dagegen wird mit seiner Kollektivausstellung
kaum Beifall finden. Es fehlt ihm doch zu sehr der große
 
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